Kino

Monumental missglückt

Viele Stars, wenig Substanz: Szene aus »Monuments Men« Foto: Twentieth Century Fox Film Corporation

Das Schönste an Monuments Men war der Trailer. Da hatten George Clooney und seine Kumpel Matt Damon, Bill Murray, Jean Dujardin und als einzige Frau auch Cate Blanchett jede Menge »Fun in Germany«. Ein aufgeräumter Clooney erklärte selbstironisch, warum er Monuments Men mit Freunden drehte und sich keine echten, teuren Schauspieler leisten konnte. So durfte man auf einen Film voller Esprit und Humor hoffen, der zwar von ernsten Dingen wie Kunstraub und Zerstörung handelte, aber dennoch den Zuschauer angenehm unterhalten würde.

»regionaleffekt« Die Monuments Men gab es wirklich. Sie waren über 300 und versuchten ab 1943, als die Alliierten immer weiter vorrückten, von Deutschen geraubte Kunst zurückzugeben oder vor der Vernichtung zu bewahren. Denn es gab den sogenannten Nero-Befehl Hitlers, ganz Europa samt seiner Kunstwerke in Schutt und Asche zu legen, wenn schon sein Drittes Reich dem Untergang geweiht war.

Im Film, der diese Woche in den deutschen Kinos anläuft, sind es nun überschaubare sieben Helden, alle nicht wirklich für den Krieg geeignet, denn im Zivilleben sind sie Museumsdirektoren, Kunsthistoriker und -experten, Architekten oder Restauratoren. Die bunte Truppe erhält einen Crashkurs in Sachen Militär; natürlich sind die Helme zu groß, die Waffen zu unhandlich und der Drill zu anstrengend. Man witzelt und neckt sich und landet dann plötzlich an den leeren Stränden der Normandie. Das ist mit viel Aufwand inszeniert, so als hätte Steven Spielberg dem Kollegen Clooney seinen Drehort nach den großen Schlachtszenen aus Der Soldat James Ryan überlassen. Man sieht der 80 Millionen Dollar schweren Hollywoodproduktion in dieser nur ein paar Sekunden langen Einstellung das viele Geld richtig an.

Gedreht wurde an über 40 verschiedenen Orten, die allerdings fast alle in Deutschland liegen. Die amerikanisch-deutsche Koproduktion erfreute sich gleich mehrerer regionaler Fördertöpfe. Und so sieht man dem Film immer sehr hübsch an, ob gerade in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder NRW gedreht wurde. Das nennt man im Fachjargon »Regionaleffekt«: Für jeden Fördereuro muss das Geld auch vor Ort investiert werden. So doubelt denn Görlitz die Innenstadt von Paris, und wenn der dicke Göring im großen Stil Gemälde aus dem Museum Jeu de Paume klaut, dann ist das erkennbar in der Neuen Wache in Berlin gedreht.

ungenauigkeiten Genau diese Sorglosigkeit, ja Schlampigkeit, Paris mal eben in Berlin oder Görlitz zu drehen, verleidet dem Betrachter schon in den ersten Filmminuten das Vergnügen. Hinzu kommen jede Menge historische Ungenauigkeiten. So ist die belgische Stadt Gent 1944 noch von den Deutschen besetzt und beherbergt einen Marienaltar von Michelangelo. Weil es einen Deal zwischen den Briten und den Deutschen gibt, die Stadt nicht zu zerstören und stattdessen kampflos zu übergeben, interessiert sich der zuständige britische General nicht für die Kunst. Nur das aufrechte britische Mitglied der Monuments Men schleicht in voller Montur und alles andere als konspirativ durch eine menschenleere Stadt.

Unglaubwürdiger geht es kaum. Ebenso unplausibel ist, dass der von Dimitri Leonidas verkörperte einzige jüdische Monuments Man Sam Epstein Nazideutschland 1938 verlassen haben soll und sechs Jahre später nur noch ein grauenhaftes Deutsch spricht. Diese Figur hat im Übrigen lediglich eine Alibifunktion zwecks politischer Korrektheit. Zwar wird erwähnt, dass die Deutschen vor allem von jüdischen Sammlern gestohlen hatten, aber das nur im Vorübergehen.

genre Gerade von einem sonst so genauen und inspirierten Regisseur, wie George Clooney einer ist, hätte man mehr erwarten dürfen. Er hat in den bisher vier Produktionen, bei denen er Regie führte, bewiesen, dass er ein hervorragender Filmemacher sein kann. Diesmal aber hat man das Gefühl, als sei Clooney lange Zeit nicht klar gewesen, was für einen Film er eigentlich drehen wollte. Vielleicht aus Angst, das Thema Kunstraub könnte zu unsexy für den Massengeschmack sein, versucht er sich zunächst an einer Buddykomödie im Krieg, hält dieses Genre jedoch nicht durch. Zu Beginn gibt es noch nette Szenen, einige Lacher und lockere Unterhaltung, bevor Co-Drehbuchautor und Regisseur Clooney dann auf patriotisches Pathos und moralische Belehrungen im Stil des Kalten Kriegs umschaltet.

Monuments Men ist auch filmhistorisch ein Rückschritt. Die meisten Nazischurken dort sind schmallippig, eindimensional und abgrundtief böse oder aber verschlagen, hinterhältig und feige. Quentin Tarantino hatte mit Inglourious Basterds einen sehr viel spannenderen Weg eingeschlagen und eine ganze Garde guter deutscher Schauspieler in der Besetzung, die sehr viel komplexere und gebrochenere Figuren verkörperten. Bei Clooney gibt es nur Justus von Dohnányi, der ab und zu auch mal Deutsch reden darf.

kassenflop Um Authentizität und Glaubwürdigkeit hat sich Clooney, der auch Produzent des Films ist, offenbar kaum gekümmert. Als französisches Mitglied der Monuments Men mimt Jean Dujardin einen Abziehbild-Franzosen, und ausgerechnet die kühle Australierin Cate Blanchett soll als Französin mit Männerproblemen plausibel sein. Als Zugabe gibt es noch tumbe Russen, die den gesamten Naziklau schnell in die Sowjetunion bringen möchten, während unsere amerikanischen Helden Kunst natürlich ausschließlich zum Wohl der gesamten Menschheit retten.

George Clooney hatte bei Monuments Men, scheint es, nur die amerikanischen Zuschauer im Sinn, denen er einen leicht genießbaren Filmhappen servieren wollte. Eine Rechnung, die allerdings, so wie es aussieht, betriebswirtschaftlich wahrscheinlich nicht aufgehen wird. Der Film startete einen Tag vor der Berlinale-Premiere mit über 3000 Kopien in den USA, spielte dort aber bislang nur 22 Millionen Dollar ein, was die Produktionskosten bei Weitem nicht deckt. Jetzt setzt man auf den europäischen Markt. Die Verheißung, bei dem guten Cast könne ja nichts schiefgehen, wird zunächst für viel Interesse und gut gefüllte Kinosäle sorgen. Der Kater nach Filmende ist dennoch vorprogrammiert. Schade, George!

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