Koffler spricht nicht mehr. Man hat ihn seiner Sprache und seines Lebens beraubt. Und doch ist der Komponist, 1896 im galizischen Stryj geboren, zu hören. Das Jewish Chamber Orchestra Munich (JCOM) spielt das Streichtrio op. 10 und die von Józef Koffler instrumentierten Goldberg-Variationen von Bach, und es lässt das biografisch Geschehene durch einen Text reflektieren, der sehr geradeaus die Gegenwart befragt: Wie umgehen mit der Verantwortung, die als Erbe der Täter geblieben ist?
Kofflers Schicksal: Die Goldberg-Variationen ist ein großes Ganzes. Es verschränkt Musik und Text miteinander zu einem szenischen Format. Daniel Grossmann, Gründer und Dirigent des JCOM, erzählt diese Geschichte gemeinsam mit dem Dramaturgen Martin Valdés-Stauber und der Autorin Stella Leder. Zu erleben ist das Programm, das im November schon seine Premiere an den Münchner Kammerspielen feierte, demnächst unter anderem in Düsseldorf (14. April), Budapest (21. April) und Leipzig (16. Juni).
Grossmann möchte Kofflers Biografie im Kontext seines ganzen Lebens betrachtet wissen. Und das ist zunächst ein sehr erfolgreiches. Der Sohn aus gebildetem jüdischen Hause studiert und promoviert und wird 1928, im Jahr seiner Heirat mit Rosa, am Lemberger Konservatorium Professor für atonale Komposition. Ein Avantgardist, international beachtet. Diese Karriere endet mit der Besatzung Lembergs durch die Sowjets, in deren System Kofflers Musik nicht passt.
1941 erobert die deutsche Wehrmacht die Stadt; Józef, Rosa und ihr Sohn kommen ins Ghetto von Wieliczka. Sie können fliehen, als das Ghetto aufgelöst wird, verstecken sich, werden aber 1944 von der Gestapo aufgespürt und erschossen. Vater, Mutter, Kind.
Diese Katastrophe zeichnet das JCOM nach. Das, was passiert ist, verändert alles. Auch deshalb werden die zehn Variationen von Bachs Aria immer wieder unter- und durchbrochen von einer menschlichen Stimme. Die Schauspielerin Jelena Kuljic spricht, stammelt, schweigt und schreit. Und sie singt. Der Musik gelingt, was Worte kaum vermögen. Sie überwindet die Sprachlosigkeit. Koffler spricht. Zu uns.
Weitere Informationen finden Sie unter www.jcom.de.