»Bitte mach diese Woche nicht wieder etwas über Antisemitismus«, hat mich die Redaktion gebeten. Was ich verstehen kann. Das Thema deprimiert die Leser genauso wie den Autor. Die Lage in Nahost ist nicht wesentlich erfreulicher. Auch nichts, worüber man schreiben möchte.
Zum Glück gibt es auch gute Nachrichten aus dem jüdischen Leben. Während alle vom Niedergang des Judentums in Westeuropa reden, hat sich in Edinburgh die Zahl der Kinder Israels zeitweise auf fast elf Prozent der Bewohner verfünfzigfacht, ein Anstieg um 5000 Prozent. Zwar nicht in der ganzen schottischen Hauptstadt, aber an der Stenhouse Road 33. Dort steht Her Majesty’s Prison Saughton, der Knast der Stadt. 2014 waren dort von rund 960 Einsitzenden zwei jüdisch. 2017 zählte die Gefängnisverwaltung bereits mehr als 100 jüdische Knackis.
NEID Gab es eine Verbrechenswelle unter Schottlands Juden? Oder haben die kaledonische Polizei und Justiz verstärkt Juden ins Visier genommen, aus Antisemitismus möglicherweise? Ups, das Thema wollten wir doch lassen. Es hat mit der wundersamen Häftlingsvermehrung auch nichts zu tun. Die hat andere Gründe. Offenbar hatten die nichtjüdischen Insassen in Stenhouse neidvoll beobachtet, dass die koschere Verpflegung für die Knastjuden besser schmeckte als ihre Standardkost. In der Freiheit ist es meist andersherum. Aber der Strafvollzug ist eben eine verkehrte Welt. Ergebnis war jedenfalls eine plötzliche scharenweise Konversion zum Judentum in Saughton.
Eine plötzliche Verbrechenswelle unter Schottlands Juden gab es nicht.
Für die Leitung der Strafvollzugsanstalt bedeutete das ein massives Problem. Koschere Lebensmittel sind, wie jeder Jude, der sich an die Speisegesetze hält, leidvoll weiß, wesentlich teurer als treifes Essen. Im Fall des Edinburgher Knasts kostete die koschere Verköstigung viermal so viel wie die gewöhnliche, acht Pfund Sterling statt zwei pro Tag und Insasse, was sich auf zusätzliche jährliche Gesamtausgaben von rund 250.000 Pfund summierte.
RINDERMILZ Nun sind in Schottland, wie überall auf der Welt, öffentliche Mittel knapp. Die Gefängnisdirektion beschloss deshalb, sich die Übertritte zum Judentum etwas genauer anzugucken. Was sie dabei genau inspizierte, ist nicht bekannt. Da Saughton ein Männergefängnis ist, bietet sich ein möglicher Untersuchungsgegenstand an. Jedenfalls gelten jetzt nur noch 23 der Knackis als Juden, wie die Verwaltung vorige Woche erleichtert mitteilte.
Und die 23 Häftlinge kriegt man auch noch klein. Her Majesty’s Prison muss ihnen nur einige klassische jüdische Gerichte servieren. Pitcha zum Beispiel, gelierte Hühnerfüße. Oder Schav, kalte Sauerampfersuppe. Nichts für zartbesaitete Geschmacksknospen ist auch gefüllte Rindermilz oder, um nicht nur aschkenasische Ekligkeiten zu nennen, gesüßte Kuhzunge nach einem alten persisch-jüdischen Rezept. Wer das runterbekommt, meint es mit dem Gott Israels tatsächlich ernst. Wahrscheinlich werden das nur die ursprünglichen zwei von 2014 sein. A gitn appetit!