Heidelberg

Heimat in Zeiten der Globalisierung

Martin Schulz (M.) in der Bibliothek der HfJS Foto: Philipp Rothe

Im Rahmen der Reihe »Heidelberger Hochschulreden« der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg (HfJS) sprach am vergangenen Donnerstag der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, in der Neuen Aula der Heidelberger Universität über das Thema »Heimat, Flucht und Identität in Zeiten der Globalisierung«.

Den Anlass bildete, wie könnte es anders sein, die gegenwärtige Flüchtlingskrise. In seiner Rede dankte der SPD-Politiker gleich zu Anfang dem anwesenden Zentralratspräsidenten Josef Schuster dafür, »dass er sich mit klaren Worten für Flüchtlinge eingesetzt und sich gegen die pauschale Verurteilung des Islam ausgesprochen hat«.

Schoa »Wo könnte man besser nachdenken, über die Fragen von Heimat, Flucht und Identität, als an einer jüdischen Hochschule«, meinte Schulz. »Denn es ist das Judentum und das jüdische Volk, das in seiner Geschichte immer wieder schmerzhaft Vertreibung, Pogrome und sogar den schlimmsten Zivilisationsbruch in der Geschichte der Menschheit – die Schoa – hat durchleiden müssen. Wer könnte empathischer sein als jene Religionsgruppe, die immer wieder schlimmer Hetze ausgesetzt war und als Sündenbock für alles und jeden herhalten musste und muss?«

Der EU-Parlamentspräsident räumte ein, dass Heimat nach wie vor ein essenzielles menschliches Bedürfnis ist, ergänzte aber, dass sich die Definition von Heimat im Zeitalter der Globalisierung verändere und erweitere: »Heimat ist nicht mehr streng lokal, obwohl Identifikation natürlich weiterhin im lokalen Kontext stattfindet. Heimat und Identität sind heute vor allem das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Wertegemeinschaft. Kann man sich mit dieser Wertegemeinschaft identifizieren, so wird man auch als Teil dieser Wertegemeinschaft von anderen identifiziert.« Diese Wertegemeinschaft, das ist für Schulz, natürlich, die Europäische Union.

Dem sozusagen althergebrachten Heimatbegriff, wie ihn AfD, Pegida und andere Rechtspopulisten verträten, erteilte er eine klare Absage und stellte die Frage: »Sind wir bereit, zu akzeptieren, dass sich unser Bild von Europa weiter verändert? Sind wir bereit, zu akzeptieren, dass Europa schon lange eine Einwanderungsregion ist? Und sind wir willens, diesen Prozess gemeinsam auf europäischer Ebene zu steuern?«

Europa Wie dieses Europa aussehen soll, fasste Schulz in dem Satz zusammen: »Europa muss ein Europa der Menschlichkeit sein.« Was das konkret heißen soll, erklärte er so: »Wir brauchen ein gerechtes und geregeltes europäisches Asylsystem. Wir brauchen eine gerechte, geregelte und kohärente europäische Einwanderungspolitik. Und wir brauchen gesellschaftliche Institutionen, die die Integration der Neuankömmlinge steuern.« Wie ein solches Asylsystem aussähe, wie man die übrigen EU-Länder mit ins Boot holt und was zu tun ist, wenn die Integration von Millionen Einwanderern doch nicht so glatt läuft wie gewünscht – diese Fragen blieben leider offen.

Zum Schluss betonte der prominente Gast noch einmal: »Jüdische Intellektuelle haben unser Land geprägt, und ihr Ruhm färbt noch heute auf uns ab, wirkt in unsere gemeinschaftliche Identität hinein. Besonders haben uns Juden in beeindruckender Weise vorgelebt, was Toleranz, Akzeptanz und Vergebung bedeuten. Auf der Basis dieses Vertrauensvorschusses – für den ich dankbar bin – war es meiner Generation möglich, in Würde das zu werden, was wir sind.«

Seine Rede schloss Martin Schulz mit den Worten: »Die Flüchtlinge machen uns stärker, indem sie uns helfen, uns selbst zu reflektieren. Sie helfen uns, unseren Narrativ wieder lauter zu hören. Was die Flüchtlinge mit zu uns bringen, ist wertvoller als Gold. Es ist etwas, was wir in den letzten Jahren wohl irgendwo auf dem Weg verloren haben: Es ist die Überzeugung, ja der unbeirrbare Glaube an den Traum von Europa.« ja

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  06.05.2025

Literatur

Der Verschollene

Daniel Kehlmann entdeckt in einem wunderbaren Essay den Romancier Leo Perutz auf überraschende Weise neu

von Marko Martin  06.05.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Import-Export oder Was ich aus Israel brauche

von Katrin Richter  06.05.2025

Eurovision Song Contest

Israelische Sängerin Yuval Raphael wird von der Schweiz nicht extra geschützt

Die Basler Sicherheitsbehörden wissen um die angespannte Lage, das Sicherheitsrisiko in der Schweiz ist hoch

von Nicole Dreyfus  06.05.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  05.05.2025

Bergen-Belsen

»Der Holocaust wird als Kulisse benutzt, um Israel anzugreifen«

Menachem Rosensaft ist verstört über ein Theaterstück, in dem die Lage von jüdischen Schoa-Überlebenden in Displaced-Persons-Camps mit der von Palästinensern verglichen wird

von Michael Thaidigsmann  05.05.2025

Potsdam

31. Jüdisches Filmfestival Berlin Brandenburg wird eröffnet

Der Spielfilmwettbewerb präsentiert internationale Produktionen, vom ersten in Israel produzierten Film eines beduinischen Regisseurs bis hin zu einem Neo-Western mit einem Rabbi als Actionheld

 05.05.2025

Interview

»Die ganze Bandbreite«

Programmdirektorin Lea Wohl von Haselberg über das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg und israelisches Kino nach dem 7. Oktober

von Nicole Dreyfus  05.05.2025

Weltenbummler

Luca Pferdmenges ist der »German Travel Guy« mit gutem Geschmack

Er kennt 195 Länder und weitaus mehr Städte. Welche ist wohl seine Lieblingsstadt auf diesem Planeten?

von Frank Christiansen  05.05.2025