Zürich

»Unschätzbarer Wert«: Jüdische Schriftensammlung wird restauriert

(Symbolbild) Foto: picture alliance/dpa

In Zürich liegt ein Schatz: die »Breslauer Schriften«. Die Sammlung enthält 6000 bis 7000 Bücher des früheren Jüdisch-Theologischen Seminars in Breslau (Wroclaw), das die Nazis größtenteils zerstört haben.

Zu den Beständen gehören Tora- und Talmudliteratur sowie Werke der klassischen Literatur, Philosophie, Astronomie, Mathematik und christliche Schriften. Zu finden seien Exemplare aus dem 16. und 17. Jahrhundert, betont der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Jonathan Kreutner im Gespräch mit dieser Zeitung.

»Es ist ein wichtiger Teil des deutschsprachigen Judentums und von unschätzbarem Wert«, erklärt Kreutner. »Von den Schriften haben nur wenige den Raubzug der Nazis überlebt.« Weitere befänden sich etwa in Israel, Mexiko und den USA. »Aber der Schweizer Bestand ist zusammenhängend.« Er lagert in der Bibliothek der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, wohin er nach der Schoa gelangt ist.

Es waren einmal 40.000 Bücher

Ursprünglich umfasste die Breslauer Bibliothek nach Angaben des SIG bis 1937 rund 40.000 zumeist hebräische Bände. »Die Sammlung ist sowohl ein lebendiger Beweis für die blühende jüdische Kultur, die vor dem Zweiten Weltkrieg im deutschsprachigen Raum existierte, als auch ein Zeugnis der deutsch-jüdischen Assimilation in die allgemeine deutsche Kultur«, hatte der SIG bereits Ende Juni betont.

Lesen Sie auch

1938 schlossen die Nazis das Breslauer Seminar. Es war seinerzeit eine wichtige Lehranstalt, an der auch Rabbiner Leo Baeck studierte. Der NS-Vernichtung fiel die Mehrheit der Bücher zum Opfer. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollten die Alliierten jüdisches Kulturgut - soweit wie möglich - zusammentragen und erhalten. Teilweise konnten laut SIG keine Nachfolger oder Erben ausfindig gemacht werden.

Die Verwaltung und Verteilung dieses Kulturguts habe die Commission on European Jewish Cultural Reconstruction übernommen - dazu hätten auch die übrig gebliebenen Bücher aus der Bibliothek des Breslauer Seminars gehört. In der Schweiz sind sie den Angaben zufolge ein Kulturerbe von nationaler Bedeutung.

Fünf bis sechs Millionen Franken

Fünf bis sechs Millionen Schweizer Franken, umgerechnet rund 5,4 bis 6,5 Millionen Euro, wird das Vorhaben Kreutner zufolge kosten. Es werden sich vermutlich der Kanton Zürich und die Stadt beteiligen, der Rest müsse noch aufgebracht werden. Kreutner blickt auch über die Schweizer Grenze hinaus, denn immerhin handele es sich um ein Erbe des deutschsprachigen Judentums. Er rechnet damit, dass es bis zu zehn Jahre dauern könnte, bis alle Schriften restauriert sind. Die Bestände sollen dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Der SIG und die Zürcher Gemeinde hatten erklärt, die Breslauer Bestände in eine Stiftung zu überführen. Die Schriften sollen in der Bibliothek der Gemeinde bleiben und mit der geplanten Digitalisierung mit Einzelbeständen an anderen Orten virtuell zusammengeführt werden. Die Schweizer Sammlung steht den Angaben zufolge »für die versuchte Zerstörung des europäischen Judentums wie auch für den erfolgreichen Wiederaufbau der jüdischen Kultur in Europa«.

Glosse

Der Rest der Welt

Warum Franz Kafka Challe mit Zimt hätte essen sollen

von Katrin Richter  09.09.2025

Aktivismus

Wie politisch ist Mode?

Protest-Accessoire, Fashion Item und nationales Symbol: die Kufiya und ihre Geschichte

von Ralf Balke  09.09.2025

Kino

1800 Schauspieler und Filmemacher rufen zum Israel-Boykott auf

Die Unterzeichner werfen Israel Völkermord und Apartheid vor

von Sophie Albers Ben Chamo  09.09.2025

Porträt

Stiller Beobachter

Zurückhaltung ist das Markenzeichen des US-Regisseurs Frederick Wiseman

von Daniel Urban, Katharina Cichosch  09.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  09.09.2025 Aktualisiert

Berlin

Der Plan der Populisten

Peter R. Neumann und Richard C. Schneider stellen ihr neues Buch über das schleichende Sterben der Demokratie vor

von Detlef David Kauschke  09.09.2025

Berlin

Ausstellung über Hamas-Angriff auf israelisches Nova-Festival

Nach Stationen in Israel, den USA, Argentinien und Kanada kommt die Schau in die deutsche Hauptstadt

 08.09.2025

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  08.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  08.09.2025