1700 Jahre jüdisches Leben

»Mit einem Festjahr ist es leider nicht getan«

Daniel Grossmann, Leiter des Jewish Chamber Orchestra München, Lena Prytula von der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, Zentralratspräsident Josef Schuster und Moderator Andreas Bönte Foto: BR

Lena Prytula zieht eine positive Bilanz des Festjahrs »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Die 21-Jährige studiert in Erlangen Englisch und Spanisch auf Lehramt und ist Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD). Außerdem engagiert sich Prytula im Projekt »Meet a Jew« des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei dem junge Juden sich den Fragen von Schulklassen und anderen interessierten Gruppen und Vereinen stellen.

GRUNDEINSTELLUNG Sie habe in den letzten Monaten festgestellt, dass es mehr Interesse am jüdischen Leben gegeben habe – aus verschiedenen Richtungen. Allerdings sei ihr Eindruck gewesen, dass es vor allem Menschen waren, die schon eine positive Grundeinstellung zum Judentum hatten, welche die Veranstaltungen besucht hätten. »Das sind Leute, die sagen, ich kenne zwar nichts, aber ich bin total interessiert an jüdischer Religion, Kultur und Tradition. Man hat aber nicht wirklich die Leute abgeholt, die mit Vorurteilen in eine Begegnung gehen.«

Es herrsche nach wie vor ein »unfassbar großes Unwissen« über das Judentum, sagte Prytula in einer Gesprächsrunde im Fernsehen, die am Mittwochabend um 23.15 Uhr auf dem Bildungssender »ARD alpha« ausgestrahlt wurde. »Es darf nicht bei diesem einen Jahr bleiben«, forderte sie, »denn damit ist es leider nicht getan.«

MUSIK Auch Daniel Grossmann, künstlerischer Leiter des Jewish Chamber Orchestra in München, hat in jüngster Zeit ein gesteigertes Interesse für jüdische Themen wahrgenommen. »Allerdings glaube ich, dass es noch ein weiter Weg ist, bis das Judentum als natürlicher Teil Deutschlands gesehen wird. Das gilt aber leider auch für andere Minderheiten und Religionen.«

Zentralratspräsident Josef Schuster sagte in der Sendung, er sei anfangs skeptisch gewesen, was die Umsetzung des Projekts »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« anging – in erster Linie wegen der durch die Corona-Pandemie erschwerten Bedingungen. »Aber man hat dann, als es möglich war, tatsächlich Veranstaltungen durchzuführen, gemerkt, wie groß das Interesse war«, betonte er. Es sei in den letzten Monaten gelungen, das Thema Judentum auch jenseits von Antisemitismus und Holocaust zu zeigen und damit den Menschen im Land näherzubringen.

HEMMUNGEN Dennoch hielten die Auswirkungen des »Zivilisationsbruch« der Schoa bis heute an. Rund 100.000 jüdische Gemeindemitglieder stünden fast 83 Millionen nichtjüdischen Deutschen gegenüber. Die meisten Menschen im Land hätten noch nie Berührung zu Juden gehabt und seien etwas gehemmt bei der ersten Kontaktaufnahme, sagte Schuster.

Moderator Andreas Bönte vom Bayerischen Rundfunk wünschte zum Schluss seinen Gesprächspartnern und auch den Zuschauern, irgendwann einmal eine Sendung machen zu können, bei der man nicht über das Thema Antisemitismus sprechen müsse.

Die Diskussionsrunde ist in der Mediathek von »ARD alpha« zu sehen.

Lesen Sie mehr in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  16.11.2025

Aufgegabelt

Noahs Eintopf

Rezepte und Leckeres

 16.11.2025

TV-Tipp

Sie ging über Leichen: Doku »Riefenstahl« zeigt eine überzeugte Nationalsozialistin

Das Erste zeigt Andres Veiels vielschichtigen Dokumentarfilm über Leben und Wirken von Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl. Der Film geht auch der Frage nach, wie ihre Filme bis in die Gegenwart ausstrahlen

von Jens Hinrichsen  15.11.2025

Kunst

Illustrationen und Israel-Hass

Wie sich Rama Duwaji, die zukünftige »First Lady von New York«, auf Social Media positioniert

von Jana Talke  13.11.2025

Kino

Zwischen »Oceans Eleven« und Houdini-Inszenierung

»Die Unfassbaren 3« von Ruben Fleischer ist eine rasante wie präzise choreografierte filmische Zaubershow

von Chris Schinke  13.11.2025

Amsterdam

Chanukka-Konzert im Concertgebouw kann doch stattfinden

Der israelische Kantor Shai Abramson kann doch am 14. Dezember im Amsterdamer Konzerthaus auftreten - allerdings nur bei zusätzlich anberaumten Konzerten für geladene Gäste

 13.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 13.11.2025

Film

Dekadenz, Krieg und Wahnsinn

»Yes« von Nadav Lapid ist provokativ und einseitig, enthält aber auch eine tiefere Wahrheit über Israel nach dem 7. Oktober

von Sascha Westphal  13.11.2025

Kolumne

Hineni!

Unsere Autorin trennt sich von alten Dingen und bereitet sich auf den Winter vor

von Laura Cazés  13.11.2025