Archäologie

Jerusalems Zoo

Gehörte zur natürlichen Tierwelt im antiken Palästina: die Ziege Foto: thinkstock

Jerusalems Tiergarten ist kein Zoo wie jeder andere. Zwar wird der Besucher schon am Eingang mit dem Geschrei von Schimpansen begrüßt, die kaum zur natürlichen Tierwelt im antiken Palästina gehörten.

Trotzdem nennt sich der Park zu Recht »Jerusalems biblischer Zoo«: »Unsere Sammlung von Tieren, die in der Bibel auftauchen, ist besonders umfassend«, erklärt Sigalit Herz, die Sprecherin des Parks. »Unsere Löwen sind asiatische Löwen, die Braunbären syrische, und die Krokodile kommen aus dem Nil«, also aus der unmittelbaren Nachbarschaft. An jedem Gehege steht außerdem ein Hinweis auf den passenden Abschnitt aus der Hebräischen Bibel.

Welche Tiere es zu biblischen Zeiten in der Region tatsächlich gab und wie die Menschen mit ihnen zusammenlebten, das ist das Forschungsgebiet von Lidar Sapir-Hen vom Archäologischen Institut an der Universität Tel Aviv.

Archäozoologie Sie ist Archäozoologin. Wenn antike Stätten ausgegraben werden, überlässt sie Tonscherben und Münzen neidlos ihren Kollegen. Sapir-Hen sucht nach Tierknochen. In ihrem Labor hat sie ganze Kisten davon. Mal sortiert sie ihre Funde nach Tierart, mal nach Körperteil. »Dies hier gehört zum Vorderfuß einer Ziege«, sagt sie und fischt einen fingerlangen Knochen hervor. »Das Tier war noch kein Jahr alt, als es starb.«

Das Interessanteste sei für sie der Blick auf den Alltag der Menschen, die mit den Tieren zusammenlebten, sagt die Direktorin des archäozoologischen Labors an der Universität Tel Aviv: »Was die Menschen aßen und wie sie ihre Nahrung zubereiteten, können wir an den Überresten von Tieren erkennen.« Sie könnten noch nach Tausenden von Jahren Aufschluss geben über die antike Speisekarte, über soziale Entwicklungen und religiöse Riten – und damit auch über den Alltag zu biblischen Zeiten.

Haustiere
Sicher ist, dass Hunde und Esel zur Zeit von Abraham und Sarah schon zu beliebten Haustieren gehörten: »Die Hunde wurden zur Bewachung eingesetzt, Esel vor allem als Packtiere.« Obschon die Katze im alten Ägypten sehr verehrt wurde, treffen die israelischen Archäologen bei ihren Ausgrabungen eher selten auf Knochen der schnurrenden Vierbeiner. »Katzen tauchen zwar in den biblischen Perioden auch schon auf, aber sie sind weniger üblich«, sagt Sapir-Hen.

Die Wissenschaftlerin kann anhand der Größe eines Tieres auch feststellen, ob es in der Wildnis lebte oder domestiziert war. »Haustiere sind in der Regel deutlich kleiner.« Sapir-Hen untersucht das Todesalter der Tiere und das Geschlecht und zieht daraus Schlüsse auf die Bedeutung der Vierbeiner als Wolle- und Milchproduzenten. Schlachttiere ließen sich an den Markierungen von Messern erkennen. »Wir können auch sicher sagen, wenn ein Tier verbrannt wurde.« Dann war es ein Opfertier.

Kamele Zusammen mit ihrem Kollegen Erez Ben-Josef, ebenfalls von der Universität Tel Aviv, stieß sie in Timna, ganz im Süden Israels, auch auf Ergebnisse, die das Alte Testament als zuverlässige Geschichtsquelle infrage stellen: »Ich will deinen Kamelen auch schöpfen, bis sie alle genug getrunken haben«, sagt Rebekka, die spätere Frau von Abrahams Sohn Isaak, im 1. Buch Mose (Kapitel 24, Vers 19).

Im Allgemeinen wird die Zeit der Abraham-Erzählungen mit dem Beginn des zweiten Jahrtausends v.d.Z. angesetzt. Nach den Forschungen von Sapir-Hen gab es zu diesem Zeitpunkt aber nur wilde Kamele, »wenn überhaupt«. Domestiziert worden seien die Tiere erst Hunderte Jahre später. Die Wissenschaftlerin schreibt über neue Beweise dafür, dass »das Kamel im Aravah-Tal, der Talsenke vom Toten Meer bis zum Golf von Akaba, nicht vor dem letzten Drittel des ersten Jahrtausends« auftrat. Die Ergebnisse knüpfen an frühere Untersuchungen des Archäologen Israel Finkelstein an, der davon ausgeht, dass die Abraham-Erzählungen lange nach der Zeit aufgeschrieben wurden, zu der sie sich ereigneten.

packtiere »Die Nutzung der Kamele als Packtiere brachte unmittelbar soziale und wirtschaftliche Veränderungen mit sich«, erklärt Sapir-Hen. Zuvor hätten die Reisenden ihre Last nur mithilfe von Eseln transportiert, die keine langen Reisen durchstehen konnten, weil sie an die harschen Bedingungen in der Wüste weniger angepasst waren. Das Kamel ermöglichte längere Reiserouten. Dank der neuen Lastenträger konnten auch Wüsten durchquert werden, wie die Wissenschaftlerin schreibt. Für die Händler erschlossen sich damit neue Märkte.

Trotz der Bedeutung für die Geschichtsschreibung hält sich der Andrang auf Sapir-Hens Spezialfach Archäozoologie noch in Grenzen: In Tel Aviv bilden derzeit ganze drei Studenten den Nachwuchs. epd

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Sachbuch

Aus dem Leben einer Rebellin

Gerhard J. Rekel hat der jüdischen Sozialaktivistin Lina Morgenstern eine lesenswerte Biografie gewidmet

von Gerhard Haase-Hindenberg  12.09.2025

TV

Auch Niederlande drohen mit ESC-Boykott, wenn Israel teilnimmt

Gastgeber Österreich hat sich bereits eindeutig für eine Teilnahme Israels ausgesprochen

 12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Nach Canceln in Gent

Solidarität in Berlin: Konzert mit Lahav Shani

Der israelische Dirigent und die Münchner Philharmoniker treten am Montag beim Musikfest Berlin auf

 12.09.2025

Belgien

Prosor: Ausladung von Shani »purer Antisemitismus«

Der israelische Dirigent Lahav Shani darf nicht auf dem Flanders Festival Ghent auftreten, weil er sich nicht genug vom Vorgehen Israels in Gaza distanziert habe. Das sorgt international für Kritik

 12.09.2025

Streaming

»Verstehen statt behaupten«

Ein Gespräch mit Dan Shaked über seine Abneigung gegen Petitionen, das Spionagedrama »The German« und den Dreh mit Schauspielkollege Oliver Masucci

von Katrin Richter  12.09.2025

Sehen!

»Humans 2.0«

Die Suche nach dem Moment des perfekten Gleichgewichts – das australische Ensemble »Circa« gastiert in Berlin

von Bettina Piper  12.09.2025

Kino

Für Hermann Göring lernte Russell Crowe Deutsch

Crowe spielt den Nazi-Verbrecher in »Nuremberg«, einem packenden Thriller über die Nürnberger Prozesse

von Manuela Imre  12.09.2025