Jüdisches Museum Berlin

»Malka Germania« als Messiasgestalt

Yael Bartana Foto: dpa

Was und wie wäre wohl Berlin heute, hätten nicht Einheiten der Roten Armee, sondern israelische Soldaten die Stadt von den Nazis befreit? Mit Assoziationen, Gedankenspielen und Traumsequenzen geht die israelische Künstlerin Yael Bartana dieser Idee nach. Ihre Videoarbeit »Malka Germania« steht im Zentrum der Ausstellung »Redemption Now«, die im Jüdischen Museum Berlin von Freitag an bis zum 10. Oktober gezeigt wird.

»Redemption Now« ist die erste Werkschau der 50 Jahre alten Bartana, die in Berlin und Amsterdam lebt. Zu sehen – und ebenso intensiv zu hören – sind mehr als 50 Werke wie Videoarbeiten, Fotografien und Lichtskulpturen aus den vergangenen zwei Jahrzehnten.

BIENNALE Bekannt wurde Bartana auch durch ihren Beitrag im polnischen Pavillon während der Biennale in Venedig 2011. In der kritischen Schau auf die polnisch-jüdische Geschichte lässt sie Juden millionenfach in eines ihrer wichtigen Heimatländer zurückkehren und politische Bewegungen darauf reagieren. Das Jüdische Museum zeigt zu der Videotrilogie eine Art Archiv mit Objekten, die im Zusammenhang stehen mit Entstehung und Wirkung der Arbeit.

Als Auftragsarbeit für die aktuelle Ausstellung entstand »Malka Germania«, hebräisch für Königin Germania. Bartana thematisiert darin die Sehnsucht nach einer kollektiven Erlösung nach gemeinsam durchlebten Ängsten. Zentrale Figur ist eine androgyne Messias-Gestalt, die zunächst alltäglich wirkende Szenen in Fantasien zu überführen scheint. Bilder von Gleisen, Koffern, Menschengruppen assoziieren historische Judenverfolgung ebenso wie aktuelle Bilder von Geflüchteten.

STRANDBAD WANNSEE Die Bilder aus dem heutigen Berlin sind immer wieder verbunden mit Symbolen der Nazizeit, nichts lässt sich loslösen von der eigenen und der geerbten Vergangenheit. So steckt unter einer alltäglichen Szenerie im Strandbad Wannsee der antisemitische Sumpf: Bartana lässt in einer Computeranimation Albert Speers NS-Entwurf einer gigantischen »Halle des Volkes« auf dem Gewässer emporwachsen.

Erstaunt, überrascht, überwältigt beobachtet von halbnackten Badegästen, israelischen Soldaten und der Messias-Figur gleichermaßen. Eine der Stärken von »Malka Germania« ist dabei, dass Bartana einen weiten Spielraum lässt für Interpretation und Assoziation.

»STILLSTAND« Yael Bartana ist nicht unumstritten: Die Multimediakünstlerin hatte 2013 in Köln einen »Zwei Minuten Stillstand« angeregt – als »Aufforderung, die Gegenwart zu verändern«. Bartana wollte damit eine Debatte anstoßen, »wie aktives Erinnern aussehen sollte«. Die Kölner Synagogen-Gemeinde hatte eine Beteiligung an diesen Schweigeminuten grundsätzlich abgelehnt.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Der kausale Zusammenhang, in den Yael Bartana die Schoa rücke, sei nicht nachvollziehbar, kommentierte damals das Vorstandsmitglied der Gemeinde, Abraham Lehrer, die Aktion. Andere Kritiker hatten »die Instrumentalisierung des wichtigsten israelischen Gedenktages für die Opfer der Schoa« bemängelt. dpa/ja

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  28.03.2024

Sachbuch

Persönliches Manifest

Michel Friedman richtet sich mit seinem neuen Buch »Judenhass« bewusst an die allgemeine Öffentlichkeit, er appelliert aber auch an den innerjüdischen Zusammenhalt

von Eugen El  28.03.2024

USA

Daniel Kahneman ist tot

Der Wissenschaftler Daniel Kahneman kombinierte Erkenntnisse aus Psychologie und Ökonomie

 28.03.2024

Bildung

Kinderbuch gegen Antisemitismus für Bremer und Berliner Schulen

»Das Mädchen aus Harrys Straße« ist erstmals 1978 im Kinderbuchverlag Berlin (DDR) erschienen

 27.03.2024

Bundesregierung

Charlotte Knobloch fordert Rauswurf von Kulturstaatsministerin Roth

IKG-Chefin und Schoa-Überlebende: »Was passiert ist, war einfach zu viel«

 26.03.2024

Kultur

Über die Strahlkraft von Europa

Doku-Essay über die Theater-Tour von Autor Bernard-Henri Levy

von Arne Koltermann  26.03.2024

Projekt

Kafka auf Friesisch

Schüler der »Eilun Feer Skuul« in Wyk auf Föhr haben ihre friesische Version des Romans »Der Verschollene« vorgestellt

 25.03.2024

Berlin

Hetty Berg als Direktorin des Jüdischen Museums bestätigt

Ihr sei es gelungen, die Institution »als Leuchtturm für jüdisches Leben« weiterzuentwickeln, heißt es

 25.03.2024

Judenhass

Wie der Historikerstreit 2.0 die Schoa relativiert

Stephan Grigat: Der Angriff auf die »Singularität von Auschwitz« kommt nun von links

 25.03.2024