Film

Kein Frieden in Südtirol

Eine schwierige Mission: Der Dirigent Eduard Sporck (Peter Simonischek) soll ein Konzert mit Jugendlichen aus Israel und dem Westjordanland bestreiten. Foto: oliver oppitz photography

Wenn Deutsche Frieden zwischen Israelis und Palästinensern stiften wollen, bleibt das Ergebnis erfahrungsgemäß hinter den Erwartungen zurück. Im Spielfilm Crescendo #makemusicnotwar von Dror Zahavi (produziert von Alice Brauner) ist es ähnlich: Der berühmte deutsche Dirigent Eduard Sporck soll ein Konzert vorbereiten, mit dem israelische und palästinensische Jugendliche Nahost-Friedensverhandlungen flankieren sollen – die ausgerechnet in Südtirol stattfinden.

Autonomie Die Region gehörte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Österreich (-Ungarn), seit 1920 zu Italien. Mit der Machtergreifung der Faschisten 1922 begann eine Assimilierungs- und Italienisierungspolitik. Die Auswirkungen waren jahrzehntelang zu spüren. In der seit 1972 autonomen Provinz Bozen-Südtirol gab es bis in die späten 80er-Jahre Anschläge deutschsprachiger Untergrundkämpfer.

Dem Zuschauer von Crescendo schwant Böses, nämlich ein Happy End: verfeindete israelische und palästinensische Teenager, die sich in einer Südtiroler Berglandschaft weinend in die Arme fallen, und ein selbstzufriedener Deutscher, dem es gelungen ist, einen Beitrag zum Weltfrieden zu leisten und dabei über den Schatten seiner eigenen Vergangenheit zu springen. Denn Sporck ist Sohn eines NS-Ärztepaares, dessen Gräueltaten sein ganzes Leben geprägt haben.

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Von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) wird der Film dementsprechend angepriesen: »Peter Simonischek ist als Eduard Sporck genau die richtige Autoritätsperson, die durch eine eigene berührende Geschichte den jungen Menschen den Weg weisen kann, um sich einer friedlichen Zukunft zu öffnen.«

erfolg Glücklicherweise – ohne zu viel zu verraten – endet Crescendo nicht so »gut«. Und obwohl der Film im September letzten Jahres bei der Eröffnung des 25. Jewish Film Festival Berlin & Brandenburg (JFBB) bei Zuschauern auf ein geteiltes Echo stieß, hat er beste Voraussetzungen, in den Kinos ein Erfolg zu werden.

Der Streifen ist inspiriert von Daniel Barenboims viel gelobtem West-Eastern Divan Orchestra, transportiert aber mehr als eine ambitionierte Botschaft, er bleibt realistisch. Der gescheiterte Friedensprozess von Oslo wird nicht ausgeblendet, sondern in die Handlung integriert.

Der Film ist inspiriert von Daniel Barenboims viel gelobtem West-Eastern Divan Orchestra.

Simonischek (unter anderem bekannt aus Toni Erdmann) überzeugt auch in Crescendo als überragender Hauptdarsteller, und der Film bleibt, inklusive der mainstreamträchtigen, aber unbestreitbar schönen und nicht zu dick aufgetragenen klassischen Musik, spannend bis zum Schluss.

altruismus Zu Beginn des Films unterrichtet Eduard Sporck an einer Musikhochschule in Frankfurt. Klara de Fries (Bibiana Beglau) von der »Stiftung für effektiven Altruismus« will ihn davon überzeugen, ein israelisch-palästinensisches Jugendorchester zu dirigieren. Ihre Stiftung ist für das Abendprogramm bei der Friedenskonferenz in Südtirol verantwortlich, samt Konzert der jungen Menschen. Sporck will zunächst nicht und beruft sich auf seine Vergangenheit – doch dann lässt er sich überreden. Allerdings beginnen die Probleme schon, bevor das Orchester überhaupt zusammengestellt ist.

Zum Vorspiel in Tel Aviv erscheinen zahlreiche Israelis und Palästinenser, die in Sporck ihre Karrierechance wittern. Doch die israelischen Musiker sind besser ausgebildet als die Palästinenser, die aus ärmeren Familien im Westjordanland kommen, während die Israelis in dem Film wohlsituiert und bürgerlich gebildet präsentiert werden.

Der Dirigent ist verzweifelt. Wie soll er unter solchen Umständen ein paritätisch besetztes Orchester zusammenstellen? Der israelische Violinist Ron (Daniel Donskoy) hat einen pragmatischen Vorschlag: Warum nicht seine Kumpels aus einem kleinen Orchester, »arabisch aussehende« Israelis aus Florentin (einem Stadtteil im Tel Aviver Süden), rekrutieren und als Palästinenser ausgeben?

annäherung Aber Sporck lehnt ab und ernennt die Palästinenserin Layla (Sabrina Amali) zur ersten Geigerin, obwohl Ron weitaus besser spielt als sie. Der Israeli ist außer sich vor Ärger. Bei den Proben kommt es immer wieder zu Konflikten – in denen der Dirigent dem Orchester klarmacht, dass nicht die Leistungen Einzelner zählen, sondern die Stärke des gesamten Teams. In solchen kleinen Geschichten liegen die Stärken des Films. Ebenso in der Annäherung zwischen dem Palästinenser Omar und der Israelin Shir, die sich in Südtirol ineinander verlieben und gleichzeitig wissen, dass ihre Beziehung keine Chance hat.

Manches wirkt wie Gruppentherapie. Die Stärken des Films liegen in kleinen Geschichten.

Weniger überzeugend sind die Szenen, in denen die israelischen und palästinensischen Jugendlichen von ihren familiären Traumata berichten. Für Kinozuschauer, die mit den Themen nicht vertraut sind – junge Muslime, die das jüdische Narrativ nicht kennen, aber auch junge Juden, die von den Erfahrungen der palästinensischen Seite noch nie gehört haben –, dürfte es zwar interessant sein, von den Erfahrungen der anderen zu hören. Doch für vorgebildete Zuschauer wirken die Erzählungen der jungen Darsteller über Schoa, Flucht und Vertreibung wie eine unfreiwillige Gruppentherapie, die zwangsläufig scheitern muss.

Dass Begegnungen zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft dennoch vieles in Bewegung setzen können, wenn man sie nicht mit überhöhten Erwartungen überfrachtet, zeigt die letzte Szene des Films. Die »Stiftung für effektiven Altruismus« muss sich nach der Pleite in Südtirol neue Projekte suchen. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Ab 16. Januar im Kino

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