Museum

Stühle für Frankfurt

Das Jüdische Museum vor der Wiedereröffnung

von Anton Jakob Weinberger  06.02.2020 14:51 Uhr

Jüdisches Museum Frankfurt Foto: dpa

Das Jüdische Museum vor der Wiedereröffnung

von Anton Jakob Weinberger  06.02.2020 14:51 Uhr

Wie sieht ein »Museum ohne Mauern« aus, ein jüdisches zumal? Womöglich wie jenes künstlerische Arrangement aus sieben Stühlen, die meisten aus Holz, die vergangene Woche in einer wirbeligen Choreographie in einer ehemaligen Frankfurter Autowerkstatt plaziert waren: in Grün, Rot, Weiß und Blau. Mal mit einem orangefarbenen Stoffknäuel drapiert, mal schlicht einfarbig.

Für Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, ist das Stühle-Ensemble ein programmatisches Zeichen: »Wir wollen ein jüdisches Museum ohne Mauern sein.« Um das zu demonstrieren, sollen in einer »Pop-up-Aktion« im Frühsommer Stühle an verschiedenen Orten der Stadt plaziert werden.

Aufruf Dann ist ein jeder eingeladen, sich seinen Platz zu suchen, sich hinzusetzen und den Stuhl auf eigene Weise zu nutzen – Zeichen einer offenen, vielfältigen, zum Gespräch fähigen Gesellschaft. Vom 17. Februar an sind die Bürger aufgerufen, dem Museum für diese Aktion Stühle zu spenden.

Das Ausschwirren ins Stadtgebiet ist für die Museumsdirektorin keine Notlösung.

Sicher ist: Zu dem Stühle-Ensemble wird auch ein Stuhl aus dem Haus des Frankfurter Mädchens Anne Frank gehören.

Das Ausschwirren ins Stadtgebiet ist für die Museumsdirektorin keine Notlösung, vielmehr ein Bekenntnis des Jüdischen Museums Frankfurt, ein kreativer Partner in der Stadtgesellschaft zu sein. Seit 2015 ist das Museum in der Stadt fast nur ambulant unterwegs.

Das Haupthaus, das Rothschild-Palais – unweit des Mainufers gelegen –, wird seit 2015 saniert, ein zeitgenössischer Erweiterungsbau hinzugefügt, zusammen ein mittlerweile 53 Millionen Euro teures Vorhaben.

Ruhepol in der Umbruchszeit ist die Dependance Museum Judengasse, die Frankfurts jüdisches Leben im Mittelalter und der frühen Neuzeit am historischen Ort und mit authentischen Zeugnissen dokumentiert.

Termin Das Jahr 2020 soll das Jahr der Wiedereröffnung des Jüdischen Museums Frankfurt werden. Zweimal schon wurde der Eröffnungstermin verschoben. Der Sanierungsbedarf des Rothschild-Palais erwies sich als aufwendiger denn zunächst angenommen. Nun will Museumsdirektorin Wenzel das Haupthaus »in der zweiten Oktoberhälfte 2020« eröffnen.

Mirjam Wenzel und ihr Team wollen die Besucher die Besucher im »Heute abholen«.

Obschon die Direktorin eine städtische Institution leitet, deren Auftrag es ist, jüdische Kultur aus der Vergangenheit ins gegenwärtige Bewusstsein zu heben und zu bewahren, wollen Wenzel und ihr Team, insgesamt 35 Fachleute, die Besucher im »Heute abholen«, wie es im Jargon der Museumsmacher heißt.

Zwei Präsentationen bilden die Achse des Eröffnungsprogramms. Unter dem Titel »Zwischenzeiten« findet am 15. und 16. März eine Tagung zur jüdischen Diaspora in Europa statt, an der namhafte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland teilnehmen werden.

Ausstellung Im Herbst will das Museum die Ausstellung Die weibliche Seite Gottes präsentieren, somit die Sicht von Juden, Christen und Muslimen auf diesen Aspekt des Gottesbildes vor Augen führen.

Akzente, die sich in dieses Programm einfügen, setzt die Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums Frankfurt, geleitet vom ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schoeler.

Der Historiker Saul Friedländer erhält am 29. März den »Ludwig Landmann-Preis für Mut und Haltung«.

Am 29. März wird der Förderkreis erstmals den mit 10 000 Euro dotierten »Ludwig Landmann-Preis für Mut und Haltung« verleihen, und zwar an den Historiker Saul Friedländer, ein Wegbereiter der Forschung über die Schoa. Die Laudatio hält der frühere Bundesaußenminister Joseph Fischer.

Spenden Am 7. Mai folgt ein Kammermusikabend mit ehemaligen und derzeitigen Mitgliedern des West-Eastern Divan Orchester. Überdies hat der Förderkreis in den vergangenen vier Jahren etwa sechs Millionen Euro an Spenden eingeworben, und zwar Spenden in Höhe von zehn Euro und bis zu einer Million Euro.

Zudem haben das Land Hessen und die Stadt Frankfurt ihre Förderung für das Jüdische Museum erhöht: Das Land stockte den Zuschuss von jährlich vier auf sechs Millionen Euro auf. Die Stadt Frankfurt erhöhte den Jahreszuschuss um 100 000 Euro auf insgesamt eine halbe Million Euro.

Meinung

Antisemitische Verschwörungen, Holocaust-Relativierung, Täter-Opfer-Umkehr: Der Fall Samir

Der Schweizer Regisseur möchte öffentlich über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024

Essay

Was der Satz »Nächstes Jahr in Jerusalem« bedeutet

Eine Erklärung von Alfred Bodenheimer

von Alfred Bodenheimer  22.04.2024

Sehen!

Moses als Netflix-Hit

Das »ins­pirierende« Dokudrama ist so übertrieben, dass es unabsichtlich lustig wird

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  21.04.2024

TV

Bärbel Schäfer moderiert neuen »Notruf«

Die Autorin hofft, dass die Sendung auch den »echten Helden ein wenig Respekt« verschaffen kann

von Jonas-Erik Schmidt  21.04.2024

KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Die Zeitung »Welt« hat gefragt, wie man Jugendliche an die Thematik heranführen sollte

 21.04.2024

Memoir

Überlebenskampf und Neuanfang

Von Berlin über Sibirien, Teheran und Tel Aviv nach England: Der Journalist Daniel Finkelstein erzählt die Geschichte seiner Familie

von Alexander Kluy  21.04.2024

Glosse

Der Rest der Welt

Nur nicht selbst beteiligen oder Tipps für den Mietwagen in Israel

von Ayala Goldmann  20.04.2024

Frankfurt am Main

Bildungsstätte Anne Frank zeigt Chancen und Risiken von KI

Mit einem neuen Sammelband will sich die Institution gegen Diskriminierung im digitalen Raum stellen

von Greta Hüllmann  19.04.2024