Redezeit

»Leidenschaft pur«

Hazel Rosenstrauch Foto: Mike Minehan

Frau Rosenstrauch, Sie halten am 19. Januar beim Salon Sophie Charlotte »Die Wissenschaft und die Liebe« einen Vortrag über Caroline und Wilhelm von Humboldt. Was ist an diesem Paar so faszinierend?
Das Besondere an ihrer Verbindung ist, dass sie eine Beziehung auf Augenhöhe führten. Caroline war eine ungemein kluge und selbstbewusste Frau, die ihrem Mann ebenbürtig war. Sie tauschten sich über die Themen ihrer Zeit wie die romantische Liebe oder die Entdeckung der Seele aus. Das ist schon etwas Außergewöhnliches. Wir sprechen hier immerhin vom späten 18. und frühen 19. Jahrhundert.

Waren die beiden ihrer Zeit voraus?
Absolut. Mit ihrer Experimentierfreude und Offenheit waren sie extrem früh dran. Für beide waren Freiheit und die Entfaltung der Individualität ganz wichtige Güter. Dazu gehörte auch, dass beide nebenher immer auch einmal andere Beziehungen hatten. Das haben sie sich einander zugestanden und auch ganz offen praktiziert.

Haben diese Affären Schatten auf ihre Liebe geworfen?
Nein, die romantische Liebe war das Zentrum ihrer Beziehung, beider Liebeleien konnte das nicht gefährden. Konfliktreich war viel eher etwas anderes: Im Gegensatz zu Wilhelm war Caroline extrem judenfeindlich, sie hasste die Juden. Das war der einzige wirkliche Konflikt in ihrer Ehe. Aber auch das konnte sie in ihrer über 40 Jahre langen Beziehung nicht trennen.

Wilhelm und Caroline haben einander individuell akzeptiert. Fällt das jungen Paaren heute schwerer?
Da sehe ich große Unterschiede, ja. Gerade unter heutigen Vorzeichen sind der grundlegende Respekt und die Anerkennung der Freiheit des Individuums bei einem sich gleichzeitig Verbunden-Fühlen und -Bleiben interessant. Und allein der Grad der Reflexion, den beide hatten: Man gewinnt beim Lesen ihrer Briefe den Eindruck, als gestalteten sie eine Theorie ihrer Liebe, wie man normalerweise ein Modell davon entwickelt, wie man einen Garten begrünt.

Einen Garten? Wo bleibt da die Leidenschaft?
Nun, Sie müssen wissen, dass die Gärten im 19 Jahrhundert mit großer Leidenschaft angelegt wurden! Das Konzept der romantischen Liebe war ja etwas Neues, es gab keine Vorbilder, an denen man sich orientieren konnte. Beide befreiten sich aus alten Mustern, die überkommen erschienen und einfach nicht mehr lebbar waren. Das, was Caroline und Wilhelm miteinander hatten, war schon auch Leidenschaft pur.

Glauben Sie persönlich an die Liebe?
Ich glaube nach wie vor, dass Liebe eine hochspannende Sache ist, deren Vorteile und Nachteile man sich allerdings sehr gut überlegen muss.

Sie sind in London geboren und in Österreich aufgewachsen. Nach einem Aufenthalt in den USA und Kanada leben Sie seit Mitte der 60er-Jahre in Berlin. Wo sind die Menschen am leidenschaftlichsten?
Puh, das ist schwierig zu beantworten, weil ich eigentlich gegen Pauschalisierungen bin. Aber ich war im Dezember bei meiner Schwester in Dänemark – die leidenschaftlichsten Menschen findet man in Dänemark sicher nicht.

Mit der Publizistin sprach Philipp Peyman Engel.

Hazel Rosenstrauch, in London geboren und in Wien aufgewachsen, arbeitete als Journalistin, Redakteurin und Autorin und lehrte an verschiedenen Universitäten. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter biografische Studien zu Karl August Varnhagen und Caroline und Wilhelm von Humboldt. 2012 erhielt sie den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik.

Mehr Informationen zu ihrem Vortrag im Rahmen des Salon Sophie Charlotte an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften unter:
www.bbaw.de/veranstaltungen/2013/januar/salon2013

Essay

Aufstand der Moralapostel

360 deutsche Künstler haben sich zum Gaza-Krieg positioniert und Sanktionen gegen Israel gefordert. Sie spielen das Spiel der Hamas. Eine Polemik

von Louis Lewitan  06.08.2025

Debatte

Liebe »Kulturschaffende«, liebe nützliche Idioten!

Ein Offener Brief an die 200 Künstler, die plötzlich ihr Gewissen entdecken und an Bundeskanzler Merz appellieren, aber mit keinem Wort die israelischen Geiseln erwähnen

von Jusek Adlersztejn  06.08.2025

Geburtstag

Iris Berben wird 75

Publikumsliebling, Volksschauspielerin und Trägerin des Leo-Baeck-Preises: Am 12. August wird Iris Berben 75 Jahre alt

von Heike Hupertz  05.08.2025

Los Angeles

Louise Sorel wird 85

Wer »Star Trek«, »Kojak« und »Zeit der Sehnsucht« kennt, kennt Louise Sorel. Die Karriere der Darstellerin begann auf dem Broadway

 04.08.2025

Blockbuster

Von Nordsee bis Bodensee: Spielbergs »Der weiße Hai« wieder im Kino

In mehr als 250 Kinos in Deutschland wird am Dienstag Spielbergs »Jaws« gezeigt

von Gregor Tholl  04.08.2025

Theater

Abrechnung in O-Tönen

Karl Kraus hielt seine Tragödie »Die letzten Tage der Menschheit« für unspielbar. Bei den Salzburger Festspielen ist es dennoch gelungen

von Micha Schleicher  03.08.2025

Aufgegabelt

Live-forever-Slaw

Rezepte und Leckeres

von Sophia Giesecke, Uri Triest  03.08.2025

Meinung

Linke Solidarität und das Bedürfnis, im richtigen Club zu spielen

Die deutsche Linke ist bemerkenswert selektiv: Während sie der Ukraine zu Recht ihre Souveränität zubilligt und den russischen Angriffskrieg verurteilt, scheint für Israel ein anderes Regelwerk zu gelten

von Serdar Somuncu  01.08.2025

Herzliya

Leonardo DiCaprio beteiligt sich an Luxus-Hotelprojekt in Israel

Die Baugenehmigung ist bereits erteilt

 01.08.2025