Kriminalität

»Schwarze Schafe«

Die Publizistin Gisela Dachs lebt in Tel Aviv. Foto: Hebrew University of Jerusalem

Frau Dachs, »Sex & Crime« klingt als Schwerpunkt für einen Jüdischen Almanach ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Wahl?
In der Tat haben wir anfangs ein wenig gezögert, ob das Thema nicht doch zu heikel ist. Schließlich gibt es die antisemitischen Klischees vom kriminellen Juden im Allgemeinen wie auch die des jüdischen Sexualverbrechers im Besonderen. Dagegen steht die historische Tatsache, dass Juden in der Diaspora eine geringere Kriminalitätsrate aufweisen als die Durchschnittsbevölkerung.

Wie ist dieser Umstand zu erklären?
Oft werden die engeren Familienbindungen, der höhere Bildungsgrad oder der geringe Alkoholkonsum genannt. Doch es gab immer schon schwarze Schafe.

Was war Ihnen bei dem Almanach wichtig?
Vor allem die Bandbreite der Aspekte herauszuarbeiten. Da sind die Diskussionen um das angemessene Strafmaß für ein Vergehen, die seit mehr als 3000 Jahren die Gelehrten beschäftigen. Ebenso die Frage, der Alfred Bodenheimer nachgeht, wieso ausgerechnet Rabbiner sich wunderbar als Ermittlerfiguren eignen. Und Dror Mishani erklärt, warum das Genre des Kriminalromans in Israel reichlich unterentwickelt ist.

Wie reagierte man in der Diaspora auf jüdische Verbrecher?
Oftmals mit der Angst, dass ihre Taten den Antisemiten zusätzliche Munition liefern könnten. Die Reaktionen auf den jüdischen Finanzbetrüger Bernard Madoff oder den sexuell übergriffigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein sind aktuelle Beispiele für genau solche Befürchtungen.

Konnten jüdische Ganoven auch Identifikationsfiguren sein?
Zu den Glanzzeiten der »Kosher Nostra«, also in den 20er- und 30er-Jahren, gab es einige prominente Figuren wie Meyer Lansky. Auf der einen Seite waren sie Mafiosi und knallharte Verbrecher, auf der anderen Seite auch wiederum die »Tough Jews«, die das antisemitische Klischee vom feigen Juden widerlegten und deren Schutz man manchmal sogar suchte. Vor allem dann, wenn es gegen Nazis ging.

Mit der Herausgeberin des Sammelbandes »Sex & Crime« sprach Ralf Balke.

Porträt

Geschichte zurückgeben

Floriane Azoulay ist Direktorin der Arolsen Archives – sie hilft Schoa-Überlebenden und deren Nachkommen, Familienschicksale zu erforschen

von Anja Bochtler  21.03.2023

Jubiläum

»Wir haben uns der Diversität verschrieben«

Sonja Lahnstein-Kandel über 50 Jahre Universität Haifa, den Deutschen Fördererkreis und Chancengleichheit

von Lilly Wolter  21.03.2023

Musik

Das letzte Einhorn?

Popstar Noa Kirel tritt mit »Unicorn« für Israel beim Eurovision Song Contest an

von Sophie Albers Ben Chamo  21.03.2023

USA

»National Medal of Arts« für Julia Louis-Dreyfus

Präsident Joe Biden will die Schauspielerin und Comedienne auszeichnen

 21.03.2023

Debatte

Metropoltheater setzt umstrittenes Stück »Vögel« endgültig ab

Nach einer aufgeheizten Debatte mit Antisemitismusvorwürfen sollte das Drama eigentlich am 26. März in München wieder aufgenommen werden

 19.03.2023

Film

»Ich erreiche Frauen überall«

Die schweizerisch-israelische Schauspielerin Naomi Krauss verkörpert die Hauptrolle in »Faraway« – die Netflix-Komödie landete weltweit auf Platz zwei

von Ayala Goldmann  19.03.2023

Schauspiel

Münchnerin mit vielen Identitäten

Ein Podcast über Therese Giehse lässt auch Aktivistinnen der queer-jüdischen Szene zu Wort kommen

von Katrin Diehl  19.03.2023

Journalismus

Zerfall eines Helden

Eine neue Biografie zeigt die Widersprüche des »rasenden Reporters« Egon Erwin Kisch auf

von Gernot Wolfram  19.03.2023

Lesen!

»Der Transitmann«

Dmitrij Belkin hat ein aufschlussreiches Buch über den bedeutenden Germanisten, Schriftsteller und Humanisten Lew Kopelew geschrieben

von Katrin Richter  19.03.2023