Wuligers Woche

Radikale Palästinenser des Straßenverkehrs

Sie stoppen nicht, verlangsamen auch nicht die Fahrt, sondern rasen unbeirrt weiter. Foto: Getty Images / istock

Wuligers Woche

Radikale Palästinenser des Straßenverkehrs

Warum mich so einiges an den Nahostkonflikt erinnert

von Michael Wuliger  19.09.2019 09:26 Uhr

Gestern bin ich beim Überqueren der Straße fast umgefahren worden. Nicht von einem Auto. Pkws halten meist an, wenn ich den Zebrastreifen betrete. Aber dann kommt noch der Radweg. Und dessen Nutzer betrachten offenbar Fußgänger, die ihnen bei ihren rasanten Spurts dazwischenkommen, als illegitime Eindringlinge in ihrem angestammten Revier.

Sie stoppen nicht, verlangsamen auch nicht die Fahrt, sondern rasen unbeirrt weiter. Wenn man mit einem kühnen Sprung knapp der Kollision mit ihnen entgeht, folgt meist keine Entschuldigung, sondern, im Gegenteil, wüstes Geschimpfe und der ausgestreckte Mittelfinger.

Nahstkonflikt Irgendwie erinnert das an den Nahostkonflikt. Radfahrer sind meines Erachtens die radikalen Palästinenser des Straßenverkehrs. Eigentlich glauben sie, dass die ganze Straße ihnen gehören müsste. Aber die ist von Pkws okkupiert. Den Radlern hat man nur einen schmalen Streifen zugewiesen. Und selbst den respektieren die Autos nicht. Manchmal parken sie den Radweg halb zu. Deshalb fühlen sich die Radler als Opfer. Weil sie den Pkws aber hoffnungslos unterlegen sind, können sie gegen die nichts ausrichten, außer sie zu verfluchen.

Ihre Wut lassen sie stattdessen an den unbewaffneten Zivilisten des Verkehrswesens aus, den Fußgängern. Denen gegenüber haben sie Macht. Und die nutzen sie hemmungslos und ohne schlechtes Gewissen; spricht man sie auf ihr Fehlverhalten an, verweisen sie darauf, dass sie die eigentlichen Leidtragenden sind. Schuld haben die Autos. Wären die nicht, müssten Radfahrer auch keine Fußgänger drangsalieren. Zumal es sich bei denen oft eh nur um verkappte Autofahrer handelt, die gerade auf dem Weg zu ihren Blechkisten sind, um gleich unschuldige Radler zu gefährden.

UN-Resolution Natürlich gibt es die Straßenverkehrsordnung. Aber die ist auf Radwegen das, was in der Weltpolitik UN-Resolutionen sind. Keiner hält sich dran, weil die Möglichkeit, sie real durchzusetzen, gegen null geht. Außerdem, argumentieren Fahrradrowdys gerne, sollten die Behörden sich lieber erst einmal die Autos vornehmen, die viel Schlimmeres anrichten. Polizeiliche Maßnahmen bestärken Kampfradler deshalb nur in ihrer Opferhaltung. Einen Grund, ihr Verhalten zu ändern, sehen sie nicht.

Stattdessen fordern sie eine umfassende Lösung. Frieden auf den Straßen, so ihr Argument, wird nur einziehen, wenn das Kernproblem beseitigt ist: Die autofreie Stadt muss her. Sind erst einmal alle Pkws verbannt, wird auf den Straßen Sicherheit und Harmonie herrschen. Mal abgesehen davon, dass das wenig realistisch ist: Als Fußgänger fürchte ich, dass in dem Fall eher die unbegrenzte Macht der Fahrräder käme. Die einmal erlernte Militanz würden ihre Halter so leicht nicht ablegen.

E-Roller Und in der Zwischenzeit eskaliert die Lage. Die nächste Bedrohung rollt bereits an. Vorhin bin ich knapp einem Radler entgangen, nur um Sekunden später auf dem Bürgersteig fast von einem E-Roller angefahren zu werden. Weiß jemand hier, wer denen in Nahost entspricht?

Berlin

»Berlin verneigt sich«

Zwei Monate nach ihrem Tod wird die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer in Berlin gewürdigt. Der Bundespräsident mahnt vor Politikern und Weggefährten, das Erbe der Jahrhundertfrau weiterzutragen

von Alexander Riedel  09.07.2025 Aktualisiert

Zahl der Woche

4275 Personen

Fun Facts und Wissenswertes

 09.07.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Studieren in Wien, Mampfen im neunten Bezirk

von Margalit Edelstein  09.07.2025

Psychologie

Modell für die Traumaforschung

Die Hebräische Universität veranstaltet eine Konferenz zu seelischer Gesundheit in Kriegszeiten

von Sabine Brandes  09.07.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 10. Juli bis zum 18. Juli

 09.07.2025

Musikbranche

»Schmähungen allein verbrauchen sich schnell«

Marek Lieberberg gehört zu den größten Konzertveranstaltern Europas. Der 79-Jährige über den Judenhass auf internationalen Musikfestivals, die 1968er und Roger Waters

von Sophie Albers Ben Chamo  09.07.2025

Berliner Philharmonie

Gedenkfeier für Margot Friedländer am Mittwoch

Erwartet werden zu dem Gedenken langjährige Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde Friedländers sowie Preisträgerinnen und Preisträger des nach ihr benannten Preises

 08.07.2025

Berlin

Die Tänzerin ist Raubkunst

Heinrich Stahl musste die Statue während der NS-Zeit unter Zwang verkaufen. 1978 geriet sie an das Georg Kolbe Museum. Jetzt erheben Erben Vorwürfe gegen die Direktorin

von Ayala Goldmann  08.07.2025

Andrea Kiewel

»Sollen die Israelis sich abschlachten lassen?«

Die »Fernsehgarten«-Moderatorin äußert sich im »Zeit«-Magazin erneut deutlich politisch zu ihrer Wahlheimat

 08.07.2025