Hören!

Guter Jazz und schlechte Politik

In schöner Regelmäßigkeit bringt der in England lebende Israeli Gilad Atzmon Jazz-Alben heraus, die vom Publikum geliebt und von der Kritik gefeiert werden. Gerade ist seine neueste CD erschienen. Sie trägt den Titel The Tide Has Changed – deutsch: Die Gezeiten haben gewechselt – und bietet Hard-Bop mit nahöstlichen Anklängen. Die hohe Qualität der zehn Songs ist unüberhörbar. Der 1963 geborene Saxofonist bläst wie kaum ein anderer sein Instrument: Verdachtsdiagnose Pferdelunge!

Atzmon ist nicht nur ein gefeierter Saxofonist, er schreibt auch Romane und politische Essays. Die meisten von ihnen handeln von der »Besatzungspolitik Israels«, wie sie dort genannt wird. Insofern ist der Albumtitel The Tide Has Changed politisch gemeint. Atzmon glaubt, dass die Kritik an Israel inzwischen zu einer Flutwelle, einer Massenbewegung angeschwollen sei. Der Jazzer ist seinem Geburtsland alles andere als wohlgesonnen. Nicht zufällig heißt seine vierköpfige Band »Orient House Ensemble«. Das Orient House war bis zu seiner Schließung durch die Israelis 2001 die Zentrale der PLO in Jerusalem.

Atzmon gilt in Israel als unerwünschte Person, seit er die Führungsriege der Hamas persönlich getroffen hat. Auch mit seiner Familie, die seit sieben Generationen in Israel lebt, liegt er im Streit. »Mein Großvater war ein Terrorist des Irgun«, erzählt der Musiker. »Meine beiden Eltern sind in Palästina geboren. Mein Vater ist immer noch dort. Er ist ein einfältiger Zionist.«

Bei so viel jüdischem Selbsthass – anders kann man das nicht nennen – hat man Mühe, sich das virtuose Spiel des Saxofonisten nicht vergällen zu lassen. Aber angeblich hat ja selbst der Antisemit Richard Wagner ganz passable Musik gemacht.

Gilad Atzmon & The Orient House Ensemble: »The Tide Has Changed«. Word Village 2010/Harmonia Mundi

Kino

Düstere Dinosaurier, frisches Starfutter

Neuer »Jurassic World«-Film mit Scarlett Johansson läuft in Deutschland an

von Ronny Thorau  01.07.2025

Berlin

Ausstellung »Die Nazis waren ja nicht einfach weg« startet

Die Aufarbeitung der NS-Zeit hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Wendungen genommen. Eine neue Ausstellung in Berlin schaut mit dem Blick junger Menschen darauf zurück

von Lukas Philippi  01.07.2025

München

Fritz-Neuland-Gedächtnispreis gegen Antisemitismus erstmals verliehen

Als Anwalt stand Fritz Neuland in der NS-Zeit anderen Juden bei. In München wird ein nach ihm benannter Preis erstmals verliehen: an Polizisten und Juristen, die sich gegen Antisemitismus einsetzen

von Barbara Just  30.06.2025

Forschung

Digitales Archiv zu jüdischen Autoren in der NS-Zeit

Das Portal umfasst den Angaben zufolge derzeit rund eine Million gespeicherte Informationen

 30.06.2025

Medien

»Ostküsten-Geldadel«: Kontroverse um Holger Friedrich

Der Verleger der »Berliner Zeitung« irritiert mit seiner Wortwahl in Bezug auf den jüdischen Weltbühne-Gründer-Enkel Nicholas Jacobsohn. Kritiker sehen darin einen antisemitischen Code

von Ralf Balke  30.06.2025

Berlin

Mehr Bundesmittel für Jüdisches Museum

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer betonte, sichtbares jüdisches Leben gehöre zur Mitte der Gesellschaft

 30.06.2025

Großbritannien

Nach Anti-Israel-Eklat bei Glastonbury: BBC gibt Fehler zu

Ein Musiker wünscht während einer BBC-Übertragung dem israelischen Militär von der Festival-Bühne aus den Tod. Die Sendung läuft weiter. Erst auf wachsenden Druck hin entschuldigt sich die BBC

 30.06.2025

Glastonbury-Festival

Anti-Israel-Parolen: Britischer Premier fordert Erklärung

Ein Musiker beim Glastonbury-Festival in England fordert die Menge dazu auf, Israels Militär den Tod zu wünschen. Der Vorfall zieht weite Kreise

 30.06.2025

Essay

Die nützlichen Idioten der Hamas

Maxim Biller und der Eklat um seinen gelöschten Text bei der »ZEIT«: Ein Gast-Kommentar von »WELT«-Herausgeber Ulf Poschardt

von Ulf Poschardt  29.06.2025