Kinderbuch

Knöpfe und Skateboards

Auf den ersten Blick haben Die Verknöpften von Andrea Behnke und Beni und Oma in den Gärten der Welt von Eva Lezzi wenig gemeinsam – außer, dass es sich um zwei sehr lesenswerte Neuerscheinungen auf dem überschaubaren Markt für jüdische Kinderbücher in Deutschland handelt.

Andrea Behnke erzählt vor dem Hintergrund der wahren Geschichte von Else Hirsch, Lehrerin an der Israelitischen Schule in Bochum, die Geschichte einer Freundschaft zwischen den jüdischen Kindern Liselotte, Minna und Leon und der Nichtjüdin Hildegard, die während der NS-Zeit ins Wanken gerät. Die allseits beliebte Lehrerin, die im Buch Ilse Hirschberg heißt, unterstützt ihre verfolgten Schüler nach Kräften.

Ausland Aber die Freundschaftsbänder der vier Kinder mit den Knöpfen – daher der Name Die Verknöpften – können von außen erzwungene Trennungen nicht überbrücken: Hildegard darf nicht mehr mit jüdischen Kindern spielen, Minna und Leon retten sich ins Ausland, und was aus Liselotte wird, die während der »Kristallnacht« am 9. November 1938 einen Überfall der Nazis auf das Textilgeschäft ihres jüdischen Vaters miterleben muss, erfahren die Leser nicht.

Was hält Freundschaft aus? Dieser Frage geht die Autorin lebendig und kindgerecht mit zarten Illustrationen von Inbal Leitner nach – wobei das tödliche Schicksal der Lehrerin im Ghetto von Riga, auch wenn es nicht explizit nacherzählt wird, vielleicht für Zehnjährige doch zu belastend sein könnte.

Eva Lezzi dagegen knüpft mit Beni und Oma in den Gärten der Welt an ihre ersten drei Beni-Bücher über die Abenteuer des jüdischen Jungen im heutigen Berlin an. Folge vier: Schon wieder ist Benis Skateboard kaputt, ein neues finden die Eltern zu teuer. Der Ausweg: ein Wettbewerb in den »Gärten der Welt« in Berlin-Marzahn.

Japaner Beni will ein Kunstwerk für einen Jüdischen Garten schaffen, der gerade entsteht. Allerdings hat er seine vergessliche Oma im Schlepptau, die ständig verloren geht, und Konkurrenten um den Hauptpreis gibt es auch. Lezzi erzählt wie gewohnt locker und rasant – von Verständigung zwischen Alt und Jung, zwischen Nationen und Religionen.

Sind Japaner die besseren Juden? Muss man jüdisch sein, um jüdische Kunst zu schaffen? Illustriert ist das Buch mit originellen dreidimensionalen Collagen von Anna Adam. Und ganz nebenbei findet die Autorin auch eine Antwort auf die Frage, was Freundschaft ausmacht.

Andrea Behnke/Inbal Leitner: »Die Verknöpften«. Ab zehn Jahren. Ariella, Berlin 2021, 160 S., 14,95 €

Eva Lezzi/Anna Adam: »Beni und Oma in den Gärten der Welt«. Ab sechs Jahren. Hentrich & Hentrich, Berlin/Leipzig 2021, 32 S., 14 Abb., 14,90 €

Erinnerungskultur

»Algorithmus als Chance«

Susanne Siegert über ihren TikTok-Kanal zur Schoa und den Versuch, Gedenken neu zu denken

von Therese Klein  07.11.2025

Erinnerung

Stimmen, die bleiben

Die Filmemacherin Loretta Walz hat mit Überlebenden des KZ Ravensbrück gesprochen – um ihre Erzählungen für die Zukunft zu bewahren

von Sören Kittel  07.11.2025

New York

Kanye West bittet Rabbi um Vergebung

Der gefallene Rapstar Kanye West hat sich bei einem umstrittenen Rabbiner für seine antisemitischen Ausfälle entschuldigt

 07.11.2025

Rezension

Mischung aus Angst, alptraumhaften Erinnerungen und Langeweile

Das Doku-Drama »Nürnberg 45« fängt die Vielschichtigkeit der Nürnberger Prozesse ein, erzählt weitgehend unbekannte Geschichten und ist unbedingt sehenswert

von Maria Ossowski  07.11.2025

Interview

Schauspieler Jonathan Berlin über seine Rolle als Schoa-Überlebender und Mengele-Straßen

Schauspieler Jonathan Berlin will Straßen, die in seiner Heimat Günzburg nach Verwandten des KZ-Arztes Mengele benannt sind, in »Ernst-Michel-Straße« umbenennen. Er spielt in der ARD die Rolle des Auschwitz-Überlebenden

von Jan Freitag  07.11.2025

Paris

Beethoven, Beifall und Bengalos

Bei einem Konzert des Israel Philharmonic unter Leitung von Lahav Shani kam es in der Pariser Philharmonie zu schweren Zwischenfällen. Doch das Orchester will sich nicht einschüchtern lassen - und bekommt Solidarität von prominenter Seite

von Michael Thaidigsmann  07.11.2025

TV-Tipp

Ein Überlebenskünstler zwischen Hallodri und Held

»Der Passfälscher« ist eine wahre und sehenswerte Geschichte des Juden Cioma Schönhaus, der 1942 noch immer in Berlin lebt

von Michael Ranze  07.11.2025

Provenienzforschung

Alltagsgegenstände aus jüdischem Besitz »noch überall« in Haushalten

Ein Sessel, ein Kaffeeservice, ein Leuchter: Nach Einschätzung einer Expertin sind Alltagsgegenstände aus NS-Enteignungen noch in vielen Haushalten vorhanden. Die Provenienzforscherin mahnt zu einem bewussten Umgang

von Nina Schmedding  07.11.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  07.11.2025