Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Machte das Storytelling zu seinem Beruf: der Schriftsteller Noah Gordon (1926–2021) Foto: imago/Marius Schwarz

Gütige Herzenswärme contra eiskalte Eigensucht: Das ist die Lebensmaxime des Rob Cole, Hauptfigur des 1986 herausgekommenen Weltbestsellers »Der Medicus« von US-Autor Noah Gordon (1926 – 2021). Allein in Deutschland wurde der Roman mehr als sechs Millionen Mal verkauft. 

Auch die 2013 uraufgeführte Verfilmung von Regie-Star Philipp Stölzl (»Ich war noch niemals in New York«, »Schachnovelle«) war mit mehr als dreieinhalb Millionen Besuchern hierzulande ein enormer Publikumshit. Zwölf Jahre später kommt nun die lang angekündigte, von vielen Fans ersehnte Fortsetzung.

Die Erwartungen an Spannung und Gefühl werden nicht enttäuscht. »Der Medicus 2« ist großes Kino Made in Germany.

Zur Erinnerung: Der erste »Medicus« erzählt die Geschichte des Waisenjungen Rob Cole, der dem fahrenden Bader Henry Croft begegnet und bei ihm in die Lehre geht. Dabei lernt Rob die grundlegenden Prinzipien der Heilkunst kennen und entwickelt den Wunsch, bei einem berühmten Arzt im Orient zu lernen. Nach Crofts Tod macht er sich auf eine abenteuerliche Reise dorthin.

Im zweiten Teil kehrt Rob Cole nach seiner Flucht aus Isfahan in seine Heimat London zurück. Dort möchte er erneut als Heiler wirken und sein Wissen zum Wohl der Menschen einsetzen. Dabei stößt er jedoch auf Widerstand und Intrigen aus den oberen Gesellschaftsschichten. Tom Payne wieder in Hauptrolle zu sehen

Der Engländer Tom Payne spielt wieder den Arzt Rob Cole

Wieder ist der in seiner Heimat vor allem durchs Fernsehen populäre Engländer Tom Payne im Part des Rob Cole zu sehen. Sein Charme resultiert insbesondere aus einer effektvollen Melange von Gefühl und Geisteskraft. Diesem Mann drückt wohl jeder im Kino gern die Daumen. Sein von keinerlei Profitstreben geleiteter Kampf für Vernunft im Allgemeinen und Hilfe für alle Notleidenden im Speziellen holt die abenteuerliche Geschichte mühelos ins Hier und Heute.

Dank der Zeitlosigkeit des Hauptcharakters und der effektsicheren Inszenierung geht die im 11. Jahrhundert spielende Geschichte nicht in oberflächlicher Effekthascherei und sentimentaler Historienromantik unter. Verfolgt werden die Versuche von Rob und einigen seiner Anhänger nach ihrer Flucht aus Isfahan.

Mit ihren dort erworbenen Fähigkeiten wollen sie nun den Kranken in London helfen, seien es Tagelöhner oder Mitglieder des Herrscherhauses. Doch vor allem von Königin Mercia (wunderbar fies: Emily Cox) aus wahnsinniger Sucht nach Macht und Geld angezettelte Intrigen bringen Rob und die anderen immer wieder in höchste Gefahr. Lange ist nicht klar, ob ein Sieg des Guten möglich ist.

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Regisseur Philipp Stölzl und seine vier Drehbuch-Mitautoren haben sich kräftig von Noah Gordon anregen lassen. Aber sie haben sich in erfrischender künstlerischer Freiheit nicht sklavisch an sein Werk, wie beispielsweise seine »Medicus«-Fortsetzung »Der Schamane«, gehalten. Von Figuren und Ausgangskonstellationen des Schriftstellers inspiriert, haben sie einen ganz eigenen Film geschaffen. 

Der punktet insbesondere mit einem starken Plädoyer für schlichte Menschlichkeit. Dabei werden wirkungsvoll heute gängige Standards der Medizin, etwa die Beachtung des Zusammenklangs von Körper und Seele, reflektiert.

Action und Abenteuer, Humor und Nachdenklichkeit sind geschickt miteinander ausbalanciert. Ein wenig neckisch wird es, wenn Rob gelegentlich wie ein Schüler von Sigmund Freud (1856 – 1939), dem Vater der Psychoanalyse, agiert. Der revolutionierte die Wissenschaft der Psychologie schließlich erst etwa achthundert Jahre später. 

Opulente Ausstattung, hohes Budget

Das Vergnügen an der märchenhaften Saga wird dadurch jedoch keinesfalls geschmälert. Und dieses Vergnügen ist dank guten Schauspiels selbst in kleinsten Rollen und opulenter Ausstattung durchgehend groß. Angeblich hat der Film die für deutsche Verhältnisse sehr hohe Summe von etwa 20 Millionen Euro gekostet. Das macht sich für die Zuschauer bezahlt. Die Schaueffekte sind durchgehend eins a.

Durchgehend ist zu spüren, dass Regisseur Philipp Stölzl nicht allein ein Mann des Kinos, sondern auch des Schauspieltheaters, der Oper und des Musicals ist. Mit einer für das deutsche Kino ungewöhnlichen Intensität versteht er es, alle Sinne anzusprechen. Geschickt verbindet er feine Charakterstudien mit üppigen Ausstattungsorgien, ohne dass dabei der Blick auf das Eigentliche, das Ringen einzelner Persönlichkeiten für eine menschliche Welt, verloren geht. 

Das ist nicht in jedem Moment feinsinnig, insgesamt jedoch überaus eindringlich. Bildgestaltung, Musik und Dialoge erreichen bei Stölzl eine wirkungsvolle, mitreißende Einheit.

Besonders beachtlich ist, wie bei aller Lust an Spannung und Vergnügen unaufdringlich über den Einfluss von Politik und Religion auf das Leben ganz durchschnittlicher Leute sinniert wird. Dadurch hat die Geschichte vom Kampf eines aufrechten Menschenfreundes um die Würde jedes Einzelnen eine zeitlose Gültigkeit. 

Nicht wenige im Kinosaal dürften sich wünschen, dass Persönlichkeiten vom Schlag eines Rob Cole in der zu oft von Hass geprägten Welt unserer Tage politisches Gewicht hätten.

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