Der Musiker David Byrne erzählt, wie ihn die Kompositionen von Meredith Monk zu einer Erkenntnis brachten: Texte sind in Liedern letztlich nur eine Ausdrucksmöglichkeit unter vielen. Wer geschickt mit Melodie, Rhythmus, Harmonie und Klangfarbe arbeitet, braucht eigentlich gar keine Worte. Das trifft auf die meisten Stücke der New Yorker Musikerin, Choreographin und Regisseurin Monk zu, weil der Gesang dort zwar eine zentrale Rolle einnimmt, man als Zuhörer aber zumindest im herkömmlichen Sinn wenig versteht.
Oft bestehen die Kompositionen nur aus sehr simplen, sich stetig wiederholenden Tonfolgen, während die Stimme in einen mitunter oktavenübergreifenden Singsang verfällt, der an Babysprache oder Tierlaute erinnert. Treffend heißt es im Dokumentarfilm »Monk in Pieces« einmal, die Musik von Meredith Monk sei in ihrer Unvergleichlichkeit zwar avantgardistisch, durch ihre assoziationsreiche, keinerlei Vorwissen benötigende Einfachheit aber auch äußerst zugänglich.
Die Regisseure David C. Roberts und Billy Shebar widmen sich der Klang- und Bühnenwelt Monks wie auch den ihnen vorausgehenden Ideen und Probenprozessen anschaulich und nuancenreich. Da ein größerer erzählerischerer Bogen diese eigenwillige Musikerin nur wie ein Korsett einengen würde, setzt »Monk in Pieces« auf fragmentarische Kapitel, die letztlich zwar ein sehr reichhaltiges, aber eben kein erschöpfendes Porträt ergeben. Interviews mit Weggefährten, in denen sich Dokumentationen über Künstler einer vergangenen Ära häufig verlieren, machen hier lediglich einen kleinen Teil aus.
Songs und Inszenierungen
Stattdessen gibt es große Mengen an vielfältigem und klug eingesetztem Archivmaterial, das Einblicke in das von ungebrochener Kreativität und Experimentiergeist geprägte New York der 1970er- und 1980er-Jahre gewährt und dabei Monks bekannteste Songs und Inszenierungen unterbringt, ohne in lieblos chronologisches Aufzählen zu verfallen.
Faszinierend an Monks Bühnenwerken und Filmen ist, wie gut ihre nonverbale und lautmalerische Erzählweise funktioniert. »Quarry« (1976) handelt etwa von den Folgen des Holocausts, »Ellis Island« (1981) von der Ankunft osteuropäischer Migranten in New York und »Book of Days« (1988) von der Pest-Paranoia im Mittelalter, die hier jedoch vor allem als Kommentar auf die AIDS-Krise zu verstehen ist.Luftig, naiv und verspielt
Selbst wenn die Themen bleischwer sind, bewahrt sich Monks Stil in diesen historisch stilisierten Settings seinen luftigen, naiven und verspielten Charakter. Klang und Bewegung wirken dabei wie aus einem Guss, so als würden die hypnotischen Melodien die Körper mit ihren bedächtig minimalistischen Gesten in Schwung versetzen.
Dynamische Montage
Während »Monk in Pieces« die Vergangenheit Revue passieren lässt, wirft er Schlaglichter auf unterschiedliche Aspekte in Monks Leben und Schaffen. Die künstlerisch fruchtbare Beziehung zum Choreographen Ping Chong wird ebenso behandelt wie das angespannte Verhältnis zur Mutter; einer professionellen Sängerin, die auch Werbejingles vertonte. Außerdem geht es um das Verhältnis zur Tänzerin Mieke van Hoek, die 2002 verstarb, um den Einfluss auf jüngere Künstler wie Björk, die den Song »Gotham Lullaby« in Gedenken an die Opfer des 11. Septembers coverte, sowie um Monks ambitioniertestes Projekt, dessen abenteuerliche Entstehung der Film nachzeichnet: die Oper »Atlas« (1991).
»Monk in Pieces« bleibt konsequent lebendig, weil er sich kreativ immer wieder aufs Neue selbst befeuert. Statt lediglich nachzuerzählen, kreisen die verschiedenen Fragmente jeweils um einen anderen visuellen Einfall. Mal wird ein surrealer Traum der Musikerin mit einem kleinen Animationsfilm illustriert, der wie eine Inszenierung Monks aussieht, dann entwirft der Film in Kacheln eine Collage mit Interviews aus unterschiedlichen Jahrzehnten, in denen die Künstlerin jedes Mal bei demselben Gedanken landet; jedoch immer leicht variiert und so, als hätte sie diese Erkenntnis gerade zum ersten Mal.Der Blick auf die Musik hat sich verändert
Auch sonst verbindet die dynamische Montage des Films regelmäßig verschiedene Zeiten. Etwa, wenn Monk in der Gegenwart mit einer jungen Tänzerin eines ihrer Stücke probt. Die Musik ist über die Jahrzehnte im Kern die gleiche geblieben, es ist eher der Blick auf sie, der sich verändert hat. Musste Monk früher noch verdutzten TV-Moderatoren ihre Arbeit erklären oder wurde von süffisanten Kritikern belächelt, wurde sie 2015 im Weißen Haus von Präsident Barack Obama mit der »National Medal of Arts« ausgezeichnet.