Nachruf

Größer als das Leben

Zum Tod des legendären Hollywoodproduzenten Jerry Weintraub

von Jörg Taszman  07.07.2015 12:20 Uhr

Jerry Weintraub (1937–2015) Foto: dpa

Zum Tod des legendären Hollywoodproduzenten Jerry Weintraub

von Jörg Taszman  07.07.2015 12:20 Uhr

Als er zehn Jahre alt war, wurde Jerry Weintraub Zeuge, wie der Hollywood-Schauspieler Robert Mitchum im Haus gegenüber mitten in der Bronx verhaftet wurde. Die Polizei fand Mitchum im Bett mit zwei Frauen und zudem noch eine große Menge Haschisch.

Es war ein Skandal. Vor allem die jüdischen Mütter verurteilten diese Verrohung der Sitten. Als der kleine Jerry von einer entrüsteten Dame gefragt wurde, was er als guter amerikanische Junge von Mitchum halte, der mexikanische Zigaretten rauche, meinte er brav: »Ich schaue mir nie wieder seine Filme an.« Um die aufgeregte Dame dann aber doch zu provozieren, fügte der Zehnjährige hinzu: »Aber haben Sie das auch gehört? Mitchum ist jüdisch!«

Ocean’s Eleven Mit dieser Anekdote beginnt Jerry Weintraub seine Autobiografie When I Stop Talking, You’ll Know I’m Dead, die 2010 in den USA erschien. Sein Freund George Clooney lobte den Erfolgsproduzenten der Ocean’s Eleven-Trilogie dann auch im Klappentext als einen großen Geschichtenerzähler, dessen Anekdoten unerreicht sind.

Weintraub war einer der letzten großen Hollywoodproduzenten der alten Schule. Er lebte in einer riesigen Villa, besaß einen Rolls-Royce, einen Maserati und 45 Fernseher, um nie etwas zu verpassen. Er nannte Stars wie Natalie Portman und Brad Pitt seine Freunde.

Zu seinen letzten großen Erfolgen als Produzent gehörte der Film Liberace mit einem genialen Michael Douglas in der Hauptrolle des schillernden schwulen Entertainers. Als das US-Studio Warner Bros. es nicht wagte, den Stoff fürs Kino zu produzieren, rettete Weintraub das Projekt und ging zu Amerikas größtem Pay-TV-Sender HBO. Schwierige Themen reizten den Erfolgsproduzenten schon immer. So machte er die Mittel für Robert Altmans Nashville und William Friedkins Cruising locker. Geld verdiente er dann mit kommerziellen Filmen wie Karate Kid.

Der Filmproduzent war immer »larger than life«. Er lebte den amerikanischen Traum, machte in einer frühen Karriere als Musikimpresario und -produzent Sänger wie Bob Dylan und Elvis Presley zu Stars.

Kreml Dann wechselte er ins Filmgeschäft. Als einer der wenigen Mächtigen in Hollywood engagierte er sich für die Republikaner und zählte auch US-Präsident George Bush zu seinen engen Freunden. Weintraub konnte sehr großzügig sein. Er unterstützte Freunde und spendete viel Geld – auch für etliche jüdische Organisationen wie Chabad Lubawitsch. In seiner Autobiografie beschreibt er, wie er vor dem Fall des Eisernen Vorhangs mit dem Kreml über den Freikauf sowjetischer Juden verhandelte. So durfte er beim Begräbnis von Leonid Breschnew in der ersten Reihe sitzen.

Der Sohn eines jüdischen Juweliers wurde zwar in Brooklyn geboren, wuchs jedoch in der Bronx auf. Von seinem Vater lernte er, wie er einmal sagte: »Nur zwei Dinge sind am Ende einer Woche wichtig. Wie viel du der Bank schuldest und wie viel du auf dem Konto hast.«

Zu seinen Lieblingswitzen gehörte, wie er die Fortsetzung seiner Autobiografie nennen wollte: Dead But Still Talking. Jerry Weintraub im Alter von 77 Jahren in Kalifornien an Herzversagen gestorben.

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert