Corona

»Nicht an die Zukunft denken«

Bertolt Karsten Troyke Foto: Karsten Troyke

Corona

»Nicht an die Zukunft denken«

Fünf Minuten mit Bertolt Karsten Troyke über Musiker im Lockdown, CD-Aufnahmen und neue Projekte

von Ingo Way  16.11.2020 08:19 Uhr

Herr Troyke, seit Anfang des Monats sind im Rahmen der Corona-Maßnahmen auch sämtliche Kulturveranstaltungen abgesagt. In welcher Form betrifft Sie das persönlich als Sänger und Musiker?
Im Frühjahr wurden viele ausgefallene Konzerte auf den Herbst verlegt. Da sah mein Kalender im Herbst und Winterbeginn ziemlich voll aus. Jetzt fallen bei mir etwa 20 Veranstaltungen weg. Auch die Jüdischen Kulturtage, an denen ich in einigen Projekten beteiligt sein sollte, fallen vollständig ins Wasser.

Wie wirkt sich das wirtschaftlich auf Sie aus? Können Sie die Zeit überbrücken, oder bekommen Sie staatliche Hilfen?
Ich habe von staatlichen Hilfen noch nichts gehört. Könnte sein, dass da noch welche kommen, besonders nachdem der berühmte Trompeter Till Brönner das gefordert hat. Aber so richtig vertraue ich darauf nicht. Ein klein wenig Geld habe ich noch und kann bis zum nächsten Sommer durchhalten. Viele Kollegen konnten allerdings ebenso wenig oder auch gar nichts zurücklegen, wer ist schon ein Popstar mit großen Hits? Nicht zu zählen die vielen, die dazugehören: Licht, Ton, Organisatoren.

Können Sie die Maßnahmen verstehen?
Verstehen kann ich alles, sowohl die Maßnahmen als auch die Argumente dagegen. Was richtig ist, wird sich zeigen. Es ist nicht so, dass ich das wirklich einschätzen kann. Im Moment beobachte ich fast nur. Weder sage ich »Wir müssen jetzt alle nur noch vorsichtig sein«, noch bin ich engagiert in irgendeiner großen Gegenbewegung, obwohl ich auch da einige mutig und klug finde.

Inwiefern?
Natürlich ist das Leben jedes einzelnen Menschen so wertvoll, dass man es retten muss. Wenn man aber an den wirtschaftlichen Lockdown im Frühjahr denkt, dann betraf der ja auch Länder, in denen jetzt der Hunger zunimmt, zum Beispiel, weil die Lieferketten zusammengebrochen sind.

Wie werden Sie denn Ihre nächsten Monate verbringen?
Ich tue natürlich, was Künstler tun: weiter schreiben, weiter aufnehmen, recherchieren. Man kann ja auch da viel Gutes in einer Auszeit machen. Langweilen kann ich mich also gar nicht, konnte ich noch nie.

Wenn die Einschränkungen länger andauern und es auch für Sie schwierig wird, haben Sie dann einen Plan B?
Nein, ich habe keinen Plan B. Als ich hörte, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters von der Grundsicherung für Künstler sprach, dachte ich: »Ach so, Hartz IV.« Und dann habe ich aufgehört, darüber nachzudenken, denn das möchte ich nicht. Bis dahin suche ich mir dann doch vielleicht irgendetwas anderes. Es gibt jetzt eine Situation, die wir früher nicht kannten, nämlich: nicht an die Zukunft denken. Man hat ja immer bestimmte Pläne, das ist jetzt bei mir geschrumpft auf die Studioarbeit. Aber auch da bin ich in einer glücklichen Lage, denn ich habe ein Studio zu Hause.

Gibt es also bald eine neue CD von Ihnen?
Auf jeden Fall. Ich grabe nach wie vor in alten Materialien jiddische Lieder aus, die keiner mehr kennt, singe jeden Freitag privat mit Sara Bialas-Tenenberg, die bald ihren 93. Geburtstag hat. Und außerdem habe ich vor, Lieder aus Ost-Berlin, die mich geprägt haben, neu aufzunehmen, Lieder von Bettina Wegner und Wolf Biermann. Von beiden habe ich mir jeweils acht Lieder ausgesucht, die ich auf meine Weise interpretieren möchte. Da bin ich aber noch nicht sehr weit gekommen. Und noch eine weitere Sache mache ich: Die Schauspielerin und Autorin Miriam Sachs, mit der ich schon öfter szenische Lesungen gemeinsam gemacht habe, hat im April an einer Corona-Impfstudie als Probandin teilgenommen und darüber literarisch ein Tagebuch geschrieben. Daraus wollen wir hörspielartige Podcasts machen. Den ersten haben wir letzte Woche fertiggestellt. Sie klopft gerade an diverse Türen, ob das eine Zeitung oder der Hörfunk bringen kann. Aber wir machen erst mal. Immer erst mal machen und dann gucken.

Mit dem Chansonsänger und Schauspieler sprach Ingo Way.

Berlin

Neue Nationalgalerie zeigt, wie Raubkunst erkannt wird

Von Salvador Dalí bis René Magritte: Die Neue Nationalgalerie zeigt 26 Werke von berühmten Surrealisten. Doch die Ausstellung hat einen weiteren Schwerpunkt

von Daniel Zander  17.10.2025

Theater

K. wie Kafka wie Kosky

Der Opernregisseur feiert den Schriftsteller auf Jiddisch – mit Musik und Gesang im Berliner Ensemble

von Christoph Schulte, Eva Lezzi  17.10.2025

Frankfurter Buchmesse

Schriftsteller auf dem Weg zum Frieden

Israelische Autoren lesen an einem Stand, der ziemlich versteckt wirkt – Eindrücke aus Halle 6.0

von Eugen El  17.10.2025

Kino

So beklemmend wie genial

Mit dem Film »Das Verschwinden des Josef Mengele« hat Kirill Serebrennikow ein Meisterwerk gedreht, das kaum zu ertragen ist

von Maria Ossowski  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Esther Abrami

Die Klassik-Influencerin

Das jüngste Album der Französin ist eine Hommage an 14 Komponistinnen – von Hildegard von Bingen bis Miley Cyrus

von Christine Schmitt  16.10.2025

Berlin

Jüdisches Museum zeichnet Amy Gutmann und Daniel Zajfman aus

Die Institution ehrt die frühere US-Botschafterin und den Physiker für Verdienste um Verständigung und Toleranz

 16.10.2025

Nachruf

Vom Hilfsarbeiter zum Bestseller-Autor

Der Tscheche Ivan Klima machte spät Karriere – und half während der sowjetischen Besatzung anderen oppositionellen Schriftstellern

von Kilian Kirchgeßner  16.10.2025

Kulturkolumne

Hoffnung ist das Ding mit Federn

Niemand weiß, was nach dem Ende des Krieges passieren wird. Aber wer hätte zu hoffen gewagt, dass in diesen Zeiten noch ein Tag mit einem Lächeln beginnen kann?

von Sophie Albers Ben Chamo  16.10.2025