Film

»Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen«

Jesse Eisenberg (l.) und Kieran Culkin in »A Real Pain« Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Mit diesem Werk wird Kieran Culkin zum Filmstar. Der 42-Jährige, der schon 1990 neben seinem Bruder Macaulay in »Kevin - Allein zu Haus« mitgespielt hat, erreicht in »A Real Pain« ein schauspielerisches Level, das ihm viel Lob und gerade seinen zweiten Golden Globe eingebracht hat.

Zum Ende seiner preisgekrönten Rolle in der gefeierten Serie »Succession« ist dieser Film ein guter Start in eine nun sicherlich folgende größere Kino-Karriere. Culkin verkörpert in »A Real Pain«, einer Tragikomödie über das Erbe des Holocaust, einen schillernden, verzweifelten, so manischen wie lustigen Mann, der das Kinopublikum zum Lachen und Weinen bringt.

Keine leichte Aufgabe bei einem Stoff, der einiges an Feingefühl verlangt. Dieses legt Culkin genauso an den Tag wie der Regisseur und zweite Hauptdarsteller Jesse Eisenberg (»The Social Network«) in diesem sehenswerten Film. Bei den Oscar-Nominierungen dürfte mit »A Real Pain« zu rechnen sein.

Ungleiche Cousins

»A Real Pain« erzählt von zwei ungleichen Cousins, die nach dem Tod ihrer jüdischen Großmutter an einer organisierten Reise zum Erbe des Holocaust in Polen teilnehmen. Benji (Culkin), ein chaotischer Typ mit gebleichtem Kapuzenpullover und eingeschmuggeltem Marihuana, irritiert an der Reise so manches, das er gerne auch direkt ausspricht. David (Eisenberg), deutlich verstockter und organisierter, versucht die Wogen wieder zu glätten.

Als Teil einer Gruppe reisen Benji und David zu verschiedenen Orten der jüdischen Geschichte. Doch Benji findet es zum Beispiel »creepy«, mit dem Zug 1. Klasse zu fahren. »Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen, denk verdammt nochmal darüber nach«, sagt er zu seinem Cousin. Vor 80 Jahren wären sie schließlich noch »wie Vieh in diese Dinger gepfercht worden«.

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Doch weil Benji nicht nur ohne Filter alles sagt, was ihm durch den Kopf geht, sondern gleichzeitig auch sehr charmant ist, ist ihm keiner lange böse. Im Gegenteil: Der überaus seriöse Reiseleiter, der selbst nicht jüdisch ist, sich aber als »absolut besessen« vom jüdischen Leben beschreibt, umarmt ihn am Ende der Reise sogar und bedankt sich für Benjis Einwände.

»Existenzielle Probleme«

Natürlich konfrontiert dieser Roadtrip, der eine Reise in die Vergangenheit sein sollte, die Figuren auch mit ihrer Gegenwart, mit ihren existenziellen Problemen und ihrer Beziehung zueinander. Im Laufe des Films entfaltet sich Benjis Leben als komplexer und auch trauriger als gedacht, was in einer wunderschön ambivalenten letzten Filmeinstellung mündet.

Der Film ist von Eisenbergs eigener Geschichte inspiriert. Im Interview des Magazins »Screen« erzählte der 41-Jährige, die Figur der Großmutter sei von seiner Großtante inspiriert, die 1938 in die USA auswanderte, und einer Cousine, die als einzige der in Polen verbliebenen Familienmitglieder die Kriegszeit überlebt habe.

Trotz aller Komik nimmt Eisenberg dieses jüdische Erbe in »A Real Pain« auch ernst, was sich zum Beispiel an einer Szene in einem früheren Konzentrationslager zeigt. Der Film ist eine gelungene Gratwanderung zwischen lakonischer Situationskomik und ernsten Untertönen. Wenn Culkin mit diesem Werk zum Filmstar wird, wird Eisenberg damit zu einem großen Regisseur.

»A Real Pain« läuft ab Donnerstag, den 16. Januar in den Kinos an. Am Samstag werden die Oscar-Nominierungen bekanntgegeben.

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