Ruth Beckermanns Film Waldheims Walzer geht bei der Oscar-Verleihung 2019 für Österreich ins Rennen. Wie die Jury des österreichischen Fachverbands der Film- und Musikindustrie mitteilte, sei die Entscheidung bewusst für ein Werk mit Bezug zur jüngeren österreichischen Vergangenheit getroffen worden.
Der zu Beginn des Jahres bei der Berlinale vorgestellte und viel gelobte Film zeichnet hintergründig den Weg des früheren österreichischen Präsidenten Kurt Waldheim und die Proteste jüdischer Organisationen gegen ihn nach. Der ÖVP-Politiker und Ex-Generalsekretär der UNO hatte seine NS-Vergangenheit jahrelang verschwiegen. Trotz ständig neuer Enthüllungen in den 80er-Jahren zog er seine Kandidatur zur Wahl des Bundespräsidenten 1986 nicht zurück.
zeitzeugin Die Regisseurin hatte selbst in den 80er-Jahren an Demonstrationen gegen Waldheim teilgenommen und dabei auch gefilmt. Ihr Material sichtete sie fast drei Jahrzehnte später erneut und ergänzte es mit Bildern aus internationalen Archiven. Waldheims Walzer zeigt, wie Waldheim hartnäckig auf seiner Version der Ereignisse auch dann noch beharrte, als die Wahrheit über seinen Wehrdienst in der deutschen Armee in den 40er-Jahren in Griechenland und auf dem Balkan längst bekannt war.
Bei der Berlinale 2018 wurde die österreichisch-jüdische Regisseurin Beckermann für ihr Werk mit dem »Glashütte Original – Dokumentarfilmpreis« ausgezeichnet. In der Begründung der Jury hieß es, Waldheims Walzer sei »ein außergewöhnliches Porträt eines Lügners«.
Bei der Preisverleihung im Berlinale-Palast sagte Beckermann, »der Film zeigt, wie man mit Populismus, Antisemitismus und Rassismus Wahlen gewinnen kann. Ich freue mich natürlich über den Preis und den Erfolg, aber ein Wermutstropfen ist auch dabei, dass etwas, das vor 30 Jahren passiert ist, so aktuell ist«. An den Beispielen der Politiker Orbán, Kurz und Strache sehe man, dass es auch heute immer wieder gelinge, »damit Wahlen zu gewinnen«.
Wendepunkt Für Ruth Beckermann stellte die Waldheim-Affäre eine Zäsur in Österreich dar. Im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen sagte Ruth Beckermann Anfang März: »Waldheims Ansichten waren damals die allgemeine Haltung, nur hat sie niemand geäußert. Der Tabubruch, den er begangen hat, war, zu sagen: Ich habe meine Pflicht in der deutschen Wehrmacht erfüllt.«
Die offizielle Sprachregelung sei damals gewesen, dass Österreich das erste Opfer der deutschen Nazis gewesen sei, so die Regisseurin. »Jeder wusste, dass das eine Lüge ist. Die Waldheim-Affäre war der Wendepunkt in Österreich. Damals hat eine Zivilgesellschaft begonnen. Damals hat die Aufarbeitung dieser Zeit begonnen.«
Die Verleihung der 91. Oscars findet am 24. Februar 2019 in Los Angeles statt. Für Deutschland geht Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem Film Werk ohne Autor ins Rennen um den Auslands-Oscar. In dem Werk beschwört von Donnersmarck angesichts der deutschen Vergangenheit die Kraft der Kunst. Die Nominierungen für die übrigen Kategorien der Academy Awards werden am 22. Januar verkündet. ja