Medizin

Verfrühte Euphorie

Wie lange sind Menschen gegen eine erneute Infektion mit dem Covid-19-Erreger immun? Foto: Getty Images / istock

Wie verzweifelt die Suche nach Medikamenten und Impfstoffen ist, um die Krankheit Covid-19 zu besiegen, zeigte sich in der vergangenen Woche am Beispiel der US-Biotechfirma Moderna. In einem Mut machenden Interview mit führenden US-Medien und einem israelischen Fernsehsender versprach Tal Zaks, der israelische Chefmediziner (SMO) von Moderna, allerhand.

Denn, so gab Zaks bei der Präsentation der ersten Test-Ergebnisse zu Protokoll, »wir sind in der Lage, das Immunsystem zu stimulieren«. Was Zaks, der an der Ben-Gurion-Universität Medizin studierte und seine Doktorarbeit am Forschungszentrum der National Institutes of Health schrieb, sagte, klang verheißungsvoll.

Bald, stellte er in Aussicht, werde Moderna die ersten Resultate präsentieren können, die beweisen würden, dass der Impfstoff der Firma die Krankheit tatsächlich verhindert. Saks sprach von einer »begründeten Wahrscheinlichkeit«, dass der Impfstoff bis Ende des Jahres oder zu Beginn des nächsten auf dem Markt sein werde, »zumindest auf dem amerikanischen«.

AKTIEN Die prominent aufgemachten News über die vielversprechenden Forschungsresultate bei dem Impfstoff führten rasch zu euphorischen Börsenreaktionen. Moderna-Aktien kletterten, kaum waren die Ergebnisse veröffentlicht, um mehr als 20 Prozent in die Höhe. Die zuversichtliche Meldung des kleinen US-Biotech-Unternehmens aus Boston trieb auch andere Börsenkurse in die Höhe. Der breite US-Aktienindex S&P 500 legte am selben Tag um 3,2 Prozent zu, der Euro-Stoxx gar um 5,1 Prozent.

Doch Zaks’ Optimismus wurde nach wenigen Stunden von Experten infrage gestellt, was sich im Nu negativ auf den Moderna-Kurs auswirkte. Die Titel verloren massiv an Wert, nachdem das auf den Gesundheitssektor spezialisierte US-Onlineportal »Stat News« die Resultate des israelischen Forschers angezweifelt hatte. Die vorgelegten Zwischenergebnisse würden keine kritischen Daten liefern, die zur Bewertung der Wirksamkeit nötig seien. Die Studie sei nicht umfassend genug, der Jubel deshalb verfrüht.

Frühestens in einem Jahr sei mit einem Impfstoff zu rechnen, meinen Pharmaexperten.

Die Reaktion bei Moderna? Was »Stat News« berichtet habe, widerspreche den Informationen von Moderna in keiner Weise, sagte CEO Stéphane Bancel – ohne auf die Ursachen der jüngsten Aufregung näher einzugehen.

Doch wenige Tage nach der Ernüchterung an den Börsen wurde bekannt, dass einige vom kurzen Moderna-Hype profitieren konnten. So hatte Bancel den Kurssprung benutzt, um Optionen auf die Aktien abzustoßen – gerade rechtzeitig, um große Gewinne zu realisieren. Auch Zaks griff an jenem Montag, als Moderna-Titel im Zenit standen, auf Optionen im Wert von 1,5 Millionen Dollar zurück und machte einen Gewinn von 8,2 Millionen Dollar, heißt es auf »CBS MoneyWatch«.

Auch die Firma benutzte den kurzen Höhenflug des Titels und verkaufte zu 76 Dollar pro Aktie. Damit seien mehr als 1,3 Milliarden Dollar in die Kasse von Moderna geflossen, werden Investmentbanker von Morgan Stanley zitiert. Das neue Geld soll in die Impfstoff-Forschung investiert werden.

SICHERHEIT Den Verdacht, es habe sich um Insidergeschäfte gehandelt, lassen weder Moderna noch Finanzexperten gelten. Die Verkäufe wurden demnach über einen Aktienplan abgewickelt, der mindestens 30 Tage vor der Transaktion festgelegt werden muss.

Zaks’ Optimismus war verfrüht – und auf absehbare Zeit nicht sonderlich realistisch, meinen Pharmaexperten. Selbst wenn künftige Resultate positiv ausfallen sollten, wäre Moderna erst im Laufe des nächsten Jahres in der Lage, eine Milliarde Dosen des Impfstoffs herzustellen.

Ein Biotech-Experte mahnt, Impfstoff-Versprechungen derzeit nicht allzu ernst zu nehmen. »Wir sind noch weit davon entfernt, Informationen über die Effizienz und die Sicherheit des Impfstoffs zu kennen, wenn ihn Hunderttausende Menschen erhalten«, sagt ein erfahrener Pharma-Manager, der in Jerusalem studiert hat. Es gebe viele Virusarten, bei denen die Suche nach einem Impfstoff bis heute ergebnislos verlaufen sei.

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

von Ulf Poschardt  29.06.2025