Leipzig

Omri Boehm: Israels Vorgehen in Gaza ist keine Selbstverteidigung

Omri Boehm Foto: picture alliance/dpa

Der mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnete deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm (»Radikaler Universalismus«) sieht Fehler auf allen Seiten im Nahost-Konflikt und hat »katastrophales Versagen« beklagt.

»Meine palästinensischen Freunde wissen, dass jeder, der das, was mein Land jetzt in Gaza tut, Selbstverteidigung nennt, meine Identität zutiefst beschämt, die jüdische und israelische«, sagte Boehm am Mittwoch in seiner mit viel Applaus bedachten Dankesrede. Zugleich nannte er es einen »moralischen Bankrott«, wenn die Hamas-Massaker vom 7. Oktober als bewaffneter Widerstand bezeichnet würden.

Boehm verwies auf seine jüdisch-palästinensischen Freundschaften. »Freundschaft war immer der Test, der uns vor einem katastrophalen Versagen der Brüderlichkeit und dem Missbrauch abstrakter Ideen über bewaffneten Widerstand und Selbstverteidigung beschützt hat.«

Schwierige Wahrheiten

Zu Positionen aus Deutschland sagte Boehm: »Was ist mit der deutsch-jüdischen Freundschaft? Da, wo sie besteht, ist sie ein wahres Wunder. Eines, das mir besonders am Herzen liegt.« Doch dieses Wunder müsse vor Entwertung geschützt werden. Es könne keine deutsch-jüdische Freundschaft existieren, »wenn sie in diesen dunklen Zeiten keinen Platz für die schwierigen Wahrheiten hat, die im Namen der jüdisch-palästinensischen Freundschaft gesagt werden müssen.«

Boehm: »Wegen der Freundschaft muss die Wahrheit nicht geopfert werden, ganz im Gegenteil. Harte Wahrheiten müssen offen ausgesprochen werden. Denn wir sollen Freunde bleiben.«

Bundesstaatliche Förderation

In den ARD-»Tagesthemen« warb Boehm erneut für seine Idee einer bundesstaatlichen Föderation auf dem Gebiet des heutigen Staates Israel und der palästinensischen Gebiete. Diese Idee könne nicht in naher Zukunft Realität werden. »Es ist ein Ideal des Friedens, das wir bewahren können.«

Bei der Zwei-Staaten-Lösung gehe es oft darum, die Rechte einer Seite niederzumachen. In einer gemeinsamen bundesstaatlichen Ordnung müsse es »eine gewisse Trennung« geben, allerdings auch eine gemeinsame Verfassung mit gleichen Rechten. »So lange die Menschen nicht gleiche Rechte bekommen, so lange wird es keinen Frieden geben.« dpa

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  10.11.2025

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  10.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Marbach am Neckar

Schillerrede: Soziologin Illouz vergleicht Trump mit »König Lear«

Statt Selbstbeweihräucherung empfiehlt die Soziologin Eva Illouz in der Schillerrede 2025 den Zweifel und das Zuhören - nur das helfe aus der eigenen Echokammer heraus

 10.11.2025

Gespräch

Warum Uschi Glas bei Antisemitismus nicht schweigen will

Uschi Glas spricht mit Charlotte Knobloch über Schweigen und Verantwortung in Zeiten eines wachsenden Antisemitismus. Und entdeckt ein unbekanntes Kapitel in ihrer Familiengeschichte

 10.11.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Friede, Freude, Eierkuchen oder Challot, koschere Croissants und Rugelach

von Margalit Edelstein  09.11.2025

Geschichte

Seismograf jüdischer Lebenswelten

Das Simon-Dubnow-Institut in Leipzig feiert den 30. Jahrestag seiner Gründung

von Ralf Balke  09.11.2025

Erinnerung

Den alten und den neuen Nazis ein Schnippchen schlagen: Virtuelle Rundgänge durch Synagogen

Von den Nazis zerstörte Synagogen virtuell zum Leben erwecken, das ist ein Ziel von Marc Grellert. Eine Internetseite zeigt zum 9. November mehr als 40 zerstörte jüdische Gotteshäuser in alter Schönheit

von Christoph Arens  09.11.2025

Theater

Metaebene in Feldafing

Ein Stück von Lena Gorelik eröffnet das Programm »Wohin jetzt? – Jüdisches (Über)leben nach 1945« in den Münchner Kammerspielen

von Katrin Diehl  09.11.2025