KZ-Gedenkstätten-Besuche

Pflicht oder Freiwilligkeit?

Schülerinnen und Schüler einer 9. Klasse stehen während eines Rundganges über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme an der Gedenkplatte des 1947 abgerissenen Krematoriums. Foto: picture alliance/dpa/ Markus Scholz

Die meisten großen KZ-Gedenkstätten lehnen Forderungen der Unionsfraktion im Bundestag nach verpflichtenden Besuchen von KZ-Gedenkstätten für alle Schülerinnen und Schüler ab. Das berichtet die »Welt« (Sonntag online) unter Berufung auf eine eigene Abfrage.

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, sagte: »Freiwilligkeit ist eine Grundvoraussetzung demokratischer und historisch-politischer Bildung.« Hinter dem Ruf nach Pflichtbesuchen stecke manchmal die Vorstellung, dass Gedenkstätten »demokratische Läuterungsanstalten« seien. Die Forderung nach Pflichtbesuchen werde häufig »reflexhaft nach antisemitischen Vorfällen für Gruppen erhoben, von denen man fälschlicherweise annimmt, sie heilen oder immunisieren zu können«.

Lesen Sie auch

Ein ehemaliges Konzentrationslager könne für junge Menschen eine emotionale Überforderung sein, die man niemandem aufzwingen sollte, sagte der für Sachsenhausen und Ravensbrück zuständige Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Axel Drecoll. »Die Erfahrung zeigt, dass Zwang häufig ablehnende Haltungen eher verstärkt.« Auch Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, setzt auf Freiwilligkeit.

In Bayern habe man gute Erfahrung mit obligatorischen Besuchen gemacht.

Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, sieht das anders. In Bayern ist der Besuch einer Gedenkstätte für Gymnasiasten und Realschüler verpflichtend. »Wir machen hier sehr gute Erfahrungen mit einem in den Lehrplänen integrierten obligatorischen Besuch von Schülerinnen und Schülern.«

Der Leiter der Gedenkstätte Neuengamme, Oliver von Wrochem, nannte die Forderung eher schwierig - »weil sie die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sich auf allen Ebenen und in allen Altersgruppen mit der NS-Herrschaft und ihren Folgen auseinanderzusetzen auf eine spezifische Gruppe verschiebt«.

Die Besuchsbedingungen sollten Lernprozesse real ermöglichen.

Die Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, Elke Gryglewski, sagte, sie befürworte, dass möglichst viele Menschen eine Gedenkstätte besuchen könnten. »Dabei wünsche ich mir, dass die Besuche unter Bedingungen stattfinden, die Lernprozesse real ermöglichen.« Zwangsbesuche seien dazu nicht geeignet.

Die »Welt« hatte Mitte April über einen Bundestagsantrag der Unionsfraktion berichtet, in dem die Bundesregierung aufgefordert werde, »gemeinsam mit den Ländern darauf hinzuwirken, dass alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland verpflichtend mit ausführlicher Vor- und Nachbereitung mindestens einmal im Laufe ihrer Schulzeit eingebettet in den Unterricht ein ehemaliges Konzentrationslager der NS-Diktatur besucht haben«. kna

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

 29.06.2025

Glastonbury

Polizei prüft Videos der Festival-Auftritte auf strafrechtliche Relevanz

Festival-Organisatoren: Parolen von Bob Vylan hätten eine Grenze überschritten

 29.06.2025

Literatur

Österreicherin Natascha Gangl gewinnt Bachmann-Preis 2025

Ihr poetischer Text »DA STA« begibt sich auf die Suche nach den versteckten Spuren eines NS-Verbrechens

 29.06.2025