Wuligers Woche

Die Villa im Dschungel

Umgeben von Chaos und Gewalt: Dass Israel im Nahen Osten ein zivilisiertes und demokratisches Gemeinwesen ist, grenzt an ein Wunder. Foto: Getty Images / istock

Wuligers Woche

Die Villa im Dschungel

Warum Israel nicht auf Europa hört

von Michael Wuliger  22.10.2018 16:15 Uhr

Willkommen in Nahost, wo Oppositionelle umgebracht und zersägt werden. Der Fall des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi ist nicht singulär. Er ist nur ausnahmsweise publik geworden. Dissidenten in arabischen Ländern können davon mehr als nur ein Lied singen.

Willkommen in Nahost, wo Diktatoren die eigene Bevölkerung zu Zehn- und Hunderttausenden umbringen, mit allem, was das Arsenal hergibt. Baschar al-Assad hat Giftgasangriffe auf Zivilisten nicht erfunden. Vor ihm hat sie schon Saddam Hussein erfolgreich gegen Kurden eingesetzt.

Willkommen in Nahost, wo Schwarzafrikaner auf Sklavenmärkten verkauft und Schwule an Baukränen öffentlich aufgehängt werden.

Friedensfreunde Das ist die Nachbarschaft, in der die Israelis seit 1948 leben. Man muss kein Experte sein, um es zu wissen. Ein Blick in die Zeitung genügt. An etlichen wohlmeinenden Menschen in Westeuropa allerdings gehen diese Tatsachen offenbar vorbei. Sie scheinen zu glauben, der Nahe Osten sei so etwas wie das deutsch-schweizer-österreichische Dreiländereck am Bodensee, nur mit mehr Sand.

Konflikte zwischen Konstanz, Dornbirn und St. Gallen werden friedlich bei einem Viertele Wein geklärt. Warum, fragen europäische Friedensfreunde, geht das nicht auch zwischen Jerusalem, Damaskus und Teheran? (Bei Kaffee statt Wein, natürlich, wegen der Scharia.)

Diese schöne Vorstellung scheint die Basis europäischer Nahostpolitik zu sein. Dass Jerusalem sie nicht teilt, nimmt man in Brüssel übel. Hätte Federica Mogherini, die EU-Außenbeauftragte, das Sagen, würden an der Grenze zu Gaza gegen anstürmende Hamas-Kommandos wahrscheinlich Anti-Konflikt-Teams der Berliner Polizei zum Einsatz kommen. Die Israelis verlassen sich lieber auf Scharfschützen. Das gibt zwar schlechte Presse im Ausland und Verurteilungen der EU, schützt aber die Bewohner von Sderot davor, massakriert zu werden.

zerstückelt Gewalt ist die Währung im Nahen Osten, nach außen wie nach innen. Es ist ein halbes Wunder, dass Israel in dieser Umgebung seit 70 Jahren ein einigermaßen zivilisiertes und demokratisches Gemeinwesen ist, eine »Villa im Dschungel«, wie es der frühere Ministerpräsident Ehud Barak einmal formuliert hat. Im jüdischen Staat werden Oppositionelle nicht zerstückelt; sie sitzen in der Knesset. Und die Bevölkerung leidet unter exorbitanten Lebenshaltungskosten, nicht unter Fassbomben.

Verglichen mit den Zuständen ein paar Kilometer weiter, ist das die reinste Idylle. Allerdings eine, die, wenn man sie nicht bis an die Zähne bewaffnet verteidigt, ganz schnell vorbei sein kann.
Die Menschen zwischen Haifa und Beer Sheva wissen das. Deshalb hören sie nicht auf die EU. Sie nehmen sie nicht ernst.

Anders als wohlmeinende Europäer kennen sich die Israelis in der Gegend aus. Sie leben dort. Und sie haben vor, dort auch weiter zu leben. Trotz der Nachbarschaft. Und trotz Ermahnungen aus Brüssel.

Feiertage

Weihnachten mit von Juden geschriebenen Liedern

Auch Juden tragen zu christlichen Feiertagstraditionen bei: Sie schreiben und singen Weihnachtslieder

von Imanuel Marcus  10.12.2025

Kalender

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 11. Dezember bis zum 17. Dezember

 10.12.2025

Debatte

Wie umgehen mit Xavier Naidoo?

Der Sänger kehrt auf die großen Bühnen zurück. Ausverkaufte Hallen treffen auf Antisemitismus-Vorfälle, anhängige Verfahren und eine umstrittene Entschuldigung - und auf die Frage, wie man heute dazu steht

von Stefanie Järkel, Jonas-Erik Schmidt  10.12.2025

Neuerscheinung

Albert Speer als Meister der Inszenierung

Wer war Albert Speer wirklich? Der französische Autor Jean-Noël Orengo entlarvt den gefeierten Architekten als Meister der Täuschung – und blickt hinter das Image vom »guten Nazi«

von Sibylle Peine  10.12.2025

Interview

»Mascha Kaléko hätte für Deutschland eine Brücke sein können«

In seinem neuen Buch widmet sich der Literaturkritiker Volker Weidermann Mascha Kalékos erster Deutschlandreise nach dem Krieg. Ein Gespräch über verlorene Heimat und die blinden Flecken der deutschen Nachkriegsliteratur

von Nicole Dreyfus  09.12.2025

Zahl der Woche

2 Jahre

Fun Facts und Wissenswertes

 09.12.2025

Sehen!

»Golden Girls«

Die visionäre Serie rückte schon in den jugendwahnhaftigen 80er-Jahren ältere, selbstbestimmt männerlos lebende Frauen in den Fokus

von Katharina Cichosch  09.12.2025

Film

Woody Allen glaubt nicht an sein Kino-Comeback

Woody Allen hält ein Leinwand-Comeback mit 90 für unwahrscheinlich. Nur ein wirklich passendes und interessantes Rollenangebot könnte ihn zurück vor die Kamera locken.

 09.12.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Von Kaffee-Helden, Underdogs und Magenproblemen

von Margalit Edelstein  08.12.2025