Film

Ein Cocktail voller Energie

Dima, 16, ist Sohn russischer Einwanderer, Schüler am Gymnasium und Jude. Foto: SWR / Filmakademie Baden-Württemberg

Der Kurzfilm »Masel Tov Cocktail«, entstanden als Koproduktion zwischen der Filmakademie Baden-Württemberg, dem Südwestrundfunk und Arte, steckt voller Energie. Das hat sowohl mit dem vorgelegten Tempo zu tun als auch mit der Thematik und wie mit ihr umgegangen worden ist.

AUTOBIOGRAFISCHES Die Idee des Films besticht durch ihre Einfachheit: »Man wächst als Jude in Deutschland auf und hat allerhand Alltagserlebnisse ..., und das wollten wir erzählen«, so beschreibt es Arkadij Khaet selbst, der gemeinsam mit Mickey Paatzsch Regie geführt hat.

https://www.youtube.com/watch?v=H_13rBuh5rQ&t=1s

So lässt sich denn auch einiges an Autobiografischem aus Khaets Leben in »Masel Tov Cocktail« wiederfinden. 1991 in Moldawien geboren, kam er nur wenige Wochen alt mit seiner Familie nach Deutschland. Er wuchs dort im Ruhrgebiet auf, studierte später in Köln Film, Spielfilmregie an der Filmakademie Baden-Württemberg und ist ELES-Stipendiat. Khaets Filme erlauben sich eine ebenso eindeutige wie eindrückliche jüdische Perspektive.

KLISCHEES Was einem Juden über die Jahre in Deutschland so alles widerfahren kann, hat das Drehbuch von »Masel Tov Cocktail«, das von Khaet und Merle Teresa Kirchhoff stammt, auf einen einzigen Tag verdichtet. Auf der Leinwand bekommt dieser Tag dann nicht mehr als rasante 30 Minuten.

Mit direktem Blick in die Kamera spricht er die Zuschauer an. Er nimmt sie mit auf eine Tour durch sein Leben.

Im Zentrum steht ein jüdischer Jugendlicher, Dima Liebermann, dessen Eltern sich in den 1990er-Jahren als Kontingentflüchtlinge aus der ehemalige Sowjetunion nach Deutschland aufmachten und im Ruhrpott hängen blieben.

Demnächst hat Dima sein Abi in der Tasche. Was ihm aber gerade den Rest gibt, sind die ganzen Klischees, der ewige Antisemitismus, Philosemitismus und was es sonst noch so alles gibt. Mit direktem Blick in die Kamera spricht er die Zuschauer an. Er nimmt sie mit auf eine Tour durch seinen Kiez, begegnet an jeder Ecke allem, was einem Juden, einer Jüdin in Deutschland eben begegnet.

Start dieses Parcours der besonderen Art ist das Schulklo, wo Dima nichts anderes übrig bleibt, als seinem Mitschüler Tobi die Nase zu brechen, nachdem der ihm belustigt und in drastischen Gesten vorgespielt hat, »was man früher mit Juden wie dir« gemacht hätte. Am Ende stehen sich die beiden wieder gegenüber, nämlich dort, wo Tobi zur Strafe Stolpersteine polieren muss.

PREISVERDÄCHTIG Dima dagegen soll sich bei ihm für seinen Fausthieb entschuldigen, was irgendwie nicht klappen kann und daher auch mit einem jähen Schnitt endet. Klar, dass der Film, in dem Khaet zeigt, »wie es uns geht«, sein Publikum in ein Ihr und ein Wir einteilt. Für die einen passiert Aufklärung, den anderen dürfte, was da überzeichnet und mit einigem hintersinnigen Humor rüberkommt, nicht ganz unbekannt sein.

»Masel Tov Cocktail« ist preisverdächtig. Unterhaltungswert hat der Film ohne Frage. Berührendes gibt es auch.

Unterhaltungswert hat »Masel Tov Cocktail« ohne Frage. Außerdem fallen da ein paar Sätze, die ziemlich punktgenau treffen. Und Berührendes gibt es auch, zum Beispiel, wenn man dabei zusehen darf, wie liebevoll sich Dima seinem Großvater gegenüber verhält - trotz dessen sehr eigener und eigensinniger Sicht auf die Welt.

So ein Film ist preisverdächtig - oder wie es Arkadij Khaet bei einer Preisverleihung ausdrückte: »Filme über Juden gewinnen Preise in Deutschland. Das ist toll.« »Masel Tov Cocktail« flogen die Preise zu. Den ersten gab es gleich bei der Uraufführung beim Max-Ophüls-Festival im Januar dieses Jahres. Auch der Jungdarsteller Alexander Wertmann, 1997 geboren, der den schwer gestressten Dima Liebermann verkörpert als wäre er es selbst, wurde nominiert und ausgezeichnet.

LEHRFILM Besonders die Münchner dürfte das ein wenig stolz machen, können sich einige aus der dortigen Gemeinde gut an Alexander als beliebten Madrich und als Mitglied der Theatergruppe »Lo-Minor« erinnern. Heute studiert Wertmann an der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin.

»Masel Tov Cocktail« hat etwas von einem Lehrfilm, was sich besonders dann bemerkbar macht, wenn Statistiken aufploppen, die richtig stellen und die von einer Anchorman-Stimme verlesen werden. Also, ab damit in die Schulen? Wenn’s hilft, immer!

»Masel Tov Cocktail« findet sich in den Mediatheken der ARD und von Arte.

Medien

»Besonders perfide«

Israels Botschafter wirft ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann Aktivismus vor. Die Hintergründe

 18.07.2025

London

Kneecap und Massive Attack wollen andere israelfeindliche Bands unterstützen

Einige der Initiatoren einer neuen Initiative verherrlichten den palästinensischen und libanesischen Terror auf der Bühne. Andere verglichen das Vorgehen Israels gegen die Hamas mit dem Holocaust

von Imanuel Marcus  18.07.2025

Darmstadt

Literaturpreise für Dan Diner und Ilma Rakusa

Diner habe die Geschichte des Judentums immer wieder als »Seismograph der Moderne« verstanden, begründete die Jury die Wahl

 18.07.2025

Nachruf

Nie erschöpfter, unerschöpflicher Herrscher des Theaters

Claus Peymann prägte das Theater im deutschen Sprachraum wie nur wenige andere. Nun ist er in Berlin gestorben. Erinnerungen an einen Giganten der Kulturszene

von Christian Rakow  18.07.2025

Kulturpolitik

Weimer sieht autoritäre Tendenzen im Kulturbetrieb

Attacken auf das weltberühmte Bauhaus und steigende Judenfeindlichkeit: Nach Einschätzung von Kulturstaatsminister Weimer steht der Kulturbetrieb zunehmend unter Druck

von Katrin Gänsler  18.07.2025

Tournee

Bob Dylan auf drei deutschen Bühnen

Das Publikum muss sich bei den Vorstellungen der lebenden Legende auf ein Handyverbot einstellen

 18.07.2025

Marbach

Israelische Soziologin Eva Illouz hält Schillerrede

Illouz widme sich dem Einfluss wirtschaftlichen Denkens und Handelns und greife damit Widersprüche kulturgeschichtlich auf, hieß es

 17.07.2025

Musik

1975: Das Jahr großer Alben jüdischer Musiker

Vor 50 Jahren erschienen zahlreiche tolle Schallplatten. Viele der Interpreten waren Juden. Um welche Aufnahmen geht es?

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  17.07.2025 Aktualisiert