Deutschland
»Wegen Antisemitismus und AfD: Schauspiellegende Armin Mueller-Stahl denkt ans Auswandern«
Jüdische Allgemeine vom 10. Dezember (online)
Vielen Dank für Ihr Wachrütteln der deutschen Gesellschaft. Aber bitte bleiben Sie bei uns in Deutschland. Als meine Familie hätte auswandern sollen, blieben sie und wurden in unserer Heimat von Neuengamme bis Ravensbrück und Bernburg ermordet. Das Auswandern hätte ihr Leben gerettet. Ihre Gefühle, lieber Herr Müller-Stahl, kann ich verstehen, aber Ihre Flucht rettet kein Leben. Die Lücke, die Sie in Deutschland hinterlassen würden, schwächt unsere Demokratie weiter.
Reinhard Schramm, Vorstandsvorsitzender Jüdische Landesgemeinde Thüringen, Erfurt
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Ehrenrettung
Sabine Brandes: »Stille, Salz und Sonnenlicht. Das Tote Meer landete auf der weltweiten Rangliste der Sehenswürdigkeiten auf dem zweitschlechtesten Platz – völlig zu Unrecht, findet unsere Korrespondentin«
Jüdische Allgemeine vom 4. Dezember
Ein wunderbarer Artikel von Sabine Brandes, dem ich nur zustimmen kann: Jam Hamelach ist ein einzigartiger Lebensraum, ein einzigartiger historischer und touristischer Ort mit Alleinstellungscharakter für die Region. Auf einer Reise nach Israel kam ich bei Qumran, dem Fundort der berühmten Schriftrollen, in den Genuss, im Toten Meer zu schwimmen und mir anschließend in der laut Prädikat tiefstgelegenen Strandbar der Welt einen Espresso zu gönnen. Das Salzmeer ist ökologisch nicht tot – im Gegenteil: Das Genom der rund 70 halophilen Mikroorganismen, die sich unter den extremen Bedingungen entwickelt haben, hat Eingang in die Rhizome verschiedener Zitruspflanzen gefunden, wie ich auf den Würdigungstafeln für israelische Wissenschaftler am Flughafen Ben Gurion lesen konnte. So ist ein Anbau selbst auf salzhaltigen Wüstenböden möglich. Unter anderem das Salzmeer hat Israel zu einer blühenden Agrarkultur und der Urbarmachung einst karger Böden verholfen. Es ist eine Lebensader dieses von mir geliebten und bewunderten Landes. Und es ist zu hoffen, dass es gelingen kann, diesen Lebensraum vor den Folgen des Klimawandels zu bewahren.
Anton Vogel, München
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Biografie
Manfred Riepe: »Unser jüdischer James Bond. Die Arte-Doku ›Der Jahrhundert-Spion‹ erzählt die schillernde Lebensgeschichte des Ex-CIA-Agenten Peter Sichel«
Jüdische Allgemeine vom 17. November
Ich sah mir die Doku gleich auf Arte an und war sehr angetan. Vor allem auch, wo überall die USA (Westen) weltweit Umstürze durchgeführt oder geplant hatten. So zum Beispiel mit Einschleusung von Agenten Anfang der 50er-Jahre in der Ukraine, um diese von Moskau zu entfernen (wie aktuell dann wieder in der Zeit vor 2014) oder den Umsturz im Iran 1953 mit der Beseitigung der demokratischen sozialistischen Regierung – ohne diese wäre das Mullah-Regime 1979 (wahrscheinlich) nie an die Macht gekommen. Interessant wäre auch zu wissen, ob Alexander Friedman diese Doku kennt, und wenn ja, was er von ihr hält.
Jens Gläßer (per E-Mail)
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Meinung
Lorenz Beckhardt: »Gratulation! Warum die Ehrung der ARD-Israel-
Korrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim- Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist«
Jüdische Allgemeine vom 4. Dezember
Das, was Sophie von der Tann »journalistisch« bietet, ist nicht nur eine – aus professioneller Sicht – ständige Zumutung, sondern unverhohlene politische Agitation: mit der – in der jüngeren Generation (zu der die aus dem »Rhön-Dorf« Tann an der ehemaligen DDR-Grenze aus ehemaligem Ministerial-Adel stammende Sophie sich zählen darf) – so militant anzutreffenden moralischen Überheblichkeit, wenn es um Israel und seine Bürger und Bürgerinnen geht, wird Geschichtsrevisionismus mit der Brechstange betrieben. Die übertriebene Suche nach vermeintlichen Schandflecken auf der jüdischen Weste, die mehr oder weniger offen verfolgte Strategie der Diffamierungen dient dem primären Zweck, die Schoa geschichtspolitisch zu relativieren und ihre Generation zu entlasten.
Klaus Kammerer, Springe
Ich bin schockiert über die Kampagne gegen eine Journalistin, die differenziert und informiert über die komplizierte, tragische und grauenhafte Situation in Nahost berichtet. Sie hat niemals den furchtbaren Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 oder gar das Schicksal der Geiseln verharmlost, aber eben auch nicht das der Menschen in Gaza. Immerhin sind dort allein 18.000 Kinder ums Leben gekommen – und je länger der Krieg dauerte, ist natürlich auch die erschütternde Lage der Zivilbevölkerung in den Fokus der Berichterstattung aller Journalisten geraten. Hat außer »Haaretz« ein anderes israelisches Medium das Leiden der Bevölkerung in Gaza beschrieben und gezeigt? War die israelische Öffentlichkeit über das Ausmaß der Zerstörung und Qualen dort informiert? Meine israelischen Freunde verneinen das. Ich habe mich als Historikerin und Geschichtslehrerin und als Reisende durch Israel immer bemüht, beide Seiten des Konflikts zu verstehen und zu vermitteln, bin groß geworden mit der Erschütterung über die deutschen Verbrechen an den Juden und sehe mein Leben auch als Aufgabe, ein wenig zur Heilung der Schandtaten unseres Landes an seiner jüdischen Bevölkerung beizutragen. Ich mache Führungen durch mein Viertel, in dem in den 1920er- und 30er-Jahren viele Juden gelebt haben. Und ich kritisiere die Gnadenlosigkeit der israelischen Regierung und Siedler gegenüber den Menschen in Gaza und im Westjordanland. Ein vielschichtiges Bild hat auch Frau von der Tann von der Situation in Israel, Gaza und Nahost gezeichnet und hat dafür eine Auszeichnung durchaus verdient.
Kristina Tendel (per E-Mail)
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Einspruch
Philipp Peyman Engel: »Entfremdete Heimat. Philipp Peyman Engel befürchtet, dass auch nach dem Kriegsende der Antisemitismus in Deutschland nicht abnehmen wird«
Jüdische Allgemeine vom 17. Oktober
Die von Ihnen mit großer Berechtigung beklagte offenkundige Gleichgültigkeit der Mehrheitsgesellschaft, welche in einem lediglich halbherzig-pflichtschuldigen Bedauern zum Ausdruck kommt, unüberhörbar jedoch einem Beschweigen der Ereignisse des 7. Oktober 2023 und insbesondere der kaum verhüllten, globalen antisemitischen Ereignisse in den beiden darauffolgenden Jahren gleichkommt, erfüllt mich mit Sorge und Scham. Mein bester Jugendfreund ist Jude. Dessen Eltern hatten die Schoa in Paris irgendwie überlebt. Er hatte nie vermocht, mit mir darüber zu sprechen. Ich erinnere dieses Nicht-Thematisieren durchgehend als ein Tabu zwischen uns, als eine dunkle, schwere Blockade ohne Erlösung. Vielleicht hatten auch seine Eltern nicht offen mit ihm über diese Zeit sprechen wollen oder gar können. Bekannt ist mir, dass sie Anfang der 50er-Jahre nach Israel ausgewandert sind. Hans-Peter Häfele, Karlsruhe
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