Das Netz sei ein oberflächliches Medium, lautet ein gängiges Urteil, geeignet für den kursorischen Nachrichtenüberblick oder schnell herunter geschriebene Blogeinträge. Komplexe Texte, die eine längere Aufmerksamkeitsspanne verlangen, seien hier eher fehl am Platz.
anspruchsvoll Die amerikanische Website »Jewish Ideas Daily« versucht, das Gegenteil zu beweisen. Täglich werden hier Analysen, Essays und Hintergrundberichte eingestellt, die sich bewusst an ein intellektuell anspruchsvolles Publikum richten. Da wird analysiert, warum es keine palästinensiche Friedensbewegung gibt, die ethischen Aspekte der Kaschrut werden diskutiert, ein an-
derer Artikel erläutert, wie die Engländer der Romantik ihre nationale Identität in der Tora versuchten zu finden, und man erfährt etwas über ein auch den meisten Juden wahrscheinlich un-
bekanntes Genre, den ultraorthodoxen Abenteuerroman.
Dazu verlinkt die Site täglich auf fünf wegweisende Texte aus anderen englischsprachigen jüdischen Onlinemedien, wohlbekannten wie der »Jerusalem Post«, aber auch eher randständigen wie »H-Net«, das sich etwa mit talmudischen Rechtserzählungen befasst. Rezensionen jüdischer Neuerscheinungen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften ergänzen das Angebot. Und natürlich fehlt auch nicht der wöchentliche Torakommentar.
Seit 2010 existiert die nichtkommerzielle und von keiner Organisation getragene Site, die sich über (relativ wenige) Anzeigen finanziert. »Wir wollen eine Quelle für das Anspruchsvollste sein, das von und über Juden gesagt wurde und wird«, definieren die Betreiber ihr Anliegen. Ein ebenso mutiges wie riskantes Unterfangen, denn »Jewish Ideas Daily« konkurriert in den USA mit ähnlich angelegten Websites wie »Tablet«, das finanziell besser aufgestellt ist. Bei uns in Deutschland gibt es nichts Vergleichbares. Amerika, du hast es wieder einmal besser. mjw
www.jewishideasdaily.com