Wuligers Woche

Facebook bereut ... nicht

Foto: Getty Images

Wenn an der Spitze von Facebook jemand namens Franz Huber oder Gunhild Sörensen stünde, wäre alles einfacher. Dann müsste man sich zwar immer noch darüber aufregen, dass im weltweit größten sozialen Netzwerk ständig antisemitische Hetze der übelsten Sorte verbreitet wird – aber wenigstens die Schande bliebe uns erspart, dass für diesen Judenhass in letzter Konsequenz ausgerechnet einer von uns verantwortlich ist.

Denn Mark Zuckerberg ist Jude. Nicht nur im halachischen Sinn, als Sohn jüdischer Eltern. Der Medienmagnat hat seit einigen Jahren nach eigener Aussage auch das Judentum für sich wiederentdeckt, nachdem er sich eine Zeit lang als Atheist definiert und mit dem Buddhismus geflirtet hatte.

teschuwa In der Geschäftspolitik seines Konzerns allerdings schlägt sich diese Teschuwa nicht nieder. Facebook dient weiter als beliebte Plattform für Antisemitismus aller Art.

Zwar hat sich das Unternehmen nach einem Appell Dutzender jüdischer Organisationen aus aller Welt vorige Woche verpflichtet, Behauptungen über eine angebliche jüdische Weltherrschaft künftig als Verstoß gegen die »Gemeinschaftsstandards« des Netzwerkes zu werten, analog zu anderen Tabus wie nackten Frauenbrüsten. Allzu tief scheint der Sinneswandel bei der Firma Zuckerberg aber nicht zu gehen. Am Montag wurde bekannt, dass Facebooks Algorithmen systematisch Schoa-Leugnungen fördern.

Gibt der Nutzer das Stichwort »Holocaust« ein, bekommt er zuerst Vorschläge für geschichtsrevisionistische Seiten und Gruppen. 36 Facebook-Gruppen mit insgesamt 366.000 Followern gibt es, die ungehindert den Völkermord negieren. Denn Schoa-Leugnung fällt bei Facebook unter freie Meinungsäußerung, außer in Ländern wie Deutschland, wo diese Art Geschichtsfälschung ein Straftatbestand ist.

muster Wenn so etwas einmal passiert, ist es vielleicht ein Versehen. Geschieht es zweimal, könnte es noch Zufall sein. Beim dritten Mal beginnt es, nach einem Muster auszusehen. Auf Facebook passiert es ständig. Der Verdacht drängt sich auf, dass Zuckerberg Judenhass duldet, um Klicks zu generieren und so Geld zu machen.

Man könnte jetzt natürlich einen neuen Appell starten. Und dann noch einen, wenn der nächste Skandal publik wird. Vielleicht ist es aber auch an der Zeit, sich einer jüdischen Tradition zu besinnen, die auf biblische Zeiten zurückgeht: den Bannfluch, hebräisch »Cherem«.

Mit ihm wurden Menschen aus dem Judentum ausgestoßen, die mit Vorsatz und aus niedrigen Beweggründen der Gemeinschaft systematisch Schaden zufügten: »Er sei verflucht bei Tag und verflucht bei Nacht, verflucht sein Hinlegen und verflucht sein Aufstehen, verflucht sein Gehen und verflucht sein Kommen.«

Der letzte Prominente, der in neueren Zeiten mit diesen Worten verdammt und ausgestoßen wurde, war im 17. Jahrhundert der Philosoph Baruch Spinoza. Der Bannfluch gegen ihn gilt mittlerweile als ein Fehler. Bei Mark Zuckerberg würde es diesmal möglicherweise den Richtigen treffen.

Musik

»Piano Man« verlässt die Bühne: Letztes Billy-Joel-Konzert

Eine Ära geht zuende: Billy Joel spielt nach zehn Jahren vorerst das letzte Mal »Piano Man« im New Yorker Madison Square Garden. Zum Abschied kam ein Überraschungsgast.

von Benno Schwinghammer  26.07.2024

Zahl der Woche

16 Sportarten

Fun Facts und Wissenswertes

 26.07.2024

Lesen!

Ein gehörloser Junge und die Soldaten

Ilya Kaminsky wurde in Odessa geboren. In »Republik der Taubheit« erzählt er von einem Aufstand der Puppenspieler

von Katrin Diehl  25.07.2024

Ruth Weiss

»Meine Gedanken sind im Nahen Osten«

Am 26. Juli wird die Schriftstellerin und Journalistin 100 Jahre alt. Ein Gespräch über ihre Kindheit in Südafrika, Israel und den Einsatz für Frauenrechte

von Katrin Richter  25.07.2024

Streaming

In geheimer Mission gegen deutsche U-Boote

Die neue Action-Spionagekomödie von Guy Ritchie erinnert an »Inglourious Basterds«

von Patrick Heidmann  25.07.2024

Bayreuth

Das Haus in der Wahnfriedstraße

Die Debatten um Richard Wagners Judenhass gehen in eine neue Runde. Nun steht sein antisemitischer Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain im Fokus

von Axel Brüggemann  25.07.2024

Sehen!

»Die Ermittlung«

Der Kinofilm stellt den Aussagen der Zeugen die Ausflüchte der Angeklagten gegenüber

von Ayala Goldmann  25.07.2024

Kommentar

Der »Spiegel« schreibt am eigentlichen Thema vorbei

In seiner Berichterstattung über das Abraham-Geiger-Kolleg konstruiert das Magazin eine Konfliktlinie

von Rebecca Seidler  25.07.2024 Aktualisiert

Literatur

Dieses Buch ist miserabel. Lesen Sie dieses Buch!

Eine etwas andere Kurzrezension von Ferdinand von Schirachs Erzählband »Nachmittage«

von Philipp Peyman Engel  24.07.2024 Aktualisiert