Interview

»Gegen Vorurteile«

Oliver Polak Foto: Daniel Josefsohn

Herr Polak, am Samstag findet in Berlin die Premiere Ihrer neuen Deutschlandtour statt. Auf wen oder was bezieht sich der Titel »Krankes Schwein«?
Das Motto »Krankes Schwein« hat sich so ergeben. Denn die Frage ist ja: Wer ist heutzutage eigentlich kein krankes Schwein? Natürlich trifft das auch auf mich selbst zu. Ich frage mich aber auch: Bin ich krank, oder ist die Gesellschaft krank, in der ich lebe? Selbstironie ist mir mindestens genauso wichtig wie Therapie. Ohne Ironie im Leben hätte man ein Problem.

Sie sind dafür bekannt, auf der Bühne hart auszuteilen. Wer bekommt bei der neuen Show diesmal sein Fett weg?
Wer sein Fett wegbekommt? In der Show geht es um Moral, Philosophie, Religion, Rassismus und Abtreibung. Ein Kernthema der Show ist auch Einsamkeit. Ein Problem ist zum Beispiel, dass nur noch auf Handys gestarrt wird. Früher gab es Probleme wie Krebs, Aids und andere Sorgen. Heute ist unser größtes Problem, ob wir 3G auf dem Handy haben.

Im Interview mit der Zeitung »Die Welt« haben Sie Stand-up-Comedians wie Cindy aus Marzahn heftig kritisiert. Warum?
Stand-up-Comedy ist in Deutschland eine total verkannte Kunstform. Bei Stand-up geht es ja darum zu unterhalten, sekundär Sichtweisen und Tabus zu hinterfragen, und im Idealfall kann Stand-up-Comedy eine Veränderung hervorrufen. Ich finde, dass die Künstler, die für die Stand-up-Comedy in Deutschland zuständig sind, auf ganzer Linie versagen.

Woran genau nehmen Sie Anstoß?
Ich habe das Gefühl, dass es den deutschen Stand-up-Comedians wichtiger ist, vom Publikum gemocht zu werden, als die Leute zum Lachen zu bringen. Es geht darum, auf Zustimmung zu arbeiten, deshalb hat das meiste, was hier geboten wird, nichts mit Humor zu tun. Deichkind, Farin Urlaub, Jan Delay betreiben dagegen Comedy erfolgreich nebenbei, obwohl sie eigentlich Musiker sind. Es gibt hier fast keine Ausnahmen, die dem amerikanischen Stand-up sehr nahe sind.

Sie hingegen wollen mit Ihren Shows bloß provozieren, oder?
Mir geht es eher um Authentizität und Wahrhaftigkeit, auf der Bühne das auszusprechen, was mich bewegt. Es gibt da diese Sendung unter dem Motto »Stand-up-Migranten«. Dort treten ausschließlich Migranten-Comedians auf. Was soll das? Das fördert ja mehr Vorurteile, als dass es sie abbaut. Dann können sie es auch gleich »Comedy-KZ« nennen! Warum nicht Leute auftreten lassen, die primär lustig sind? Dieses Sich-Separieren ist für mich echt schwierig. Ich finde es problematisch, wenn man nur in seiner eigenen Suppe rumsurft. Klar, auch mir wird mit »jüdischer Comedian« oft ein Label angeheftet – aber dagegen kann man sich wehren.

Wie gelingt Ihnen das?
Indem ich meine Show zum Beispiel nicht »Judensau« nenne, sondern »Krankes Schwein«.

Mit dem Stand-up-Comedian sprach Michèle Prigoschin.

Sämtliche Tourdaten finden sich hier: www.oliverpolak.com

München

Filmemacher Michael Verhoeven ist tot

Mit kritischen Filmen über den Vietnamkrieg oder den Nationalsozialismus setzte der Filmemacher Akzente

 26.04.2024

Glosse

Ständig wird gestört

In Berlin stürmten erneut propalästinensische Kräfte in Anwesenheit der Kulturstaatsministerin die Bühne

von Michael Thaidigsmann  26.04.2024

Immanuel Kant

Aufklärer mit Ressentiments

Obwohl sein Antisemitismus bekannt war, hat in der jüdischen Religionsphilosophie der Moderne kein Autor mehr Wirkung entfaltet

von Christoph Schulte  26.04.2024

Karl Kraus

»Als ob man zum ersten und zum letzten Mal schriebe«

Zum 150. Geburtstag des großen Literaten und Satirikers

von Vladimir Vertlib  26.04.2024

Bonn

Beethoven-Haus zeigt Ausstellung zu Leonard Bernstein

Die lebenslange Beschäftigung des Ausnahmetalents mit Beethoven wird dokumentiert

 25.04.2024

Potsdam

Chronist der neuen Weiblichkeit

Das Museum Barberini zeigt Modiglianis Menschenbilder in neuem Licht

von Sigrid Hoff  25.04.2024

München

Ausstellung zeigt Münchner Juden im Porträt

Bilder von Franz von Lenbach und anderen sind zu sehen

 25.04.2024

Wien

Spätwerk von Gustav Klimt für 30 Millionen Euro versteigert

Der Künstler malte das »Bildnis Fräulein Lieser« kurz vor seinem Tod

 25.04.2024

Los Angeles

Barbra Streisand: Lovesong als Zeichen gegen Antisemitismus

Für die Serie »The Tattooist of Auschwitz« singt sie das Lied »Love Will Survive«

 25.04.2024