Biografie

Flucht und Täuschung

Foto: EUROPAVERLAG

Biografie

Flucht und Täuschung

Anne Siegel erzählt das unglaubliche Leben der Gerta Stern

von Daniel Killy  02.01.2017 18:43 Uhr

Anne Siegels Señora Gerta ist das Buch des Jahres 2016 gewesen, aus mehrerlei Gründen. Zum einen ist der Journalistin, Regisseurin und Autorin ein Coup gelungen, um den man sie aus kollegialer Sicht beneiden muss: Sie hat eine Geschichte ausgegraben, von der sie selbst sagt, es sei unglaublich, dass sie bisher noch nicht erzählt wurde. Obwohl, die Geschichte flog Anne Siegel eher zu, es scheint, als habe das unglaubliche Leben der Gerta Stern erst auf seine passende Erzählerin gewartet.

Denn natürlich ist es ein Scoop, eine mittlerweile 101-Jährige (während der Entstehung des Buches war Gerta Stern gerade mal 100) dazu zu bringen, ein längst verschüttet geglaubtes Drama aus der Nazizeit, samt Happy End, wieder lebendig werden zu lassen und vor dem Vergessen zu bewahren. Aber ein noch größerer Wurf ist es, dies alles mit leichter Hand und nonchalant zu formulieren, was sich doch häufig nur mit Kloß im Hals hat aufschreiben lassen.

überzeugend Wie eine junge Frau in abgrundtiefer Verzweiflung ins Hamburger Gestapo-Hauptquartier rennt, um ihren Mann aus dem KZ zu befreien. Wie es ihr, der gelernten Schauspielerin, gelingt, den Wiener Depp zu geben und die Nazi-Schergen davon zu überzeugen, ihr Mann sei gar kein Jude und das alles ein ärgerlicher Irrtum. Wie dieses gefährliche Theater, der Tanz über dem Abgrund, gut ausgeht, wie ein unbekannter heldenhafter Deutscher, den Siegel für Gerta Stern wiederentdeckt und ihm einen Namen gibt, das Paar rettet, und wie die Dramen weitergehen, bis Gerta und Moses es schließlich nach Panama schaffen – all das hätte leicht zu einer unglaubwürdigen Kitsch-Melange werden können.

Ist es aber nicht, und das ist der Hauptgrund, warum es das Buch des Jahres ist. Denn Anne Siegel schafft es mit ihrem dramaturgischen Geschick, versunkene Momente von Gerta Sterns dramatischer Flucht mit der Realität von damals und auktorialer Freiheit von heute zu einem romangleichen Werk zu weben, das viel mehr ist als die Abschrift ungezählter Aufnahmesessions mit der bis heute berufstätigen Kosmetikerin Gerta Stern.

Es ist ein Buch, das einem die Tränen in die Augen treibt – wechselweise Tränen der Wut, Empathie, aber schließlich auch des Glücks und teilweise auch des Lachens. Es kommt selten vor, dass Texte größer sind als deren ohnehin schon packende Geschichte: Dem mittlerweile befreundeten Duo Anne Siegel/Gerta Stern ist genau dieses Kunststück gelungen – Chapeau!

Anne Siegel: »Señora Gerta – Wie eine Wiener Jüdin auf der Flucht nach Panama die Nazis austrickste«. Europa, Zürich 2016, 224 S., 18,99 €

Literatur

Bestseller aus Frankreich: »Der Barmann des Ritz«

Philippe Collin hat ein packendes Porträt über einen jüdischen Barkeeper im Zweiten Weltkrieg geschrieben

von Sibylle Peine  16.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Berlin

Ein außergewöhnliches Konzert

Lahav Shani hielt die Spannung mit den Händen – der Dirigent und die Münchner Philharmoniker wurden mit Standing Ovations gefeiert

von Maria Ossowksi  16.09.2025

Berlin

Kulturausschuss lädt Dirigenten Lahav Shani zu Gespräch ein

Die Konzert-Absage an den israelischen Dirigenten sorgt für Kritik - und für Gesten der Solidarität. Nach einem Konzert in Berlin macht auch der Kulturpolitiker Sven Lehmann eine Ansage

 16.09.2025

Nach Absage in Belgien

Dirigent Shani in Berlin gefeiert

Nach der Ausladung von einem Festival werden die Münchner Philharmoniker und ihr künftiger Chefdirigent Lahav Shani in Berlin gefeiert. Bundespräsident Steinmeier hat für den Fall klare Worte

von Julia Kilian  15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Bremen

Seyla Benhabib erhält den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken

Die Jury würdigte Benhabib als »herausragende politische und philosophische Intellektuelle«

 15.09.2025

Eurovision

Israel hält nach Boykottaufrufen an ESC-Teilnahme fest

Israel will trotz Boykott-Drohungen mehrerer Länder am Eurovision Song Contest 2026 teilnehmen. Wie andere Länder und Veranstalter reagieren

 15.09.2025