Rap

Ich-Maschine gegen Corona-Angst

Der kanadisch-jüdische Rapper Drake Foto: dpa

Rap

Ich-Maschine gegen Corona-Angst

Das Mixtape von Drake geht in den USA durch die Decke – und bietet einen Vorgeschmack auf das nächste Album

von Dennis Sand  11.06.2020 10:19 Uhr

Man mag es angesichts der Krisenmeldungen in den vergangenen Wochen noch gar nicht so richtig glauben, aber es ist amtlich: Der Sommer, ja, unser Sommer ist gerettet. Nach beinahe zweijähriger Abstinenz kündigt der größte Popstar der Gegenwart ein neues Album an. Und wenn es irgendwen auf dieser Welt gibt, der es schafft, die von Weltwirtschaftskrise, Lockdown und Virenhypochondrie gebeutelte Welt ein klein wenig von sich selbst abzulenken, dann ist das Drake.

Denn Drake ist die vielleicht größte Ich-Maschine unserer Zeit, und wenn Drake ein Album macht, dann wird sich das Album so sehr um Drake drehen, dass dort überhaupt kein Platz mehr ist für all das andere, was die Menschheit sonst noch so beschäftigen könnte.

SPIELWIESE Und weil Drake nicht nur Ego, sondern auch Genie besitzt, mag die Prognose erlaubt sein, dass das erneut wieder ziemlich gut klingen wird. Es gibt Indizien, die dafür sprechen. Etwa sein neues, unangekündigtes Mixtape, die Dark Lane Demo Tapes, mit dem er die Promophase für das Album eingeleitet hat. Das Mixtape zählt zu den schönsten popkulturellen Artefakten unserer Gegenwart. Wurde der Begriff ursprünglich für eine selbst aufgenommene Kompilation unterschiedlicher Songs auf der klassischen Kassette verwendet, bezeichnet er in der Hip-Hop-Terminologie ein ganz eigenes Longplayer-Format zwischen EP und Album.

Ein homogenes Soundbild, sphärische 90er-Synthies, gewürzt mit jeder Menge oberflächlichem Gossip.

Das Mixtape ist für viele Künstler eine Spielwiese, auf der sie sich gelöst von den Zwängen und Mechanismen eines Albumreleases ausprobieren können. Wo Songs keine Songs, sondern bloß auch mal Skizzen bleiben, wo man sich an fremden Beats oder außergewöhnlichen Musikstilen probieren kann und zusammenmischt, was eigentlich gar nicht zusammengehört. Die meisten Mixtapes werden kostenlos zum digitalen Download veröffentlicht und unterliegen somit nicht der kommerziellen Verwertungslogik einer klassischen Single oder eines Albums.

FINGERÜBUNG Diese Freiheit scheint nicht wenige Künstler so sehr zu beflügeln, dass es gerade im US-Rap so einige Interpreten gibt, die sehr viel bessere Mixtapes als Alben in ihrem Gesamtwerk verzeichnen können. Drake gehört nicht zu ihnen. Dennoch veröffentlicht der 33-jährige Superstar mit den Dark Lane Demo Tapes sein nunmehr fünftes Tape als kleinen Vorgeschmack auf das angekündigte Album. Auf den Demo Tapes hat Drake alte Aufnahmen, die bereits im Internet kursierten, frisch eingespielt und diese mit neuen, bislang unbekannten Songs vermengt. Experimente gibt es hier so gut wie keine, und was ein Perfektionist wie Drake ein Mixtape nennt, würden seine Konkurrenten mit Kusshand als gewöhnliches Album in ihre Diskografie aufnehmen.

Und dennoch: Man kann die Demo Tapes durchaus als kleine Fingerübung verstehen, in der Drake in einer knappen Stunde Spielzeit einmal mehr sein paradigmatisches Erfolgsgeheimnis durchexer­ziert: ein homogenes Soundbild, sphärische 90er-Synthies, gewürzt mit jeder Menge oberflächlichem Gossip.

TIKTOK Mit »Toosie Slide« liefert er den gewohnten Radio-Überhit und im Video dazu eine für die virale Verbreitung via TikTok und Co. maßgeschneiderte Choreografie. Dennoch bietet er für die Musikliebhaber und Nerds durchaus einige ungewöhnliche Drill-Ausflüge zum Ende des Albums (»Demons«, »War«) und jede Menge popkultureller Referenzen und Querverweise (etwa auf Eminems »Superman« in seinem »Chicago Freestyle«).

Drake schnürt im Mixtape-Format ein Wohlfühlpaket sowohl für den Mainstream-Fan als auch für den Hardcore-Nerd und bleibt in seinen besten Momenten so unbeschwert und spielfreudig, dass man sich mit den 14 angebotenen Songs mehr als gut durch den Sommer tragen lassen und die Corona-Angst für die einstündige Spielzeit guten Gewissens vergessen kann. Die Erwartungen in sein Album schmälert das nicht.

Medien

Leon de Winter wird Kolumnist bei der »Welt«

Bekannt wurde er vor mehr als 30 Jahren mit Romanen wie »Hoffmanns Hunger«. Jetzt will der niederländische Autor Leon de Winter in Deutschland vermehrt als Kolumnist von sich hören lassen

von Christoph Driessen  29.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  29.04.2025

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  29.04.2025

Berlin

Antisemitismusbeauftragter für alle Hochschulen soll kommen

Details würden derzeit noch im Senat besprochen, sagte Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra

 29.04.2025

Jerusalem

Seltenes antikes Steinkapitell wird in Israel ausgestellt

Ein Fund aus dem Jahr 2020 gibt israelischen Archäologen Rätsel auf. Die Besonderheit des Steinkapitells aus römischer Zeit: Es ist mit einem mehrarmigen Leuchter - im Judentum Menorah genannt - verziert

 29.04.2025

Berlin

Jüdisches Museum erforscht Audio-Archiv von »Shoah«-Regisseur

Claude Lanzmann hat mit seiner epochalen Dokumentation »Shoah« Geschichte geschrieben. Das Jüdische Museum Berlin nimmt ein Doppeljubiläum zum Anlass, um das umfangreiche Recherchematerial des Regisseurs zu erschließen

von Alexander Riedel  29.04.2025

Köln

»Charlie Hebdo«-Überlebender stellt Comic zu NS-Raubkunst vor

»Zwei Halbakte« heißt ein 1919 entstandenes Gemälde von Otto Mueller. Die Geschichte des Kunstwerks hat der französische Zeichner Luz als Graphic Novel aufgearbeitet. Mit teils sehr persönlichen Zugängen

von Joachim Heinz  28.04.2025

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025