Er war der Abraham des Rocks, der sich mit seinem jüngsten Album für den letzten Weg vorbereitet hat, mit einem auf Hebräisch dahingehauchten »Hineni, Hineni« und einem reibeisernen »I am ready, my Lord!«.
Wie sein Label Sony Music auf der Facebook-Seite des Sängers am frühen Freitagmorgen bekannt gab, ist Cohen nun im Alter von 82 Jahren gestorben. Im Laufe des Tages werde es in Los Angeles eine Gedenkzeremonie für den Musiker geben.
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau twitterte: »Als einer der bemerkenswertesten Montrealer hat Leonard Cohen sowohl als Peot als auch als weltbekannter Singer-Songwriter künstlerisch das Höchste erreicht.« Man werde sich immer seiner rauen Stimme, seines selbstironischen Humors und seiner packenden Songtexte erinnern. Cohen sei heute noch so wichtig wie in den 60er-Jahren.
Hydra Es dauerte Jahrzehnte, bis der in Montreal geborene Cohen vom Schreiben zum Singen kam, zunächst einfach nur, um Geld zu verdienen. Damals, 1967, kehrte der Kanadier von der griechischen Insel Hydra zurück, auf der er die Mythenwelt in seinen Worten zerfledderte und neu rekonstruierte. Im New Yorker Greenwich Village arbeitete er mit Joni Mitchell zusammen, wurde als neuer Bob Dylan gefeiert, liebte Marianne Ihlen und teilte sich das Bett mit Janis Joplin. Songs wie »Suzanne« und Alben wie Various Positions wurden so erfolgreich, dass Cohen von nun an von der Musik lebte.
Cohen überführte die Literatur in seine Musik: Jeder Song ist ein offenes Statement. Mal zutiefst amourös, mal zutiefst religiös, aber in Alben wie I’ve Seen The Future auch zutiefst politisch – bewusst hat Cohen sich von der daueroptimistischen Spaßgesellschaft verabschiedet und das Melancholische zum Lebensgefühl erhoben. Sein Klangkosmos ist derart dunkel, dass Oliver Stone ihn als Soundtrack für Natural Born Killers wählte.
Mitte der 90er-Jahre dann der Rückzug: Im Zen-Center, irgendwo im Himmel über Los Angeles, verwandelte Cohen sich zum Mönch und nahm den Namen »Jikart« (»der Stille«) an. Eine Rückkehr auf die weltweiten Bühnen schien ausgeschlossen. Erst als Cohens Managerin sein komplettes Hab und Gut verzockt hatte, musste er zurückkehren – mit neuen Songs und den Alben Old Ideas (2012), Popular Problems (2014) und Can’t Forget (2015). Und natürlich mit neuen Tourneen durch Asien, die USA und Europa.
Cohens Religiosität stand nie infrage, auch nicht während seiner Mönchwerdung im Zen-Kloster. »Im Zen gibt es keine Anbetung«, erklärte er damals, »weshalb, rein theologisch, keine Konkurrenz mit dem jüdischen Glauben existiert.« Immer wieder, auch in seinen Live-Konzerten, beschwört der Sänger sein Judentum, egal, ob er das Publikum mit »Ma Tovu« begrüßt, ob er vor israelischen Soldaten im Jom-Kippur-Krieg auftritt oder ob er in Interviews beteuert: »Ich habe mich meiner jüdischen Herkunft nie geschämt, und in jeder Krise Israels werde ich da sein. Ich habe mich dem Überleben des jüdischen Volkes verschrieben.«
»you want it darker« Der Tod schien ihn, der alles erlebt hat, nicht mehr zu schrecken. Alles klang, als wäre es einer der größten Gnadenakte, wenn der Mensch den Menschen selbst Trost über das eigene Ende spenden kann. Und so wurde Cohen zum Prediger seines eigenen Verschwindens, legte mit seinem letzten Album You Want It Darker auch die eigene Playlist für die Stunde null vor.
Wie bereit er wirklich war, machte er – der jüngst betonte, dass You Want It Darker auch aus gesundheitlichen Gründen sein letztes Album war – erst kürzlich in einem Brief an seine langjährige Muse Marianne Ihlen klar, der er ans Sterbebett schrieb: »Du kannst einfach deine Hand ausstrecken, und ich denke, du wirst meine erreichen. Aber jetzt wünsche ich dir eine gute Reise. Goodbye, meine liebe Freundin. In unendlicher Liebe, ich sehe dich ganz bald.« kat/ab