Interview

»Die Vielfalt jüdischer Musik überrascht viele Menschen«

Felix Klein ist Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und Geiger. Foto: picture alliance / Jörg Carstensen

Unlängst trat beim Festival »Shalom-Musik.Koeln« ein Geiger auf, der Teile des Publikums überraschte, nämlich der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein. Er spielt unter anderem im Trio Accento. Im Interview spricht er über sein Instrument, seine Idee für ein nationales jüdisches Musikfestival und darüber, was Musik in dunklen Zeiten wie nach dem 7. Oktober bewirken kann.

Herr Klein, Sie selbst spielen in mehreren Ensembles Geige. Wie sind Sie zu dem Instrument gekommen?
Mein Vater war professioneller Geiger, bis er irgendwann etwas völlig anderes gemacht und Mineralogie studiert hat. Er ist dann in die chemische Industrie gegangen, hat aber bis zum Ende seines Lebens auf hohem Niveau Geige gespielt. Ich selbst habe zwar etwas anderes studiert, das Geigenspiel aber immer weiter betrieben. Es war keine Frage, dass ich etwas anderes lerne - wie das halt so ist, wenn Eltern etwas vorleben. Ich hatte 20 Jahre lang eine für mich sehr wichtige Geigenlehrerin, sie war wie eine Art Großmutter für mich. Sie hat mich begeistert.

Und was bedeutet Ihnen die Geige?
Das schöne an der Geige ist, dass man in so unterschiedlichen Formationen spielen kann. Ich habe ein Streichquartett und ein Klaviertrio, man kann natürlich auch in einem Orchester spielen.

Sie sind unlängst beim Festival »Shalom-Musik.Koeln« mit dem Trio Accento aufgetreten. Was kann ein Trio-Setting bieten?
Wir hattenen für das Konzert nur jüdische Komponisten ausgesucht, mit Maria Herz und Jacques Offenbach auch Persönlichkeiten mit Bezug zu Köln. Wir wollten die Vielfalt zeigen, die sie erschaffen haben, um die Welt zu bereichern. Ein Klaviertrio ist sehr vielfältig, man kann Populärmusik wie in unserem Fall von Shlomo Gronich spielen, aber auch ernste Klassik wie Felix Mendelssohn Bartholdy.

Für Jüdinnen und Juden auch in Deutschland hat der Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober dunkle Zeiten gebracht. Was kann Musik in solchen Zeiten bewirken?
Musik erreicht die Herzen der Menschen. Und daher ist ein Festival jüdischer Musik das geeignete Format, mit positiven Gedanken zusammenzukommen. Wenn es um Jüdinnen und Juden geht, denken viele Menschen zu oft ausschließlich an den Holocaust, den Nahostkonflikt oder Antisemitismus. Und tatsächlich kann so ein Musikfestival ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen: Je selbstverständlicher jüdisches Leben als Teil der Gesellschaft wahrgenommen wird, desto weniger wird es Gefahr laufen, angegriffen zu werden. Und wenn Menschen etwas besser kennen und Freude daran haben, wird ein sehr gutes Zeichen gesetzt. Das ist gerade wichtig in den jetzigen Zeiten, in denen jüdisches Leben so stark wie seit dem Holocaust nicht mehr angegriffen wird. Die Zahl antisemitischer Straftaten ist seit dem 7. Oktober explodiert. Es ist gut, dass es diese und ähnliche Musikformate gibt, die wir viel regelmäßiger haben sollten.

Wie könnte das aus Ihrer Sicht aussehen?
Es gibt fantastische Initiativen in vielen Städten. Sie sollten stärker miteinander vernetzt werden, und es sollten nationale Tage für jüdische Musik und jüdische Kultur auf die Beine gestellt werden. Zum Beispiel bietet sich dafür Anfang September der Europäische Tag der jüdischen Kultur an. Das wäre ein denkbares Format für nächstes Jahr, das ich mir vorstellen könnte.

Wer sich mit jüdischer Musik beschäftigt, wird möglicherweise auch die eine oder andere überraschende Entdeckung machen ...
Ja, die Vielfalt überrascht viele Menschen. Ich möchte jetzt nicht auf die Diskussion eingehen, was jüdische Musik ist. Aber es gibt Anknüpfungspunkte mit dem jüdischen Gottesdienst, der Folklore, aber eben auch mit Modernem wie elektronischer Musik und zeitgenössischer Musik aus Israel. Das macht einfach Freude. Auch freue ich mich über Aha-Effekte, wenn zum Beispiel jemand sagt: Ach, Jacques Offenbach war jüdisch? Es hat lange gebraucht, bis Mendelssohn wieder seinen Platz bekommen hat in unserem Repertoire klassischer Musik. Er wurde lange als zu süßlich angesehen. Dies geht zurück auf das Gift der Nazis, das noch lange nachgewirkt hat.

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