Zeitgeschichte

Grenze der Zivilisation

Der Jahrestag des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion bleibt ein Erinnerungsort an millionenfachen Tod und an das Überschreiten aller zivilisatorischer Schranken, an die sich kriegführende Staaten bis zu jenem 21. Juni 1941 gebunden fühlten. Vor 70 Jahren entfesselte Hitlers rassistisches »Lebensraumdenken« jenen Krieg, der selbst im Rahmen des Zweiten Weltkriegs eine Sonderstellung einnahm.

Wer sich in kompakter Form über das »Unternehmen Barbarossa« informieren will, greift am besten zu der aktualisierten Ausgabe des von Gerd R. Ueberschär und Wolfram Wette herausgegebenen Handbuchs Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. In ihm werden sowohl die militärischen Ereignisse als auch die wirtschaftliche Ausbeutung dargestellt. Wolfgang Hillgruber schreibt über den »Ostkrieg und die Judenvernichtung« und Christian Streit über die »Behandlung der sowjetischen Kriegsgefangenen«, die bei etwa zwei Millionen Opfern auch einen Vernichtungscharakter annahm. Der Dokumentenanhang enthält unbeschreibliche Texte, die die ideologische und politische Grundlage für die beschriebenen Verbrechen bilden.

Empathie Von der Darstellung der großen Zusammenhänge geht das Buch Blokada der britischen Osteuropaexpertin Anna Reid über die 872 Tage währende Blockade Leningrads durch die Wehrmacht zu einem Blick auf die betroffenen Menschen über. Die völkerrechtswidrige Aushungerungsblockade verursachte millionenfachen Tod und unendliches Leid bei den Überlebenden. Selbst in dieser Situation kam der stalinistische Terror nicht zum Halt, dem etwa der große russische Autor Daniil Charms zum Opfer fiel. Reid lässt die Betroffenen in Dokumenten und Interviews selbst zu Wort kommen und verbindet in ihrem sorgfältig recherchierten Buch brillante Geschichtsdarstellung mit tiefer Empathie.

Das gilt auch für die weißrussische Autorin Swetlana Alexijewitsch und ihr Buch Der Krieg hat kein weibliches Gesicht. Über eine Million Frauen haben während des Krieges in der Roten Armee gedient, nicht nur im Santätsdienst, sondern auch als Pilotinnen und Scharfschützinnen. Die vor Kurzem mit dem polnischen Ryszard-Kapuscinski-Preis für literarische Reportagen ausgezeichnete Autorin hat hunderte Veteraninnen interviewt und deren erschütternde Kriegserlebnisse aufgeschrieben.

Einen vertiefenden Blick auf den Krieg wirft der soeben erschienene Ausstellungskatalog Juni 1941 des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst. Er dokumentiert chronologisch die historischen Ereignisse und lässt sie – unterstützt von mehr als 250 Fotos – an 24 deutschen und russischen Lebensschicksalen deutlich werden, darunter Lew Kopelew, Joseph Beuys, Konrad Wolf und der jüdische Jazzmusiker Adolf (»Eddie«) Rosner.

Gerd R. Ueberschär/Wolfram Wette (Hg.): Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. Erweiterte Neuausgabe, S. Fischer, Frankfurt/M. 2011, 429 S., 12,99 €

Anna Reid: Blokada. Die Belagerung von Leningrad 1941–1944. Berlin Verlag 2011, 587 S., 35 €

Swetlana Alexijewitsch: Der Krieg hat kein weibliches Gesicht. BvT, Berlin 2004, 345 S., 11,90 €

Deutsch-Russisches Museum: Juni 1941 – Der tiefe Schnitt. Ch. Links, Berlin 2011, 192 S., 19,90

Los Angeles

Bestürzung über Tod von Rob Reiner und Ehefrau Michele

Der jüdische Regisseur und seine Frau wurden tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei behandelt den Fall als mögliches Tötungsdelikt

 15.12.2025

Justiz

Gericht: Melanie Müller zeigte mehrmals den Hitlergruß

Melanie Müller steht erneut vor Gericht: Die Schlagersängerin wehrt sich gegen das Urteil wegen Zeigens des Hitlergrußes und Drogenbesitzes. Was im Berufungsverfahren zur Debatte steht

von André Jahnke  14.12.2025

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  14.12.2025

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

von Christiane Oelrich  12.12.2025

Computerspiel

Lenny Kravitz wird James-Bond-Bösewicht

Als fieser Schurke will der Musiker im kommenden Jahr dem Agenten 007 das Leben schwer machen – allerdings nicht auf der Kinoleinwand

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Aufgegabelt

Latkes aus Dillgürkchen

Rezepte und Leckeres

 12.12.2025

Kulturkolumne

Lieber Chanukka als Weihnachtsstress?

Warum Juden es auch nicht besser haben – was sich spätestens an Pessach zeigen wird

von Maria Ossowski  12.12.2025

Kommerz

Geld oder Schokolade?

Der Brauch, an den Feiertagen um Münzen zu spielen, hat wenig mit den Makkabäern oder dem traditionellen Chanukkagelt zu tun. Der Ursprung liegt woanders

von Ayala Goldmann  12.12.2025