Wuligers Woche

Jüdisches Museum Krähwinkel

Das Jüdische Museum in Berlin Foto: Jens Ziehe

Professor Dr. phil. habil. Peter Schäfer, der Direktor des Jüdischen Museums Berlin, ist ein weltweit angesehener Gelehrter, der in Forschung und Lehre an sich und andere stets die allerhöchsten Maßstäbe akademischen Arbeitens anlegt. Wenn es allerdings um seine eigenen Interessen geht, scheint Schäfers wissenschaftliche Rigorosität gelegentlich etwas zu schwächeln.

ZDF Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten hat in einer wenig intelligenten Aktion die Bundesregierung aufgefordert, dem Museum Gelder zu streichen. Grund ist die umstrittene Jerusalem-Ausstellung im Libeskind-Bau. Dagegen verwehrte sich der Museumsdirektor – zu Recht – vorige Woche im heute journal des ZDF.

Er nutzte die Gelegenheit aber auch gleich, um mit anderen Kritikern der Schau öffentlich abzurechnen, und sprach von ominösen »Kreisen, die der gegenwärtigen israelischen Regierung sehr nahestehen und meinen, dass die Politik dieser Regierung auch in einem jüdischen Museum in Deutschland verwirklicht werden müsste«.

Dass Alan Posener Benjamin Netanjahu »sehr nahesteht«, wird alle überraschen,
die ihn und seine Texte kennen.

Jerusalem Das ist so zunächst Nonsens. Die Kritiker der Jerusalem-Ausstellung, allen voran Alan Posener in der »Welt«, fordern nicht, dass das Museum sich zum Propagandisten der israelischen Regierung macht. Was sie monieren, ist, dass in der Schau der israelischen Position – notabene: nicht nur die der Regierung, sondern der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung quer durch die politischen Lager – unverhältnismäßig wenig Raum gegeben wird, verglichen mit der dort vorherrschenden arabisch-muslimischen Sichtweise. Und dass Alan Posener Benjamin Netanjahu »sehr nahesteht«, wird alle überraschen, die ihn und seine Texte kennen.

Bemerkenswert an Schäfers Äußerung ist aber noch etwas anderes: Der Museumsdirektor vermag sich offenbar nicht vorzustellen, dass man ohne fremde Weisung zu einer differenzierten Einschätzung der Produkte seines Hauses kommen könnte. Von deren Grandiosität scheint er so überzeugt, dass weniger begeisterte Sichtweisen für ihn allein mit finsteren Machenschaften zu erklären sind.

Als akademischer Lehrer hätte Peter Schäfer jede Proseminararbeit, die derart dünn argumentiert, mit »ungenügend« benotet.

Die Idee, dass die Kritiker durch eigenständiges Denken zu ihren Schlüssen gelangt sein könnten, liegt dem Professor offenbar ebenso fern wie die dann naheliegende Folgerung, sich mit dieser Kritik inhaltlich auseinanderzusetzen. Als akademischer Lehrer hätte Peter Schäfer jede Proseminararbeit, die derart dünn argumentiert, mit »ungenügend« benotet.

Heinrich Heine »Ausländer, Fremde sind es meist, die unter uns gesät den Geist der Rebellion. Dergleichen Sünder, Gottlob!, sind selten Landeskinder«, hat Heinrich Heine schon 1854 dieses sehr deutsche Denken persifliert. »Erinnerungen an Krähwinkels Schreckenstage« heißt das Gedicht. Der fiktive Ort Krähwinkel steht in der deutschen Literatur sinnbildlich für spießbürgerliche Borniertheit. Als Standort für das Jüdische Museum Berlin könnte er sich manchmal auch eignen.

Streaming

»Bros«: Zwei Trottel, eine Bar

Die erste rein hebräischsprachige und israelische Original-Produktion für Netflix startet heute weltweit

von Ayala Goldmann  18.04.2024

Interview

»Deutschland ist eine neurotische Nation«

Bassam Tibi über verfehlte Migrationspolitik, Kritik an den Moscheeverbänden und Ansätze für islamische Aufklärung

von Christoph Schmidt  18.04.2024

Verschwörungstheorien

Nach viel kritisiertem Israel-Hass-Video: Jetzt spricht Dieter Hallervorden

Der Schauspieler weist die Kritik an seiner Veröffentlichung zurück

 18.04.2024

Venedig

Israelhasser demonstrieren bei Kunstbiennale

Die Demonstranten forderten einen Boykott israelischer Künstler

 18.04.2024

Klassik

Eine Liebeserklärung an die Mandoline

Der israelische Musiker Avi Avital verleiht Komponisten wie Bach oder Vivaldi einen unverwechselbaren neuen Touch

von Christine Schmitt  18.04.2024

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

 18.04.2024

Restitution

Bundesregierung will Herausgabe von NS-Raubkunst erleichtern

Gesetzentwurf sieht unter anderem einen Auskunftsanspruch gegenüber Personen vor, die NS-Raubkunst in Verkehr bringen

 17.04.2024

Berlin

Wenn aus Projektionen Projektile werden

Experten diskutierten bei einer Tagung der Bildungsabteilung im Zentralrat, wie anti-israelische Obsessionen wirken

von Mascha Malburg  17.04.2024

Philosophie

Mit Sartre gegen die Enge

Vincent von Wroblewskys Autobiografie »Vermutlich Deutscher« ist ein kleines Meisterwerk

von Marko Martin  17.04.2024