Paul Auster

Intellektuelle Ohrfeige

Paul Auster Foto: picture alliance / Pacific Press

Paul Auster

Intellektuelle Ohrfeige

Der Schriftsteller Paul Auster zeigt in seinem neuen Essay-Buch »Bloodbath Nation« wozu Waffenbesitz führen kann

von Katrin Richter  22.03.2024 10:03 Uhr

Der Name von David Rosenthal steht in Druckbuchstaben auf einem Davidstern – darunter ein Herz. Darüber und daneben kleben noch zehn weitere Namen auf der langen Fensterfront der Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh. In dem Haus, das am 27. Oktober 2018 Schauplatz eines der schlimmsten antisemitischen Hassverbrechen in der Geschichte der USA wurde, ist kein Leben mehr. Das Gebäude steht leer. Nur noch die Davidsterne erinnern an die elf Menschen, die von einem Mann erschossen wurden, weil er Juden hasste.

Der Walmart in El Paso, in dem es am 3. August 2019 sogar 23 Tote und 23 Verletzte gab, ist blank geputzt, die Gänge sind steril-schweigend. Und das Umpqua Community College in Roseburg/Oregon, wo am 1. Oktober 2015 bei einem Amoklauf zehn Menschen ums Leben kamen, wurde abgerissen und durch ein neues ersetzt. Die Synagoge, ein Supermarkt, ein College: Dies sind nur drei von unzähligen weiteren Tatorten, die im Essay Bloodbath Nation des bekannten Schriftstellers Paul Auster und in Fotografien von Spencer Ostrander erwähnt werden.

Es sind fürchterliche Beschreibungen, grausame Taten und kalte Bilder – aber dies ist das vielleicht wichtigste Buch, das wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen in den USA erschienen ist. Wenn Auster über Westernfilme, den Zweiten Zusatzartikel zur Verfassung (der es verbietet, das Recht auf Besitz und Tragen von Waffen einzuschränken) und eine Unterhaltung mit einem befreundeten Notfallmediziner nachdenkt, ist es ein Sog aus Familiengeheimnissen, Kopfschütteln und auch Ekel, der das Werk unverzichtbar macht, um die Argumente derjenigen zu entlarven, die Waffenbesitz tolerieren.

Es zeigt sich, dass Menschen, die sich Waffen besorgen, um andere wegen ihrer Religion zu ermorden, weil diese gemeinsam feiern oder einfach nur, weil jemand einem »verdächtig« vorkam – 2012 erschoss der 28-jährige George Zimmerman den 17-jährigen Trayvon Martin aus diesem Grund –, keine harmlosen »Schützen« sind.

Es zeigt sich auch, dass die, die durch das Eingreifen mit ihrer Waffe bei Attentaten vielleicht Schlimmeres verhinderten, von Politikern als Helden gefeiert werden, die sonst mit der National Rifle Association kuscheln. Dieses Buch wirkt wie eine intellektuelle Ohrfeige. Vielleicht werden es diejenigen, die den Zweiten Zusatzartikel zitieren, nicht lesen. Alle Menschen mit Verstand sollten es aber tun.

Paul Auster: »Bloodbath Nation«. Mit Fotografien von Spencer Ostrander. Aus dem Englischen von Werner Schmitz. Rowohlt, Hamburg 2024, 192 S., 26 €

Eurovision Song Contest

CDU-Politiker: ESC-Boykott, wenn Israel nicht auftreten darf

Steffen Bilger fordert: Sollte Israel vom ESC ausgeschlossen werden, müsse auch Deutschland fernbleiben. Er warnt vor wachsenden kulturellen Boykottaufrufen gegen den jüdischen Staat

 18.09.2025

Ehrung

Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland für Tamar Halperin

Die in Deutschland lebende israelische Pianistin ist eine von 25 Personen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 1. Oktober ehrt

von Imanuel Marcus  18.09.2025

Ausstellung

Liebermann-Villa zeigt Architektur-Fotografien jüdischer Landhäuser

Unter dem Titel »Vision und Illusion« werden ab Samstag Aufnahmen gezeigt, die im Rahmen des an der University of Oxford angesiedelten »Jewish Country Houses Project« entstanden sind

 18.09.2025

Debatte

Rafael Seligmann: Juden nicht wie »Exoten« behandeln

Mehr Normalität im Umgang miteinander - das wünscht sich Autor Rafael Seligmann für Juden und Nichtjuden in Deutschland. Mit Blick auf den Gaza-Krieg mahnt er, auch diplomatisch weiter nach einer Lösung zu suchen

 18.09.2025

Kino

Blick auf die Denkerin

50 Jahre nach Hannah Arendts Tod beleuchtet eine Doku das Leben der Philosophin

von Jens Balkenborg  18.09.2025

»Long Story Short«

Die Schwoopers

Lachen, weinen, glotzen: Die Serie von Raphael Bob-Waksberg ist ein unterhaltsamer Streaming-Marathon für alle, die nach den Feiertagen immer noch Lust auf jüdische Familie haben

von Katrin Richter  18.09.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 18. September bis zum 2. Oktober

 18.09.2025

Fußball

Mainz 05 und Ex-Spieler El Ghazi suchen gütliche Einigung

Das Arbeitsgericht Mainz hatte im vergangenen Juli die von Mainz 05 ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt

 18.09.2025

Hochstapler

»Tinder Swindler« in Georgien verhaftet

Der aus der Netflix-Doku bekannte Shimon Hayut wurde auf Antrag von Interpol am Flughafen festgenommen

 18.09.2025