Redezeit

»Israel ist ein normales Land«

Dror Zahavi Foto: Stephan Pramme

Redezeit

»Israel ist ein normales Land«

Der Regisseur Dror Zahavi über den Film »Herbe Mischung«, den Mord an Yitzhak Rabin und eine pessimistische Aussicht

von Katrin Richter  03.11.2015 08:53 Uhr

Herr Zahavi, am 4. November ist Ihr Film Herbe Mischung in der ARD zu sehen. Worum geht es?
Es ist eigentlich die Geschichte der Autorin Annabel Wahba. Sie hat als Journalistin für die ZEIT in Israel gearbeitet, hatte einen israelischen Freund...

… wie das Paar im Film – Benni und Zahra. Er hat israelische, sie ägyptische Wurzeln. Beide fahren nach Israel und stoßen dort auf allerlei kulturelle Hindernisse – hauptsächlich in Bennis Familie. Kennen Sie Geschichten wie diese persönlich?
Ich fühlte mich sehr mit der Figur des Benni verwandt. Ich bin damals auch mehr vor meiner Familie als vor allem anderen geflohen. Aber Familie ist nun einmal Familie. Aber für mich war noch eine andere Sache wichtig, nämlich einen Film zu drehen, der frei ist von der deutsch-jüdischen Schuld- und Angstkultur. »Herbe Mischung« ist ein Film, der auch über das Thema lacht und der keine Angst hat, mit politisch unkorrekten Äußerungen umzugehen und die Israelis mit Alltagasrassismus und Chauvinismus zeigt, wie sie manchmal sein können. Das macht uns Juden menschlicher. Viele Filme zeigen das nicht.

Ist denn das deutsche Publikum schon bereit für Überspitzungen und Ironie, wenn es um die deutsch-israelischen Beziehungen geht?
Ich glaube, es ist an der Zeit zu zeigen, dass Israel ein ganz normales Land ist. Die, die pro Israel sind, denken immer, dass alles ganz toll ist. Die, die anti Israel sind, finden alles schlimm. Dass aber weder das eine noch das andere stimmt, sondern, dass Israel ein normales Land ist mit Leuten, die mit dem einen besser, mit dem anderen schlechter umgehen können, wissen vielleicht nicht alle. Ich möchte auch etwas provozieren. Der Film ist ein Film über Angst. Angst erzeugt Hass, erzeugt Abgrenzung, erzeugt Vorurteile.

Wie sehen Sie Israel aus der Ferne?

Der Film läuft am 4. November. Am 4. November 1995 wurde Yitzhak Rabin ermordet. Was Israel in diesen 20 Jahren gemacht hat, ist der Prozess, der auch in mir abgelaufen ist. Am 4. November 1995 standen 400.000 Menschen in Tel Aviv und jubelten Rabin zu, weil er die Osloer Verträge unterschrieben hatte. Es war eine Zeit, in der auch viele an wirtschaftlichen Aufschwung dachten und an Frieden. Seitdem glauben die Menschen nicht mehr, dass sich etwas ändern wird. Im Gegenteil, dass alles so bleiben wird und dass es ein Kampf der Religionen ist. Ich liebe mein Land und mir tut es weh, zu sehen, wie es von einer rechten Regierung nach der anderen kaputt gemacht wird. Als liberaler Mensch muss man dagegen aufstehen und sagen: Da mache ich nicht mit.

Wie wird es in 20 Jahren aussehen? Vermuten Sie mal.

Ich bin auch gerade sehr pessimistisch, obwohl ich es nicht sein will, aber manchmal denke ich, dass eine große Katastrophe kommen wird. Der Hass ist so groß. Leute, die mit Messern auf andere losgehen. 13-Jährige, die 13-Jährige erstechen. Das zeigt einen Gemütszustand, von dem es mir in diesem Moment schwer fällt, mir vorzustellen, wie es in 20 Jahren aussehen wird.

Mit dem Regisseur sprach Katrin Richter.

Lesen Sie auch unseren TV-Tipp zu »Herbe Mischung«
www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/23688

Hollywood

Ist Timothée Chalamet der neue Leonardo DiCaprio?

Er gilt aktuell als einer der gefragtesten Schauspieler. Seine Karriere weckt Erinnerungen an den Durchbruch des berühmten Hollywood-Stars - der ihm einen wegweisenden Rat mitgab

von Sabrina Szameitat  22.12.2025

Didaktik

Etwas weniger einseitig

Das Israel-Bild in deutschen Schulbüchern hat sich seit 2015 leicht verbessert. Doch der 7. Oktober bringt neue Herausforderungen

von Geneviève Hesse  22.12.2025

Meinung

Der Missbrauch von Anne Frank und die Liebe zu toten Juden

In einem Potsdamer Museum stellt der Maler Costantino Ciervo das jüdische Mädchen mit einer Kufiya dar. So wird aus einem Schoa-Opfer eine universelle Mahnfigur, die vor allem eines leisten soll: die moralische Anklage Israels

von Daniel Neumann  21.12.2025

Film

Spannend, sinnlich, anspruchsvoll: »Der Medicus 2«

Nach zwölf Jahren kommt nun die Fortsetzung des Weltbestsellers ins Kino

von Peter Claus  21.12.2025

Gastbeitrag

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum schweigt ihr?

Jan Grabowski fragt die deutschen Historiker, warum sie es unwidersprochen stehen lassen, wenn ein Holocaust-Experte für seine Forschungsarbeit diskreditiert wird

von Jan Grabowski  21.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Glosse

Das kleine Glück

Was unsere Autorin Andrea Kiewel mit den Produkten der Berliner Bäckerei »Zeit für Brot« in Tel Aviv vereint

von Andrea Kiewel  20.12.2025

Aufgegabelt

Apfel-Beignets

Rezept der Woche

von Katrin Richter  20.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Ab jetzt nur noch mit Print-Abo oder Es gibt viele Gründe, auf 2026 anzustoßen

von Katrin Richter  20.12.2025