Rolf Eden

Ewiger Glückspilz

Namen sind Schall und Rauch, heißt es. Dass wohl auch das Gegenteil der Fall sein kann, bewies zeit seines Lebens Rolf Eden, Berlins wohl kompromisslosester Party-König. Dabei gehörte er genau zu der Generation deutscher Juden, die aufgrund von Flucht und Vertreibung oft durch die Hölle gehen mussten.

Nicht so jedoch der 1930 im Berliner Bezirk Tempelhof geborene Rolf Sigmund Sostheim. Immer nur Glück gehabt: Wie ich Deutschlands bekanntester Playboy wurde lautete denn auch folgerichtig der Titel seiner 2012 erschienenen Autobiografie.

flucht Und das habe er bereits von Kindesbeinen an gehabt. 1933, unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, packte seine gesamte Familie die Koffer und flüchtete nach Haifa in das damals britische Mandatsgebiet Palästina – offensichtlich hatte man bei den Sostheims ein gutes Gespür für die drohende Gefahr.

Seine Familie sah die Katastrophe kommen und flüchtete 1933 von Berlin nach Haifa.

Da war der kleine Rolf gerade einmal drei Jahre alt. »Onkels, Tanten, Vettern und Cousinen, es gab keinen, der in Deutschland geblieben ist«, erzählte er einmal im Gespräch mit dieser Zeitung. »Nur deshalb ist keiner von uns umgekommen.«

Pech hatte nur Sostheim senior, der wirtschaftlich in Palästina nie richtig Fuß fassen konnte und mit seinem Kaffeehaus bald pleiteging. »1947 ist mein Vater verstorben – woran genau, weiß ich nicht mehr. Es hat mich nie interessiert«, heißt es in Rolf Edens Autobiografie. Der Satz verweist auf eine Grundhaltung gegenüber allem Negativen im Leben des Lebemanns: »Wenn Erinnerung etwas bringen würde, würde ich mich erinnern. Aber das Beste, was du tun kannst: Forget the Miserable!«

Deshalb ging er nie auf Beerdigungen oder machte etwa Krankenbesuche. »Ich halte alles Negative von mir fern. Ich will keine Misere sehen«, sagte er. »Ins Krankenhaus oder zu unglücklichen Menschen bringen mich keine zehn Pferde.« Weniger bekannt war indes, dass er Freunde in Not zwar nicht sehen wollte, sie aber sehr großzügig finanziell unterstützte.

israel Diese Devise galt ebenso für den Antisemitismus im Alltag, zu dem er sich nie wirklich äußern wollte. »Ich möchte so etwas nicht hören und nicht lesen. In der Zeitung interessieren mich nur die Nachrichten, die gut sind.«

Dafür dachte Rolf Eden, wie er sich bald nannte, weil es doch so viel schöner klang als »Sostheim«, gerne und ausführlich an alles zurück, was mit Frauen und Sexualität zu tun hat: zum Beispiel daran, wie der Vater den 15-Jährigen ins Bordell schleppte, um ihn in die Geheimnisse der Liebe einweihen zu wollen. Das Geld hätte er sich sparen können, schließlich hatte den Job bereits vorher die Haushälterin übernommen, so Eden.

Glück hatte Rolf Eden ebenfalls in den turbulenten Monaten vor und nach der Unabhängigkeit Israels. Zuerst war er in der Gadna aktiv, der paramilitärischen Jugendorganisation der Hagana, danach kämpfte er beim Palmach unter dem Kommando von niemand Geringerem als Yitzhak Rabin.

Er gehörte zu denen, die die arabische Blockade Jerusalems durchbrechen sollten, um die Stadt mit Lebensmitteln zu versorgen. »Der Unabhängigkeitskrieg 1948 war fürchterlich, rechts und links von mir sind meine Kameraden von den Arabern ermordet worden, als seien sie Fliegen.« Nur knapp 400 von 1200 Kämpfern seiner Einheit überlebten die riskanten Einsätze. »Ich war so dämlich und bin immer nach vorn gerannt«, erinnerte er sich – und hatte alles ohne größere Blessuren überlebt.

kinder Einzige Kriegsfolge für ihn: In diesen Tagen zeugte er sein erstes Kind, die 1949 geborene Irit. Sechs weitere sollten folgen, das letzte, sein Sohn Kai, 1997. Mit jedem von ihnen stand Rolf Eden seither in gutem Kontakt. »Ich habe ein fantastisches Verhältnis zu allen meinen Kindern«, sagte er in dem preisgekrönten Film The Big Eden. Und jedes seiner Kinder bestätigte es.

Eng verbunden blieb er ebenso dem jüdischen Staat, wohin er, der fließend Hebräisch sprach, zweimal im Jahr alleine oder in Begleitung einer seiner Frauen gereist ist. »Wenn meine Eltern und andere Pioniere Israel heute sehen könnten – ihnen würden die Worte fehlen«, schwärmte er 2011 in einem Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »So ein modernes, großartiges Land mit vielen vernünftigen Menschen. Es hat sich gelohnt, gekämpft zu haben.«

»Wenn meine Eltern Israel heute sehen könnten – ihnen würden die Worte fehlen.«

Rolf Eden

Und trotzdem zog es ihn hinaus in die weite Welt. Erste Station war Paris, wo Rolf Eden Kellner, Musiker und Statist in einigen Filmen war. Eigentlich sollte es weiter in die Vereinigten Staaten gehen, doch fehlte das Visum. Als er dann erfuhr, dass im Ausland lebende Berliner 6000 D-Mark »Begrüßungsgeld« erhielten, wenn sie in den Westsektor der Stadt zurückziehen würden, zog es ihn in das Deutschland der Wirtschaftswunderzeit und des großen Vergessens.

»Ich habe mir damals wenig Gedanken über die alten Zeiten gemacht«, gestand er der »Süddeutschen Zeitung« 2012. »Die Nazi-Verbrechen waren schrecklich, keine Frage. Aber ich hatte damit ja nichts zu tun. Mir ging es ja gut und meiner Familie auch.« Und weiter: »In meinem ganzen Leben habe ich auch noch keine Nazis kennengelernt, weder alte noch neue. Ich habe aber auch nicht groß rumgebohrt, was jemand im Krieg gemacht hat.«

In manchen Ohren mag das schrecklich unreflektiert klingen oder nach Verdrängung aussehen, weil er ins Land der Täter gezogen war. Aber im Unterschied zu den vielen Displaced Persons und zurückkehrenden jüdischen Emigranten hatte er keine von Traumata geprägte Sozialisierung erfahren. »Wir waren Israelis geworden, die für unseren Staat gekämpft haben.« Vielleicht resultierte daraus sein äußerst gesundes Selbstbewusstsein.

MARKENZEICHEN In Berlin wurde er das, was bis zu seinem Tode sein Markenzeichen blieb: der ewige Playboy und Party-König. Der Legende nach war es Rolf Eden, der den Begriff »Abschleppen« erfunden hat, der umgangssprachlich eine erfolgreiche sexuelle Eroberung umschreiben soll. »Ich hatte ja über 1000 Frauen in meinem Leben. Die waren alle zufrieden mit mir«, betonte er immer wieder.

»Ein Playboy ist ein Mensch, der jede Sekunde seines Lebens genießt«, lautete sein Credo. Keine Frau durfte älter als 30 Jahre sein. Diesem Motto blieb er jahrzehntelang treu, den Frauen nie – bis er mit 75 mit seiner Brigitte zusammenkam, mit der er bis an das Ende seiner Tage zusammenbleiben sollte. Das klappte aber nur, weil sie ihm alle möglichen Freiheiten zugestand.

Ein Stadtmagazin kürte Rolf Eden einmal zum »peinlichsten Berliner«. »Na und?«, befand er selbst. Das sei doch eine Riesenehre. Wie Harald Juhnke oder Günter Pfitzmann stand der alternde Playboy für ein Stück altes Berlin. Mit seinen schlüpfrigen Anekdoten, die nicht alle witzig fanden, wirkte er irgendwann wie aus der Zeit gefallen. Als die #MeToo-Zeit kam und nachhallte, war es still um ihn geworden, da war Eden schon sehr alt.

imperium Die 6000 D-Mark bildeten sein Startkapital zur Gründung eines ganzen Klub-Imperiums. Den Anfang machte 1957 an der Ecke Kurfürstendamm/Nestorstraße der »Eden Saloon«, es folgte das »New Eden«, das nach einigen weiteren Neugründungen bald das »Old Eden« genannt wurde. Das Berliner Nachtleben bereicherte er sukzessive um Tischtelefone, mit denen man seinen Partner per Anruf zum Tanz auffordern konnte, weibliche Oben-ohne-Diskjockeys und Plansch­beckentänze.

In amerikanischen Berlin-Reiseführern wurde sein erster Laden bald als »the most original bar in the world« gelistet. Angefangen von Klaus Kinski über Evelyn Künneke bis Curd Jürgens – in den 60er- und 70er-Jahren gab es wohl kaum einen Promi, der sich dort nicht hatte blicken lassen.

Und als das Geschäft irgendwann nicht mehr so lief wie früher, verkaufte Rolf Eden alles und stieg sehr erfolgreich ins Immobiliengeschäft ein. »Gut 800 Menschen gehen für mich jeden Abend schlafen – und zahlen dafür auch noch«, erzählte er gerne lachend.

JENSEITS Doch nicht nur die Frauen beschäftigten Rolf Eden sein Leben lang. Zum Film hatte er gleichfalls eine starke Affinität. In rund 30 Streifen übernahm er selbst immer wieder Rollen als Schauspieler – selbst wenn den meisten dieser Filme heute ein leichter Trash-Charakter anhängt. Einige dieser Produktionen wie Kommando Sinai drehten sich um Israel und seine Kriege.

»Wenn Erinnerung etwas bringen würde, würde ich mich erinnern. Forget the Miserable!«, sagte er.

Rolf Eden spielte darin einen israelischen Leutnant. 2011 wurde seine Vita dann selbst Stoff eines Dokumentarfilms mit dem Titel The Big Eden unter der Regie von Peter Dörfler. Dafür rückte Rolf Eden erstmals einige Schätzchen aus seinem ganz privaten Videoarchiv heraus. Und 2016 machte das Gerücht die Runde, dass Regisseur Felix Herzogenrath eine auf sechs Teile angelegte Mini-Serie für das Fernsehen planen würde, die auf der Biografie des »Hugh Hefner von Berlin« basieren soll.

»Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?« Diese Frage stellte ihm vor Jahren das Magazin »Cicero«. Seine lapidare Antwort: »Nein, da geht nichts weiter. Tot ist tot. Stellen Sie sich mal vor, wie viele Milliarden Menschen im Laufe der Geschichte dann weiterleben würden. Nee, nee, tot, auf Wiedersehen, ciao, arrivederci bambino!«

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