Kirk Douglas

Jahrhundertleben

Der Schauspieler feiert in dieser Woche seinen 100. Geburtstag. Eine Würdigung

von Peter Praschl  05.12.2016 18:58 Uhr

Kirk Douglas als Spartacus in Stanley Kubricks gleichnamigem Film von 1959/60 Foto: dpa

Der Schauspieler feiert in dieser Woche seinen 100. Geburtstag. Eine Würdigung

von Peter Praschl  05.12.2016 18:58 Uhr

Er hat vieles überlebt: eine bedrückende Kindheit, Joan Crawford, die ihm während einer Liebesnacht Komplimente für seine rasierten Achselhöhlen machte, dreimal für einen Oscar als bester Schauspieler nominiert zu werden, aber ihn jedes Mal nicht zu gewinnen, den Tod seines Sohnes Eric, einen Hubschrauberabsturz, einen Schlaganfall, nach dem er das Sprechen mühsam wieder lernen musste. Da sollte ihm ein amerikanischer Präsident die Feierlaune nicht verderben können. Aber Kirk Douglas ist ein leidenschaftlicher und, wenn es sein muss, immer noch ein zorniger Mann.

Mitte September schrieb er einen eindringlichen Text, in dem er Donald Trump, ohne dessen Namen nur ein einziges Mal zu nennen, mit Hitler verglich: »Ich habe die Schrecken der Depression und zweier Weltkriege erlebt, deren zweiter von einem Mann angezettelt wurde, der versprochen hatte, sein Land wieder groß zu machen. Ich war 16, als dieser Mann 1933 an die Macht kam. Fast das ganze Jahrzehnt davor war er verlacht worden. Man hielt ihn für einen Clown, der es nicht schaffen würde, mit seinem nationalistischen, hasserfüllten Gerede eine gebildete, zivilisierte Bevölkerung zu verführen. Die ›Experten‹ taten ihn als Witzfigur ab. Sie irrten sich.« Und er schrieb, wie sehr er hoffe, an seinem 100. Geburtstag genau einen Monat und einen Tag nach den Wahlen »Happy Days Are Here Again« singen zu können.

Es ist, wie wir wissen, anders gekommen. Kirk Douglas wird seine Hoffnungen dennoch nicht begraben, Resignation lag nie in seiner Natur.

herkunft
Sein Leben ist die paradigmatische Verkörperung dessen, was den amerikanischen Traum ausmacht: es durch Ehrgeiz, Hartnäckigkeit und Talent zu schaffen, die Fesseln seiner Herkunft abzuwerfen und nach ganz oben zu kommen. Douglas, am 9. Dezember 1916 als Issur Danielowitsch Demsky in der Kleinstadt Amsterdam im Bundesstaat New York geboren, entstammt bettelarmen Verhältnissen.

Seine Eltern waren aus dem zaristischen Russland vor den antisemitischen Pogromen geflohen und sprachen selbst in New York nur Jiddisch; der Vater, ein mürrischer Mann, schlug sich als Lumpensammler durch und hatte so viel damit zu tun, seine sieben Kinder nicht verhungern zu lassen, dass er nie dazu kam, seinem einzigen Sohn Liebe zu zeigen – etwas, das immer noch in Douglas nagt.

Als Kind machte er Bekanntschaft mit Antisemitismus: »Eines Tages kam ich mit einer blutigen Nase nach Hause. Meine Mutter wollte wissen, was geschehen sei. Ich sagte, dass andere Kinder mich verprügelt hatten. ›Sie sagten, dass ich Jesus Christus umgebracht habe. Und ich weiß doch nicht einmal, wer das ist.‹«

Er ist ein so aufgeweckter Junge, dass die jüdische Gemeinde beschließt, für ihn zusammenzulegen, um ihm eine Ausbildung zum Rabbiner zu finanzieren. Doch er hat schon mit zwölf andere Pläne. Seit einer Schultheateraufführung will er Schauspieler werden. Er schafft es an ein College, verdient sich die Studiengebühren, indem er als Hausmeister, Gärtner und Preisringer auf Rummelplätzen schuftet, bis er ein Stipendium für die renommierte New Yorker American Academy of Dramatic Arts erhält.

Nach Kriegsausbruch dient er zwei Jahre lang bei der Marine, ehe er in New York am Theater landet. Seine allererste Rolle: Er spricht hinter der Bühne ein einziges Wort, als Echo eines Schauspielers, den man im Unterschied zu ihm sieht. Doch er ist zufrieden: »Ich habe den Vorteil, in so elende Armut hineingeboren worden zu sein, dass es für mich nur aufwärts gehen konnte. Ich hatte niemanden, mit dem ich mich messen konnte. Wenn aus mir irgendwann ein Warenhausmanager geworden wäre, hätte ich gedacht, wie gut es mir ginge.«

Hollywood Dann kommt es zu einem dieser Glücksfälle, die ein Leben erst auf die ihm zugedachte Spur bringen. Lauren Bacall, mit der er sich an der Schauspielschule angefreundet hat und die mittlerweile in Hollywood zum Star geworden ist, macht 1946 den Filmproduzenten Hal Wallis, der die männliche Hauptrolle in Die seltsame Liebe der Martha Ivers zu besetzen hat, auf ihn aufmerksam. Der Film Noir wird gleich sein Durchbruch. Schon drei Jahre später wird Douglas nach einem furiosen Auftritt in dem Boxer-Drama Champion zum ersten Mal für einen Oscar als bester Schauspieler nominiert.

Seine Art, seine Rollen anzugehen, ist recht ungewöhnlich für die Zeit. Er wühlt sich mit jeder Faser seines Bewusstseins in die Figuren, die er spielt, kennt die Drehbücher in- und auswendig statt nur seinen eigenen Text und legt sich mit Regisseuren an, wenn ihm etwas unglaubwürdig erscheint. Dass er jedes Mal spielt, als ginge es um sein Leben, gibt ihm eine Intensität, die einem heute oft ein wenig übertrieben erscheint. Dazu kommt sein umwerfendes Aussehen: das markanteste Kinn der Filmgeschichte, magnetische Augen, ein überaus gut trainierter Körper, den er gerne herzeigt. Kerle wie er werden in Hollywood schon lange nicht mehr gebaut.

Auch deshalb verkörperte er oft XL-Männer: Spartacus, der einen Sklavenaufstand gegen die Römer anführt; den Maler Vincent van Gogh, der im Wahnsinn versinkt; den Cowboy Jack Burns, der sich in Einsam sind die Tapferen ins Gefängnis einsperren lässt, um seinen Freund zu befreien; den David O. Selznick nachempfundenen Filmproduzenten Jonathan Shields in Vincente Minnellis Melodram Stadt der Illusionen; den unglücklichen Colonel Dax in Stanley Kubricks Wege zum Ruhm und in Melville Shavelsons Der Schatten des Giganten von 1966 den amerikanischen Colonel Mickey Marcus, der sich der israelischen Armee anschließt und im Unabhängigkeitskrieg sein Leben verliert.

Kirk Douglas spielte Männer noch so, wie sie im Gegenwartskino nicht mehr sein können: virile Kraftprotze, die nicht nur Action machen, sondern an höhere Ideale glauben, Draufgänger, die so prinzipiell und maximalistisch sind, dass man sich beim Wiedersehen seiner Filme manchmal ein wenig dafür schämt, wie geschmeidig und minimalistisch die Gegenwart geworden ist.

Judentum Zu seiner Jüdischkeit hat Kirk Douglas erst spät gefunden. Mit 14 Jahren sah er in einem Schulbuch ein Bild, dessen Schrecken er bis heute heraufbeschwören kann: »Abraham mit einem langen Bart, einen Arm ausgestreckt, in der Hand ein großes Messer, im anderen Arm einen erschrockenen kleinen Jungen. Und dieser Junge sah mir entsetzlich ähnlich.« Danach nahm er lange Zeit Abstand von der Religion und der jüdischen Kultur.

Erst als ihn sein Sohn Michael eines Tages fragte, woher sein Großvater gekommen sei, begann er, sich mit seinen Vorfahren zu beschäftigen. Und dann ging ihm bei einem Blick auf die Chagall-Lithografien mit biblischen Motiven, die in seinem Schlafzimmer hingen, etwas auf: »Das hier waren meine Vorfahren! Und was für welche – Moses, Abraham, Jakob und so viele andere! Ich begann, über sie zu lesen, und je mehr ich über sie las, desto glücklicher wurde ich. Sie kamen alle aus dysfunktionalen Familien. Sie hatten alle Probleme. Kain tötet Abel. Josef wird von seinen Brüdern in die Sklaverei verkauft. König David sieht die wunderschöne nackte Bathseba, wie sie sich wäscht. Sie ist eine verheiratete Frau. Und im nächsten Moment trägt sie sein Kind aus, und ihr Mann ist tot. Ein Sünder nach dem anderen, und dennoch haben sie alle Hindernisse überwunden und Großes geschaffen! Was für eine Inspiration für einen Sünder wie mich! Dann fand ich heraus, dass Chagall, ein russischer Jude, aus derselben Gegend kam wie meine Eltern. Tatsache ist, dass mein Vater und Chagall ungefähr zur selben Zeit ausgewandert sind. Chagall wurde ein berühmter Maler in Paris, mein Vater ein Lumpensammler in Amsterdam, New York. Juden haben die unterschiedlichsten Talente.«

Tora Nach seinem Helikopterunfall im Jahr 1991, bei dem zwei sehr viel jüngere Männer ums Leben kamen, begann Douglas, sich intensiv mit der Tora auseinanderzusetzen. Seine zweite Frau Anne, mit der er seit 52 Jahren verheiratet ist, konvertierte ihm zuliebe zum Judentum (»Er sollte nicht bloß mit Schicksen verheiratet sein«). Und er nimmt seine Pflicht, ein guter Mensch zu sein, sehr ernst: Die Stiftung der Eheleute hat mittlerweile viele Millionen für wohltätige Zwecke gespendet und zum Beispiel über 400 Kinderspielplätze in Los Angeles errichten lassen. Zedaka ist für Douglas eine Verpflichtung: Vergangenes Jahr hat er große Teile seines Vermögens für wohltätige Zwecke verschenkt. Über 80 Millionen Dollar.

Er hat es geschafft, seinen Söhnen und Enkeln ein guter Vater und Großvater zu sein, der keine Angst vor Nähe und Gefühlen hat. Er schreibt leidlich gute Bücher – Memoiren, Krimis, Essays über den Sinn des Lebens. Sein neuestes Projekt: ein Buch mit eigenen hebräischen Gedichten. So könnte alles gut sein in seinem Hundertjährigenleben. Wenn da nicht Trump wäre. Aber auch dessen Präsidentschaft wird er noch überleben. Mazal tov, Kirk Douglas. Bis 120 – und weit darüber hinaus!

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