Hannah Arendt

Kritikerin des 20. Jahrhunderts

Hannah Arendt (1906–1975) Foto: dpa

Hannah Arendt

Kritikerin des 20. Jahrhunderts

Das Deutsche Historische Museum öffnet ab kommenden Montag eine Schau über die Philosophin für das Publikum

 06.05.2020 12:54 Uhr

Ihr Denken war »vielfach eigensinnig, oft strittig, aber immer anregend« – die Rede ist von Hannah Arendt (1906–1975), der das Deutsche Historische Museum in Berlin ab Montag eine Ausstellung widmet, die trotz Covid-19-Pandemie tatsächlich besucht werden darf. Arendt, die vor 45 Jahren in New York starb, gilt als eine der großen politischen Philosophinnen des 20. Jahrhunderts.

»Wir zeigen sie als Urteilende: Die Kontroversen, die sie führte, die Einsichten, die sie hervorbrachte, die Irrtümer, denen sie unterlag«, sagte Museums-Chef Raphael Gross zur Präsentation der Ausstellung am Mittwoch. Arendt bezeichnete ihren Ansatz einmal als »Denken ohne Geländer«.

THEMEN Die Ausstellung bewegt sich nicht entlang der Biografie Arendts, sondern stellt Themen in den Vordergrund, mit denen sie sich Zeit ihres Lebens beschäftigt hat: Antisemitismus, Kolonialismus, Rassismus, Nationalsozialismus, Stalinismus und Widerstand. Ihr sei es darum gegangen, Kristallisationspunkte der Geschichte des 20. Jahrhunderts neu darzustellen, sagt Gross.

Präsentiert werden rund 300 Objekte, darunter Leihgaben aus den USA, Israel, Frankreich, Deutschland und Österreich. 30 Medienstationen und zahlreiche Filmaufnahmen, etwa das berühmte Fernsehinterview mit Günter Gaus von 1964, geben einen Einblick in Arendts Denken und Diskursstil.

Zu sehen sind Publikationen und Fotografien, aber auch persönliche Gegenstände wie etwa ihr Zigarettenetui oder ihre legendäre Handtasche. Die Ausstellung wirft auch einen Blick auf Weggefährten Arendts wie etwa den umstrittenen Philosophen und Freund Martin Heidegger.

ADOLF EICHMANN Zu Arendts bekanntesten Büchern, 1963 auf Deutsch erschienen, gehört Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen. Ihre Sicht auf den Verantwortlichen der Judendeportationen im NS-Reichssicherheitshauptamt, Adolf Eichmann, dem 1961 in Israel der Prozess gemacht wurde, sorgt bis heute für Auseinandersetzungen.

Stellt sie doch in ihrer Interpretation des Holocaust besonders das »Bürokratische«, »Gedankenlose« und Banale heraus. Die Kontroverse steht auch im räumlichen Zentrum der Ausstellung. Sie ist so aufgebaut, dass von jeder Stelle aus ein großes Modell des Krematoriums II in Auschwitz-Birkenau zu sehen ist.

Die 1906 in Hannover geborene und in Königsberg aufgewachsene Arendt studiert 1924 bis 1928 Philosophie, Theologie und Klassische Philologie in Marburg, Freiburg und Heidelberg unter anderem bei Heidegger und Karl Jaspers. 1933 wird sie als Jüdin kurzzeitig inhaftiert und flieht nach Paris. 1941 geht es weiter über Lissabon in die USA. Dort schreibt sie für jüdische Zeitschriften, arbeitet als Lektorin, engagiert sich bei der Rettung jüdischen Kulturguts.

PROFESSUR Nach der Nazizeit bleibt sie in New York, besucht aber wiederholt Deutschland. 1955 erscheint Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft auf Deutsch, 1960 ihr Buch Vita activa oder Vom tätigen Leben. Ab 1967 hat sie eine Professur an der New School for Social Research in New York.

Für Arendt war die eigene Urteilsbildung gleichbedeutend mit politischem Handeln: »Nicht mitmachen, selbst urteilen«, heißt es am Schluss der Ausstellung. Zu einer lebendigen Demokratie gehöre das eigene Urteil, besonders wenn es der Mehrheit widerspricht. epd

Aufgegabelt

Linsenpfannkuchen von König David

Rezept der Woche

von Jalil Dabit, Oz Ben David  22.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  21.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  21.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  21.11.2025

TV-Tipp

Ein Skandal ist ein Skandal

Arte widmet den 56 Jahre alten Schock-Roman von Philip Roth eine neue Doku

von Friederike Ostermeyer  21.11.2025

TV-Kritik

Allzu glatt

»Denken ist gefährlich«, so heißt eine neue Doku über Hannah Arendt auf Deutsch. Aber Fernsehen, könnte man ergänzen, macht es bequem - zu bequem. Der Film erklärt mehr als dass er zu begeistern vermag

von Ulrich Kriest  21.11.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  21.11.2025

Kino

»Fast ein Wunder«

Das israelische Filmfestival »Seret« eröffnete in Berlin mit dem Kassenschlager »Cabaret Total« von Roy Assaf

von Ayala Goldmann  20.11.2025