Biochemie

Dr. h.c. für Nobelpreisträgerin

Ada Yonath Foto: Stephan Pramme

Als die israelische Strukturbiologin das Podium betritt, verschwindet sie fast hinter dem Blumenarrangement im Lichthof der Technischen Universität Berlin. Aber noch darf Ada E. Yonath vom Weizmann-Institut in Rechovot ihre Dankesrede nicht halten. »Erst bin ich noch einmal dran«, scherzt TU-Präsident Jörg Steinbach. Die energische Wissenschaftlerin macht auf dem Absatz kehrt, er kann sie gerade noch zum Bleiben bewegen. Denn: »In Deutschland ist die Urkunde erst offiziell, wenn sie vorgelesen wurde.« So verdeckt der überdimensionierte Blumenschmuck die eher zierliche Ada Yonath, während Steinbach ihr feierlich die Ehrendoktorwürde der TU Berlin verleiht.

Ada Yonath erhielt 2009 gemeinsam mit dem Briten Venkatraman Ramakrishnan und dem Amerikaner Thomas A. Steitz den Nobelpreis für Chemie »für die Studien zur Struktur und Funktion des Ribosoms«. Für ihre fruchtbare Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der TU Berlin auf diesem Feld erhält Yonath die Ehrendoktorwürde.

Stolz Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman preist in seinem Grußwort die wissenschaftlichen Leistungen Yonaths. »Das ganze Land war stolz«, sagt er und verweist darauf, dass sie als vierte Frau in der Geschichte einen Chemie-Nobelpreis erhalten hat. Der Botschafter betont die historische Parallele, dass Chaim Weizmann, erster israelischer Präsident, Chemiker und Namensgeber ihres Instituts, auch an der TU Berlin studierte, die damals noch Königlich-Technische Hochschule hieß.

Knud Nierhaus vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin erklärt dem Publikum die technischen Einzelheiten: Yonaths besondere wissenschaftliche Leistung ist ein Verfahren für die Kristallisation von Ribosomen, das ihr ermöglichte, mithilfe der Röntgenstrukturanalyse die Struktur der Ribosome bis in die atomare Ebene aufzuklären und so ihre Funktion zu verstehen. »Ada Yonath hat dieses Wissenschaftsfeld für die letzten 15 Jahre beherrscht«, sagt Nierhaus, während er durch seine Präsentation voller komplexer Grafiken klickt. »Auch wenn wir noch längst nicht alle Antworten haben, ermöglicht sie uns, die richtigen Fragen zu stellen.«

In seiner Laudatio stellt Christian Thomsen, Dekan der Fakultät II Mathematik und Naturwissenschaften, den Nutzen der Forschung Yonaths heraus. Auch wenn der wissenschaftliche Mainstream dieses Thema anfangs für »ziemlich nutzlos« gehalten habe, werde auf Dauer »die ganze Menschheit profitieren«. Die Erkenntnisse über die Biosynthese von Eiweißen ermöglichten »ein eingehendes Verständnis der wichtigen Antibiotika« und ihrer Wirkung auf Zellen.

Mentalitäten Endlich kann Ada Yonath ihre Dankesrede halten. »Inzwischen wissen Sie alles über Ribosome, meine Verbindung zu Berlin und meine akademische Karriere«, sagt sie. Deshalb verwirft sie ihr vorbereitetes Manuskript: »Ich spreche immer aus meinem Herzen.« Yonath skizziert, wie sie erstmals nach Berlin kam. Wie sie nach einem Fahrradunfall in der Bibliothek alles zu ihrem späteren Nobelpreis-Thema las. Wie sie Bakterien aus dem Toten Meer studierte. Und wie sie im Gespräch mit einem Kollegen aus einem anderen Fachgebiet schließlich dem entscheidenden Faktor auf die Spur kam, der zum Durchbruch führte.

An manchen Stellen wirft der Festakt ein Licht auf sehr unterschiedliche Mentalitäten, die sich im gemeinsamen wissenschaftlichen Arbeiten versöhnen. Während Steinbach streng nach Protokoll die anwesenden Honoratioren begrüßt, beginnt Ada Yonath ihre Dankesrede formlos mit einem »Good afternoon«.

Restitution

»Das Ausmaß hat uns überrascht«

Daniel Dudde über geraubte Bücher, Provenienzforschung an Bibliotheken und gerechte Lösungen

von Tobias Kühn  15.07.2025

Haskala

Medizin für die jüdische Nation

Aufgeklärte jüdische Ärzte sorgten sich um »Krankheiten der Juden«. Das wirkte auch im Zionismus nach

von Christoph Schulte  15.07.2025

Literatur

Vom Fremden angezogen

Die Schriftstellerin Ursula Krechel, Autorin des Romans »Landgericht«, wird mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet

von Oliver Pietschmann  15.07.2025

Interview

»Eine Heldin wider Willen«

Maya Lasker-Wallfisch über den 100. Geburtstag ihrer Mutter Anita Lasker-Wallfisch, die als Cellistin das KZ Auschwitz überlebte, eine schwierige Beziehung und die Zukunft der Erinnerung

von Ayala Goldmann  15.07.2025

Musik

Zehntes Album von Bush: »Wie eine Dusche für die Seele«

Auf ihrem neuen Album gibt sich die britische Rockband gewohnt schwermütig, aber es klingt auch Zuversicht durch. Frontmann Gavin Rossdale hofft, dass seine Musik Menschen helfen kann

von Philip Dethlefs  15.07.2025

Medien

Die Deutsche Welle und Israel: Mitarbeiter werfen ihrem Sender journalistisches Versagen vor

Die Hintergründe

von Edgar S. Hasse  14.07.2025

TV-Tipp

Der Mythos Jeff Bridges: Arte feiert den »Dude«

Der Weg zum Erfolg war für Jeff Bridges steinig - auch weil der Schauspieler sich gegen die Erfordernisse des Business sträubte. Bis er eine entscheidende Rolle von den Coen-Brüdern bekam, die alles veränderte

von Manfred Riepe  14.07.2025

Musik

Der die Wolken beschwört

Roy Amotz ist Flötist aus Israel. Sein neues Album verfolgt hohe Ziele

von Alicia Rust  14.07.2025

Imanuels Interpreten (11)

The Brecker Brothers: Virtuose Blechbläser und Jazz-Funk-Pioniere

Jazz-Funk und teure Arrangements waren und sind die Expertise der jüdischen Musiker Michael und Randy Brecker. Während Michael 2007 starb, ist Randy im Alter von fast 80 Jahren weiterhin aktiv

von Imanuel Marcus  14.07.2025