»Das Unwort«

Mobbing mit Happy End

Samuel Benito spielt mit großer Sensibilität den jüdischen Jungen Max. Foto: ZDF und [F] Conny Klein ; [M] Ar

Eine Lehrerin möchte im Unterricht das Tagebuch der Anne Frank durchnehmen und stößt auf eine Ablehnungsfront. Pubertierende Mädchen finden das Thema »ätzend«, habe man die NS-Zeit doch im letzten Schuljahr schon »bis zur Vergasung« durchgenommen.

Lachen und Gegröle. Der Palästinenserjunge Karim behauptet, die Juden benutzten den Holocaust, »um von den eigenen Verbrechen abzulenken«. Ein Mitschüler mit korrektem Fasson-Haarschnitt hält das Werk für »eine Fälschung«, er habe das im Internet gelesen. Dann zaghaft die Stimme eines Jungen aus der letzten Bank: »Meine Oma war in Auschwitz!«

Schlagzeilen Was der jüdische Junge Max fortan über Wochen erleiden muss, sind Beleidigungen und körperliche Übergriffe, wie sie in den vergangenen Jahren in Berlin Schlagzeilen machten. Eine jüdische Grundschülerin an der Paul-Simmel-Grundschule hatte dies zu erleiden und auch der 15-jährige Liam Rückert an einer Spandauer Gesamtschule.

Der jüdische Regisseur und Autor Leo Khasin (47) hat diese Fälle studiert, ehe er sich ans Drehbuch für den Fernsehfilm Das Unwort machte. Insbesondere das Versagen der Lehrerschaft an einer Friedenauer Gemeinschaftsschule, wo Oskar Michalski das Opfer war und keinerlei Unterstützung durch die Schulleitung erfahren hatte, diente Leo Khasin als Vorlage, wie er dieser Zeitung gegenüber erklärte.

In einer Parallelhandlung werden einerseits in Rückblenden die Auseinandersetzungen zwischen der arabischen Gang um Karim mit dem jüdischen Mitschüler Max gezeigt und andererseits eine Klassenkonferenz, auf der nach und nach Ungeheuerlichkeiten herauskommen. Es ist einem hervorragenden Schauspielerensemble zu verdanken, dass beide Handlungsstränge ein hohes Maß an Realismus vermitteln.

Samuel Benito spielt mit großer Sensibilität den jüdischen Jungen Max, der sich gegen die Angriffe zu wehren weiß und dem verschlagenen Karim (Oskar Redfern) während einer Rangelei ein Ohr abbeißt. Deshalb müssen die Eltern von Max (Ursina Lardi und Thomas Sarbacher) auf einer Klassenkonferenz erscheinen, der Karims Eltern fernbleiben. In Anwesenheit der genervten Beamtin der Schulaufsichtsbehörde (Iris Berben) sieht der um sein Image bemühte Schulleiter – Devid Striesow spielt ihn als hinterlistigen Opportunisten – »für einen antisemitischen Hintergrund keinerlei Beweise«.

Lehrer Die von diesem Fall völlig überforderte und vom Kollegium im Stich gelassene Klassenlehrerin – eindrucksvoll dargestellt von Anna Brüggemann – muss schließlich zugeben, ihre Beobachtungen heimlich notiert, aber nicht weitergegeben zu haben. Sie habe Karims Familie schützen wollen, die nur einen geduldeten Aufenthaltsstatus habe.

Am Ende gehen einige der Protagonisten aufeinander los. Eine solche Dramatik mag nicht der Realität an der Friedenauer Gemeinschaftsschule entsprechen, taugt als filmisches Mittel aber allemal, um das Werk nicht als dialoglastiges Kammerspiel versanden zu lassen. Vor allem gibt es dem großartigen Florian Martens in der Rolle des Hausmeisters die Gelegenheit, mit Berliner Zungenschlag den Streithähnen aus der »intellektuellen Elite« die Leviten zu lesen. Das ist bei aller Tragik ein wirklich komischer Moment.

Hier hätte der Film enden können, doch Filmemacher Leo Khasin wollte das Happy End und nahm dafür einige dramatische Finten in Kauf. In der Realität wechselte Oskar Michalski die Schule und Liam Rückert den Wohnsitz nach Israel. Im Film aber stehen am Ende der arabische Vater von Karim und der jüdische von Max vor der Schulbehörde und umarmen sich. Das ist zwar noch immer nicht realistisch, aber ein Hoffnungsschimmer ist es allemal.

»Das Unwort«, Montag, 9. November, 20.15 Uhr, ZDF. Bis 1.11.2021 in der ZDF-Mediathek

Los Angeles

Schaffer »visionärer Architektur«: Trauer um Frank Gehry

Der jüdische Architekt war einer der berühmtesten weltweit und schuf ikonische Gebäude unter anderem in Los Angeles, Düsseldorf und Weil am Rhein. Nach dem Tod von Frank Gehry nehmen Bewunderer Abschied

 07.12.2025

Aufgegabelt

Plätzchen mit Halva

Rezepte und Leckeres

 05.12.2025

Kulturkolumne

Bestseller sind Zeitverschwendung

Meine Lektüre-Empfehlung: Lesen Sie lieber Thomas Mann als Florian Illies!

von Ayala Goldmann  05.12.2025

TV-Tipp

»Eigentlich besitzen sie eine Katzenfarm« - Arte-Doku blickt zurück auf das Filmschaffen von Joel und Ethan Coen

Die Coen-Brüder haben das US-Kino geprägt und mit vielen Stars zusammengearbeitet. Eine Dokumentation versucht nun, das Geheimnis ihres Erfolges zu entschlüsseln - und stößt vor allem auf interessante Frauen

von Manfred Riepe  05.12.2025

Köln

Andrea Kiewel fürchtete in Israel um ihr Leben

Während des Krieges zwischen dem Iran und Israel saß Andrea Kiewel in Tel Aviv fest und verpasste ihr 25. Jubiläum beim »ZDF-Fernsehgarten«. Nun sprach sie darüber, wie sie diese Zeit erlebte

 05.12.2025

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann schwieg bislang zur scharfen Kritik. Doch jetzt reagiert die ARD-Journalistin auf die Vorwürfe

 04.12.2025

Antisemitismus

Schlechtes Zeugnis für deutsche Schulen

Rapper Ben Salomo schreibt über seine Erfahrungen mit judenfeindlichen Einstellungen im Bildungsbereich

von Eva M. Grünewald  04.12.2025

Literatur

Königin Esther beim Mossad

John Irvings neuer Roman dreht sich um eine Jüdin mit komplexer Geschichte

von Alexander Kluy  04.12.2025