Im Streit um den millionenschweren »Welfenschatz« haben die Nachfahren deutsch-jüdischer Kunsthändler in den USA vor Gericht einen ersten Teilsieg errungen. Eine im Februar 2015 eingereichte Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Herausgabe des Welfenschatzes wurde von dem US-Gericht in Washington D.C. Ende vergangener Woche in erster Instanz in Teilen zugelassen, teilte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) Berlin mit.
Die Stiftung hatte zuvor beantragt, die Klage abzuweisen. Das Gericht habe zwar dem Antrag in einigen Punkten stattgegeben, die Klage aber in anderen Punkten für zulässig erklärt, hieß es. Die 44 Exponate befinden sich im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und sind im Berliner Kunstgewerbemuseum ausgestellt.
zwangsverkauf Der New Yorker Rechtsanwalt Mel Urbach vertritt die Erben vor Gericht. In einer ersten Stellungnahme wertete er die Entscheidung des US-Gerichts als positiv. »Die Einschätzung des Gerichts ist sehr erfreulich. Der erzwungene Verkauf des Welfenschatzes an Hermann Görings Vertreter für eine unzureichende Summe darf juristisch nicht den Schutz der Immunität genießen«, erklärte Urbach. »Die Fakten zeigen ohne Zweifel, dass der ›Verkauf‹ im Jahr 1935 nichts anderes als eine Schande war, die zeigt, wie die Institutionen des NS-Regimes unsere Klienten unterdrückt haben.«
Ganz anders die Reaktion der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ihrer Ansicht nach gehört der Fall nicht vor ein US-amerikanisches Gericht. »Wir werden uns die Entscheidung genau ansehen und die weiteren Schritte prüfen«, kündigte SPK-Präsident Hermann Parzinger am Samstag an. Nachdem die historischen Fakten und der Hintergrund zum Welfenschatz-Verkauf gründlich erforscht worden seien, sei die Stiftung der Ansicht, dass die Klage auch in der Sache unbegründet sei, da der Verkauf 1935 kein NS-verfolgungsbedingter Zwangsverkauf war.
Die Kläger argumentieren dagegen, der Schatz sei 1935 nicht freiwillig, sondern durchaus auf massiven Druck der Nationalsozialisten und zudem unter Wert verkauft worden. Sie taxieren den Wert der 44 Exponate heute auf 220 bis 260 Millionen Euro. Der Wert des gesamten Welfenschatzes wird auf dem Kunstmarkt auf knapp 400 Millionen Euro beziffert.
geschichte Der Fall wurde bereits vor der deutschen »Beratenden Kommission« zu NS-Raubkunst unter Vorsitz der 2016 gestorbenen früheren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, Jutta Limbach, verhandelt. Die Kommission kam 2014 ebenfalls zu dem Schluss, dass es sich bei den Exponaten nicht um NS-Raubkunst handele und der Verkauf nicht unter Zwang erfolgt sei. Die Kommission empfahl deshalb, die Stücke im Besitz der Stiftung zu belassen. Die Nachfahren wollten zunächst der Empfehlung folgen, reichten aber dann doch Klage ein.
Der sogenannte Welfenschatz umfasste als Kirchenschatz der Stiftskirche St. Blasius in Braunschweig einst rund 140 mittelalterliche Goldschmiedearbeiten und andere kunsthandwerkliche Stücke aus dem 11. bis 15. Jahrhundert. Seit dem 17. Jahrhundert gehörte er dem Welfenhaus.
Im Jahr 1929 übernahm ein Konsortium um die jüdischen Kunsthändler Max Hackenbroch, Isaac Rosenbaum, Saemy Rosenberg sowie Julius Falk und Arthur Goldschmidt 82 Exponate. Nach und nach wurden 40 davon an verschiedene Museen und Privatleute verkauft, vor allem in den USA. Die verbliebenen 42 Teile übernahm im Jahr 1935 der Preußische Staat, später kamen noch zwei weitere hinzu. epd/ppe