Ausstellung

Jente, o Jente, ach bring einen Mann

Eines muss man dem Jüdischen Museum der Schweiz in Basel lassen: Es nützt den wenigen, ihm zur Verfügung stehenden Platz voll aus. So werden die Besucher der neuen Ausstellung Gesucht. Gefunden. Partnerschaft und Liebe im Judentum bereits im Aufgang zum Museum aufs Thema eingestimmt, mit kleinen Plakaten, die Aufschriften tragen wie »Ich bleibe lieber Single« oder »Ich möchte keine Kinder« – Äußerungen, die die offensichtliche Ablehnung einer (allzu) festen Beziehung mancher Menschen dokumentieren. Im Kontrast dazu Bilder von (glücklichen?) Paaren im Hof und eine Art Gartenlaube, die Zweisamkeit und Glück symbolisieren soll.

Und bevor die eigentliche Ausstellung betreten wird, hängt im Eingang eine große, breite Tafel, an der sich Bindungswillige bemerkbar machen können. Das Museum versucht sich hier also als Nachfolger des berühmt-berüchtigten »Schadchen«, des jüdischen Heiratsvermittlers.

brautwerbung Der darf dann natürlich in der eigentlichen, in zwei Räumen präsentierten Ausstellung nicht fehlen. Einmal mit einem Ausschnitt aus einem jiddischen Film der 30er-Jahre, in dem diese Figur eher unsympathisch wirkt. Und mit einem Brief aus dem Basel der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem ein Heiratsvermittler dem Vater einer heiratsfähigen Tochter gleich drei Kandidaten schmackhaft zu machen versucht. »Er kommt auch von reichem Haus aus Biel und treibt viel Sport«, heißt es über den einen Kandidaten. »Ist Offizier. Ist sehr geschätzt« über den zweiten. Offen bleibt, wer von den so Angepriesenen das Rennen machte – falls überhaupt.

Dazwischen ein Bild von Alphonse Lévy (1843–1918), das einen potenziellen Bräutigam zeigt, der im Elsass vor dem Ersten Weltkrieg gerade um die Hand einer jungen Dame anhält – offensichtlich erfolglos, denn die Bildunterschrift verkündet ein klares »si vill ne nitt!« (sie will ihn nicht) – was der Mutter scheinbar nicht passt: Ihr würde der Kandidat vermutlich schon aus finanziellen Gründen gefallen, während die Tochter dagegen aus Liebe heiraten will.

Wie jüdische Männer und Frauen heute zusammenkommen, kann man in der hübschen, kleinen Schau mittels Kopfhörer von etlichen Paaren im Originalton hören. Ayala (26) und Michoel (32) haben sich auf traditionelle Art und Weise kennengelernt, über Freunde und Eltern, die wussten, was die beiden orthodox lebenden Heiratswilligen suchten. Peter (58) und Catherine (55) haben sich vor 30 Jahren in einem Skilager getroffen und verliebt – vor allem, weil ihm ihr Lachen so gefiel. Eine klassische Lovestory.

scheidung Wer diese und andere Geschichten anhört, muss denken, dass sich Jüdinnen und Juden eigentlich auch nicht anders kennenlernen als Nicht-Jüdinnen und -Juden. Dass dieser Eindruck nicht unbedingt richtig ist, zeigen an anderer Stelle aufgehängte Plakate, die für jüdische »Single-Weekends«, »Get togethers« oder sonstige »Meetings« werben und zeigen, dass es selbst im Internet-Zeitalter nicht immer so einfach ist, den richtigen Partner, zu finden, wenn er oder sie denn jüdisch sein soll. Da muss ab und zu doch nachgeholfen werden.

Gesucht. Gefunden
spielt auch elegant mit bestimmten Klischees: Ken und Barbie stehen da als Vertreter der klassischen Rollenverteilung, neben ihm Tefillin, bei ihr das Vollständige praktische Kochbuch für die jüdische Küche aus dem Jahre 1904.

Daneben weisen Lesetafeln an den Wänden aber darauf hin, dass im 21. Jahrhundert auch in der jüdischen Gesellschaft neue Formen des Zusammenlebens gang und gäbe sind, jenseits der Orthodoxie, in der auch das Kennenlernen so streng reglementiert ist wie das mögliche Ende einer Ehe. Dass Scheidungen kein neues Phänomen sind, zeigt ein Bild aus Polen von 1902: Mit ziemlich bösen Gesichtern stehen da die Scheidungswilligen und ihre Angehörigen vor dem Rabbiner, das Zimmer werden sie kaum gemeinsam verlassen.

Solchem Trennungsschmerz will das Museum vorbeugen. Im Gästebuch kann man Ideen dazu eintragen, wie eine gute Ehe hält. Viele Seiten sind noch nicht beschrieben, aber immerhin steht dort als Tipp: »Gemeinsam Liebesfilme schauen« – ein Ratschlag, der absolut religionsübergreifend ist.

»Gesucht. Gefunden. Partnerschaft und Liebe im Judentum«. Jüdisches Museum der Schweiz, Basel, bis Ende 2015
www. juedisches-museum.ch

Musik

Louis-Lewandowski-Festival hat begonnen

Der Komponist Louis Lewandowski hat im 19. Jahrhundert die jüdische Synagogenmusik reformiert. Daran erinnert bis Sonntag auch dieses Jahr ein kleines Festival

 18.12.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Bettina Piper, Imanuel Marcus  18.12.2025

Ausstellung

Pigmente und Weltbilder

Mit »Schwarze Juden, Weiße Juden« stellt das Jüdische Museum Wien rassistische und antirassistische Stereotype gleichermaßen infrage

von Tobias Kühn  18.12.2025

Kulturkolumne

Vom Nova-Festival zum Bondi Beach

Warum ich keine Gewaltszenen auf Instagram teile, sondern Posts von israelischen Künstlern oder Illustratorinnen

von Laura Cazés  18.12.2025

Neuerscheinung

Mit Emre und Marie Chanukka feiern

Ein Pixi-Buch erzählt von einem jüdischen Jungen, der durch religiöse Feiertage Verständnis und Offenheit lernt

von Nicole Dreyfus  18.12.2025

Zahl der Woche

1437

Funfacts & Wissenswertes

 18.12.2025

Revision

Melanie Müller wehrt sich gegen Urteil zu Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was bisher bekannt ist

 18.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  18.12.2025

Los Angeles

Rob und Michele Reiner: Todesursache steht fest

Ihre multiplen Verletzungen seien durch Gewalteinwirkung entstanden, so die Gerichtsmedizin

 18.12.2025