Maria Schrader gehörte schon seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Schauspielerinnen des deutschen Films und Fernsehens, als Hollywood rief: 2021 drehte sie, mitten in der Pandemie, in New York den Film »She Said«, der beschreibt, wie zwei Journalistinnen der »New York Times« den Missbrauchsskandal um einen Hollywoodmogul aufdecken. In wenigen Tagen, am 27. September, wird Schrader 60 Jahre alt.
Schrader hat »She said«, der 2022 in die deutschen Kinos kam, eher ruhig inszeniert, mit allen Hindernissen und Sackgassen, und auf die üblichen Journalistenklischees verzichtet. Gedreht werden durfte in den Redaktionsräumen der »Times«, zum ersten Mal übrigens. Für viele bedeutete »She Said«, Schraders sechster Film als Regisseurin, so etwas wie die Krönung ihrer Karriere. Bekannt wurde sie als Schauspielerin durch die Intensität, die sie in ihre Rolle legte, besonders in Frauenfiguren, die anecken, die sich nicht unterkriegen lassen.
Das war schon in einem ihrer frühen Filme zu beobachten, in dem ebenfalls in New York situierten »I was on Mars« ihres damaligen Lebensgefährten Dani Levy. Darin spielte sie eine junge Polin, die nach New York mit wenig Geld und ohne Englischkenntnisse kommt, von einem Kleingangster abgezockt wird und mit aller Zähigkeit ihr Geld zurückerobert. Für ihre Rolle in der Low-Budget-Tragikomödie bekam sie beim Saarbrücker Nachwuchsfilmfestival Max Ophüls Preis im Jahr 1992 die Auszeichnung als beste Nachwuchsdarstellerin.
Das Gesicht des neueren deutschen Autorenfilms
In den 1990er und frühen 2000er Jahren war Schrader das Gesicht des neueren deutschen Autorenfilms, in sehr vielfältigen Rollen. »Ich bin sehr wählerisch«, sagte sie einmal, »aber wenn ich mich für einen Film entschieden habe, dann mache ich ihn mit Haut und Haaren.«
« Wenn ich mich für einen Film entschieden habe, dann mache ich ihn mit Haut und Haaren.«
In dem Road Movie »Burning Life« (1994) zog sie mit Anna Thalbach als Bankräuberinnen-Duo durch Ostdeutschland (in einer sehr amüsanten Mischung aus »Thelma und Louise« und »Bonny and Clyde«), in »Keiner liebt mich« (1994) von Doris Dörrie spielte sie eine 30-Jährige mit partnerschaftlicher Torschlusspanik. Max Färberböck besetzte sie in »Aimée & Jaguar« (1998) als Jüdin, die sich in die Frau eines Nazi-Soldaten verliebt, und in »Stille Nacht« (1996) war sie der Mittelpunkt einer ménage à trois, die ausgerechnet an Heiligabend zu einer Lösung kommen muss.
Am Drehbuch des Films von Dani Levy schrieb Schrader mit, wie an seinem Debüt »RobbyKallePaul« (1989) auch schon. Ihre letzte Drehbuch-Zusammenarbeit war »Meschugge« (1998), bei dem sie auch als Co-Regisseurin fungierte.
Ausgebildet wurde Schrader am Max-Reinhardt Seminar in Wien, das sie aber nach zwei Jahren abbrach. Schon in der Spielzeit 1982/83 gehörte sie zum Ensemble des Staatstheaters Hannover, sie stand in Wien, Köln, Bonn, Basel und Berlin auf der Bühne und hat trotz ihrer Filmkarriere das Theater nie aus den Augen verloren. Seit 2013 gehört sie dem Ensemble des Deutschen Schauspielhauses Hamburg an, eine breite Anerkennung erreichte dort Karin Beiers Inszenierung von Edward Albees »Wer hat Angst vor Virgina Woolf?« mit Schrader und Devid Striesow (2019).
Zu ihren stärksten Rollen der vergangenen Jahre gehört die Akademikerin Lena in »Vergiss mein Ich« (2014) von Jan Schamburg. Lena leidet unter einer speziellen Form der Amnesie, die nicht ihr ganzes Wissen, sondern nur ihre Biografie und Identität gelöscht hat. Sie muss sich quasi ihr eigenes Leben neu aneignen. Schrader stattete diese Rolle mit Naivität und Neugier, aber auch Situationskomik aus.
In Erinnerung bleibt auch ihre Rolle als Stasi-Mitarbeiterin in der DDR, die ihren eigenen Neffen als »Romeo« in die Bundesrepublik schickt in der Fernsehserie »Deutschland 83« (2015), eine Rolle, die Schrader mit der gebotenen Strenge spielt. Sie wirkte auch in den weiteren Staffeln »Deutschland 86« (2018) und »Deutschland 89« (2020) mit.
Schrader Regiedebüt war die Verfilmung des Romans »Liebesleben« der israelischen Autorin Zeruya Shalev
Ihren ersten eigenen Film als Regisseurin drehte Schrader 2007, die Verfilmung des Romans »Liebesleben« der israelischen Autorin Zeruya Shalev. Sie hatte die Schriftstellerin zuvor schon auf einer Lesereise begleitet. In ihrem »Vor der Morgenröte« erzählt sie in sechs Episoden von den letzten Lebensjahren des Schriftstellers Stefan Zweig. Der Film über Emigration und Exil, über Zweigs Zweifel wie auch über seine Neugier ging allerdings bei den Lolas, den Deutschen Filmpreisen im Jahr 2016, leer aus. Dafür gewann Schrader mit ihrer hellsichtigen KI-Komödie »Ich bin Dein Mensch« 2021 gleich vier Lolas.
Mit der sensiblen Miniserie »Unorthodox« gewann Schrader 2020 als erste Deutsche den begehrten US-amerikanischen Fernsehpreis Emmy. Im Mittelpunkt steht eine ultraorthodoxe Jüdin, die aus der sie einschnürenden chassidischen Gemeinde in New York nach Berlin flieht. Diese Netflix-Serie, die in den USA sehr erfolgreich war, brachte Schrader auf den Schirm der Produzenten von »She said«.