Medizin

Schützt ausreichend Vitamin D vor Corona?

Vitamin D wird häufig als »Sonnenvitamin« bezeichnet. Foto: Getty Images/iStockphoto

Medizin

Schützt ausreichend Vitamin D vor Corona?

Eine neue Studie aus Israel liefert Antworten

von Michael Thaidigsmann  19.02.2022 20:58 Uhr

Welche Rolle spielt das »Sonnenvitamin« im Kampf gegen Corona? Seit Beginn der Pandemie versuchen Wissenschaftler, die Bedeutung von Faktoren wie dem Vitamin-D-Spiegel im Blut für den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung zu erforschen. Einige Studien haben bereits Anzeichen dafür ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und einem höheren Ansteckungsrisiko mit dem SARS-CoV-2-Virus bestehen könnte. Es gibt jedoch auch konträre Ergebnisse. Von einem »wissenschaftlichen Konsens« konnte bislang nicht die Rede sein.

Zudem war unklar, ob ein Vitamin-D-Mangel tatsächlich der entscheidende Auslöser für einen schwereren Verlauf von COVID-19 ist. Bestehende Vorerkrankungen, die zur Absenkung des Vitamin-D-Spiegels im Blut beitragen, wurden als eigentlicher Grund dafür in Betracht gezogen. Auch genetische Faktoren und Ernährungsgewohnheiten galten als mögliche Erklärung für schwere Krankheitsverläufe.

ZUSAMMENHANG Eine unlängst veröffentlichte israelische Studie sieht nun einen Zusammenhang zwischen schweren COVID-19-Verläufen und Vitamin-D-Mangel. Wissenschaftler der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan und des Galilee Medical Center (GMC) in Nahariya haben die medizinischen Daten von 1176 stationär aufgenommenen Patienten ausgewertet, bei denen der Vitamin-D-Spiegel schon vor ihrer Einlieferung bekannt war.

Die Schlussfolgerung der Forscher ist eindeutig: »Bei hospitalisierten COVID-19-Patienten war ein Vitamin-D-Mangel vor der Infektion mit einem erschwerten Verlauf der Krankheit und einer höheren Sterblichkeit verbunden.« Rund die Hälfte der Patienten mit schweren Verläufen habe an Vitamin-D-Mangel gelitten. Das Risiko, an COVID-19 zu sterben, war in der Gruppe der Personen mit zu niedrigem Vitamin-D-Spiegel sogar zwölf Mal so hoch als in der Vergleichsgruppe.

Forscher warnen: Ausgiebiges Sonnenbaden ersetzt nicht die Schutzimpfung.

Die Studie basiert auf Daten von Erwachsenen, die an COVID-19 erkrankt und zwischen April 2020 und Februar 2021 im GMC in Behandlung waren. Die in den elektronischen Krankenakten der Patienten enthaltenen Vitamin-D-Werte und die Anwendung eines neuartigen Modells zur Vorhersage der jährlichen und monatlichen Werte von 25-Hydroxyvita­min-D, kurz 25(OH)D, hätten es ermöglicht, »statistisch signifikante und konsistente Ergebnisse eines Zusammenhangs zwischen niedrigeren 25(OH)D-Werten und einer höheren COVID-19-Krankheitsschwere nachzuweisen«, heißt es in der Veröffentlichung der Studie in der Fachzeitschrift »PLOS ONE«.

SCHUTZ Studienleiter Amiel Dror erklärte, die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass es ratsam sei, zum Schutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus auch einen ausreichenden Vitamin-D-Spiegel anzustreben. »Das kommt denjenigen zugute, die sich mit dem Virus infizieren«, sagte Dror.

Allerdings fand die Studie in puncto Sterblichkeit und Krankheitsverlauf keine signifikanten Abweichungen, was die verschiedenen ethnischen Gruppen in Israel betrifft. Und das, obwohl knapp zwei Drittel der arabischen Bevölkerung des Landes einen Vitamin-D-Spiegel von weniger als 20 Nanogramm pro Milliliter Blut aufweisen – also jenem Wert, bei dem die Medizin von Vitamin-D-Mangel spricht. Unter den jüdischen Einwohnern des Landes hat hingegen nur ein Drittel mit diesem Problem zu kämpfen.

Tatsächlich sind arabische Israelis auch häufiger von schweren Corona-Krankheitsverläufen betroffen als alle anderen. Dennoch lasse sich das nicht mit dem Faktor Vitamin D erklären, betonen die Wissenschaftler auf Grundlage ihrer Daten. »Insgesamt zeigen unsere Daten trotz der signifikanten Neigung zu Vitamin-D-Mangel unter israelischen Arabern keinen Einfluss der ethnischen Zugehörigkeit auf den Schweregrad der Erkrankung und die Sterblichkeit«, schreiben sie.

ALTERNATIVEN Die Forscher warnen zudem ausdrücklich vor dem Irrglauben, die Zufuhr von Vitamin D – zum Beispiel durch ausgiebiges Sonnenbaden, den Verzehr von vitaminhaltigen Lebensmitteln wie fettigem Fisch oder Eiern oder die Einnahme von Vitaminpräparaten – sei eine Alternative zu Schutzmaßnahmen wie beispielsweise der Impfung.

Sie streben nun weitere Untersuchungen zu dem Thema an – auch, um herauszufinden, unter welchen Voraussetzungen ein ausreichend hoher Vitamin-D-Spiegel im Blut tatsächlich den Schutz vor Ansteckung und schweren Verläufen erhöht.

Endgültige Klarheit schaffen die Studienergebnisse nicht.

Doch es gibt auch skeptische Stimmen, die bezweifeln, dass Vitamin-D-Mangel wirklich ursächlich für schwere COVID-19-Verläufe ist. Sie kritisieren auch die in Israel angewandte retrospektive Studienmethode, die sich zwar auf bestehende Daten stützt, aber keine vergleichende Untersuchung zum Nutzen zusätzlicher Vitamin-D-Gaben darstellt.

zufallsprinzip Eine 2020 in Großbritannien durchgeführte Untersuchung, in die nach dem Zufallsprinzip Patientendaten aus dem ganzen Land einflossen, fand keine Anhaltspunkte, dass Vitamin D eine Rolle bezüglich der Gefahr einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus oder des COVID-19-Krankheitsverlaufs spielt.

Endgültige Klarheit schaffen die Ergebnisse der israelischen Studie daher nicht. Sie deuten aber zumindest darauf hin, dass es wohl einen Zusammenhang zwischen dem Verlauf einer COVID-19-Erkrankung und der Versorgung mit ausreichend Vitamin D gibt. Das tägliche kurze Bad in der Sonne gilt ohnehin als einfache Möglichkeit der Gesundheitsvorsorge. Der menschliche Körper nimmt nämlich rund 80 bis 90 Prozent seines Bedarfs an »Sonnenvitamin« über die Haut auf.

Leo Baeck Institut

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