Amsterdam

»Schwankendes Kartenhaus«

Mirjam de Gorter, Enkelin des im Buch am Verrat beschuldigten Notars Foto: IMAGO/ANP

Amsterdam

»Schwankendes Kartenhaus«

Nach scharfer Kritik von Historikern hat der niederländische Verlag das Buch über den Verrat an Anne Frank zurückgezogen

 23.03.2022 16:21 Uhr

Nach vernichtender Kritik von Historikern hat der niederländische Verlag Ambo Anthos das Buch über den Verrat an Anne Frank aus dem Handel genommen. Das teilte der Verlag am Mittwoch in Amsterdam mit. In dem umstrittenen Buch wird ein jüdischer Notar als Verräter des Verstecks des jüdischen Mädchens genannt.

Am Vorabend hatten Historiker eine 69 Seiten starke kritische Analyse zu dem Buch präsentiert, in der sie die Verratsthese in Sullivans Buch als Kartenhaus bezeichnete. Das Verfasserteam hinter der These sei bei seinen Ermittlungen nach dem Muster verfahren, jeweils eine Schlussfolgerung zu ziehen, diese als wahr zu betrachten und dann zur Grundlage der nächsten Schlussfolgerung zu machen. »Das macht das ganze Buch zu einem schwankenden Kartenhaus, denn wenn sich ein einzelner Schritt als falsch erweist, fallen auch die darüber liegenden Karten in sich zusammen«, schrieben sie.

UNRECHT Die Enkelin des beschuldigten Notars rief nun auch den US-Verleger HarperCollins auf, das Buch weltweit aus dem Handel zu nehmen. »Mit diesem Werk beutet ihr die Geschichte von Anne Frank aus und tragt zu einem großen Unrecht bei«, sagte Mirjam de Gorter dem niederländischen Radio.

Sofort nach Erscheinen des Buches gab es heftige Kritik von namhaften Historikern.

Anne Frank lebte zwei Jahre lang gemeinsam mit ihrer Familie und vier anderen Juden in einem Hinterhaus in Amsterdam im Versteck vor den deutschen Nationalsozialisten. Dort schrieb Anne (1929-1945) ihr heute weltberühmtes Tagebuch. 1944 wurde das Versteck verraten und die Bewohner wurden in Konzentrationslager deportiert. Nur Annes Vater Otto überlebte.

Ein sogenanntes Coldcase-Team von internationalen Untersuchern unter Leitung eines ehemaligen FBI-Agenten hatte untersucht, wer das Versteck verraten hatte, und seinen Bericht im Januar präsentiert. Der jüdische Notar sollte der Verräter sein, um sich und seine Familie zu retten.

Sofort nach Erscheinen aber gab es heftige Kritik von namhaften Historikern. Sie legten nun eine Gegen-Studie vor. Das Buch sei stümperhaft, beruhe auf falschen Annahmen, Quellen seien falsch genutzt worden. Auf dieser Grundlage rief der Amsterdamer Verlag nun alle Buchhändler auf, ihre Vorräte zurück zu schicken. Er entschuldigte sich »bei all denjenigen, die durch den Inhalt des Buches verletzt wurden.« Das Coldcase-Team hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Sie hätten nur eine Theorie dargestellt, die allerdings sehr wahrscheinlich sei. ap/dpa

Kulturkolumne

Was bleibt von uns?

Lernen von John Oglander

von Sophie Albers Ben Chamo  25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Hollywood

Scarlett Johansson macht bei »Exorzist«-Verfilmung mit

Sie mimte die Marvel-Heldin »Black Widow« und nahm es in »Jurassic World: Die Wiedergeburt« mit Dinos auf. Nun lässt sich Scarlett Johansson auf den vielleicht düstersten Filmstoff ihrer Laufbahn ein

 25.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  24.11.2025

Nachruf

Das unvergessliche Gesicht des Udo Kier

Er ritt im Weltall auf einem T-Rex, spielte für Warhol Dracula und prägte mit einem einzigen Blick ganze Filme. Udo Kier, Meister der Nebenrolle und Arthouse-Legende, ist tot. In seinem letzten Film, dem Thriller »The Secret Agent«, verkörpert er einen deutschen Juden

von Christina Tscharnke, Lisa Forster  24.11.2025

TV-Kritik

Viel Krawall und wenig Erkenntnis: Jan Fleischhauer moderiert im ZDF den Kurzzeitknast der Meinungen

Mit »Keine Talkshow - Eingesperrt mit Jan Fleischhauer« setzt das ZDF auf Clash-TV: ein klaustrophobisches Studio, schnelle Schnitte, Big-Brother-Momente und kontroverse Gäste - viel Krawall, wenig Erkenntnis

von Steffen Grimberg  24.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Nürnberg

»Tribunal 45«: Ein interaktives Spiel über die Nürnberger Prozesse

Darf man die Nürnberger Prozesse als Computerspiel aufarbeiten? Dieses Spiel lässt User in die Rolle der französischen Juristin Aline Chalufour schlüpfen und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte

von Steffen Grimberg  24.11.2025