Kino

In den Straßen des Weddings

»Für die Deutschen bin ich ein Kanake, für die Türken ein Jude und für die Juden ein krimineller Weddinger«, so beschreibt der 16-jährige Iraner Soheil seine Lebensrealität in Berlin. Nach dem beschaulichen Göttingen ist nun der Wedding sein Zuhause, eine Szene, die ihm gänzlich fremd ist. Auf dem Fußballplatz muss er feststellen, dass das Ballspiel zweitrangig ist, denn hier trifft sich eine Straßengang, die sich selbst zuerst durch den Widerspruch definiert.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Da sind zum einen die Eltern, die sich für ihre Kinder einen ganz spezifischen Lebensweg vorstellen, den es in Deutschland für sie gar nicht gibt. Dann die deutsche etablierte Gesellschaft, die sie zwar wahrnimmt, ihnen aber jegliche Chancen verweigert, einmal wirklich dazuzugehören, und dann die Gangs aus den anderen Vierteln, die Feindschaft anhand fiktiver Segregationslinien aufbauen.

So kommt es, dass die Weddinger die Kreuzberger hassen, unter sich aber Freundschaften zwischen Türken und Kurden zulassen können. Soheil muss aber schnell erkennen, dass das nicht für Juden gilt. Deshalb legt er den Davidstern ebenso schnell wieder ab, wie er ihn, in der Hoffnung auf interkulturelle Toleranz, angelegt hatte.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Soheil lernt schnell. Er passt seine Sprache dem Straßenslang an, zieht mit der Gang um die Häuser und beginnt sich als Sprayer zu betätigen. Seine Tags sind cool, King Star ist sein Pseudonym. Er will unbedingt dazugehören, sticht bei einer Schlägerei mit den Kreuzbergern als Erster zu und verletzt seinen Gegner am Bein. Die Rache lässt nicht lange auf sich warten.

Aber sein Status in der Gang wächst. Das Mädchen seiner Träume erhört ihn und alle sagen »Bruder« zu ihm. Um nicht weiter aufzufallen, geht er sogar mit in die Moschee. Doch eines Tages holt seine Freundin ein Kleid in der Schneiderei des Vaters ab und trifft dort auf die jüdischen Verwandten aus Tel Aviv. Bevor es sich rumspricht, outet er sich offen als Jude und steht plötzlich zwischen allen Fronten. Aber er will kämpfen für seine Identität, notfalls auch als Soldat in Israel.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Damir Lukačević kam als Vierjähriger mit seinen Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland und drehte schon während der Schulzeit Super-8-Filme. Immer wieder wird die Frage von Heimat und Identität thematisiert, vor dem Hintergrund ethnischer und religiöser Unterschiede. Bei der Arbeit an seiner Dokumentation »Willst Du Stress oder was?« über die Lebenswelten von Jugendlichen im Wedding, entdeckte Lukačević die Autobiografie von Arye Sharuz Shalicar »Ein nasser Hund ist besser als ein trockener Jude«.

Darin schildert der ehemalige Hip-Hopper seine Jugend als Jude unter Muslimen im Wedding. Sein Film ist in den bestimmenden Rollen mit Laien besetzt, die sich zum Großteil selber spielen. Dadurch gewinnt der Film eine große Authentizität bei gleichzeitiger dramatischer Schärfe und bleibt nicht auf der Ebene eines bewegenden Sozialdramas im Fernsehformat, das Lukačević durchaus auch bedienen kann, stecken.

Fazit: Shalicars Buch, das 2010 veröffentlicht wurde, war bereits äußerst lesenswert. Dasselbe gilt für die Verfilmung des Buches. Mindestens. »Ein nasser Hund« ist absolut sehenswert! us/ja

Ab heute im Kino!

Film

Künstlerischer Extremismus

Im Thriller »How to Blow Up a Pipeline« widmet sich Regisseur Daniel Goldhaber gewalttätigen Umweltaktivisten in Texas

von Jens Balkenborg  08.06.2023

Musik

Der Hyperaktive

Omer Meir Wellber wird Generalmusikdirektor der Hamburger Staatsoper. Ein Porträt

von Stephen Tree  08.06.2023

Glosse

Der Rest der Welt

Begegnungen der dritten Art oder Mit Israelis im Fitnessstudio

von Ayala Goldmann  08.06.2023

Studie

Hoffnung für Blutkrebspatienten

Israelischen Forschern gelingt bahnbrechender Durchbruch in der Behandlung des Multiplen Myeloms

von Lilly Wolter  08.06.2023

Hollywood

Harrison Ford am »Captain America«-Drehset

Er schlüpft in die Rolle des schnurrbärtigen Generals Thaddeus Ross

 07.06.2023

Zahl der Woche

Wie viel Liter Milch produziert eine Kuh in Israel durchschnittlich pro Jahr?

Fun Facts und Wissenswertes

 06.06.2023

Film

Mit Kälte beobachtet

In Cannes wurde »The Zone of Interest« über den Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet

von Patrick Heidmann  06.06.2023

Dialog

Igor Levit wird mit Buber-Rosenzweig-Medaille geehrt

Gewürdigt wird sein Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus

 06.06.2023

Glosse

Der Rest der Welt

Warum ich Steven Spielbergs Entschuldigung annehme

von Joshua Schultheis  06.06.2023