Gedenkstätte Bergen-Belsen

Die Täter im Blick

Die Gedenkstätte Bergen-Belsen im Landkreis Celle Foto: picture alliance/dpa

Im ehemaligen niedersächsischen Konzentrations- und Kriegsgefangenenlager Bergen-Belsen bei Celle ist am Sonntag eine neue Sonderausstellung eröffnet worden. Im Fokus der Ausstellung »Ein Tatort: Bergen-Belsen« stehe die Frage nach den Motiven der Täter, teilte die Gedenkstätte am Sonntag mit. »Es braucht eine Auseinandersetzung mit den Tätern, um besser zu verstehen, wie es zu diesen Taten kommen konnte«, sagte Elke Gryglewski, Leiterin der KZ-Gedenkstätte am Sonntag bei der Ausstellungseröffnung.

Bis zum 15. Dezember sind in Bergen-Belsen auf Stellwänden und Monitoren Fotos, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen, Prozessunterlagen und andere historische Dokumente zu sehen. Dabei werden einzelne Täter vorgestellt und gezeigt, wie staatliche Institutionen Leiden und Sterben der Lagerinsassen gezielt förderten und dass dieses Vorgehen von großen Teilen der Zivilbevölkerung gebilligt wurde.

Zudem wird thematisiert, dass nur eine Minderheit der KZ-Wachmannschaften und ihrer Leitung sich nach dem Krieg vor Gericht verantworten mussten.

Die ungelernte Elisabeth Volkenrath etwa sah einen vierwöchigen Kurs zur KZ-Aufseherin als berufliche Chance. Sie nutzte ihre Stellung zur brutalen Machtausübung. Bevor sie im Konzentrationslager Bergen-Belsen eingesetzt wurde, entschied sie im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau darüber, welche Häftlinge in die Gaskammer geschickt wurden. Hertha Ehlert galt dagegen bei den Gefangenen anfangs als vergleichsweise hilfsbereite KZ-Aufseherin, doch mit zunehmender Zeit wendete sie immer häufiger Gewalt an.

Nur eine Minderheit der KZ-Wachmannschaften und ihrer Leitung musste sich nach dem Krieg vor Gericht verantworten

Herbert Papst war Wachmann im Kriegsgefangenenlager Bergen-Belsen. In einem Brief von 1941 schreibt er: »Es ist wirklich nicht schade um diese Untermenschen. Wir haben hier viele Beerdigungskommandos.«

Fritz Rau trat bereits 1932 der SS bei, machte im KZ-System Karriere und organisierte ab 1943 im KZ Bergen-Belsen als Arbeitsdienstführer die Zwangsarbeit. Von Häftlingen wird er als skrupelloser Leuteschinder bezeichnet, der kranke Gefangene schwere Arbeit verrichten ließ.

Lesen Sie auch

In den in der Ausstellung präsentierten Zitaten der Täter sowie in Aussagen ihrer Opfer zeigen sich Rassismus, Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft ebenso als Antriebsfeder wie Gleichgültigkeit, Gruppendruck und die Aussicht auf materielle Vorteile und berufliche Karriere. »Es gibt große Unterschiede bei den Gründen, warum sich Menschen an den Verbrechen beteiligten«, sagte Gryglewski.

Am Ende der Ausstellung wird der Blick der Besucher auf die Gegenwart gelenkt und gefragt: Was hilft Menschen, nicht zu Tätern zu werden? Welche Regeln brauchen Institutionen, damit sie sich nicht an Verbrechen beteiligen? In Bergen-Belsen starben bis 1945 mehr als 70.000 Menschen an Misshandlungen, Krankheiten und Hunger - 52.000 KZ-Häftlinge und rund 20.000 Kriegsgefangene, unter ihnen das jüdische Mädchen Anne Frank, deren Tagebuch weltbekannt wurde. epd

Literatur

Leichtfüßiges von der Insel

Francesca Segals Tierärztin auf »Tuga«

von Frank Keil  21.10.2024

Berlin

Jüdisches Museum zeigt Oppenheimers »Weintraubs Syncopators«

Es ist ein Gemälde der Musiker der in der Weimarer Republik berühmten Jazzband gleichen Namens

 21.10.2024

Europa-Tournee

Lenny Kravitz gibt fünf Konzerte in Deutschland

Der Vorverkauf beginnt am Mittwoch, den 22. Oktober

 21.10.2024

Geistesgeschichte

Entwurzelte Denker

Steven Aschheim zeigt, wie deutsch-jüdische Intellektuelle den Herausforderungen des 20. Jahrhunderts begegneten

von Jakob Hessing  21.10.2024

Heideroman

Wie ein Märchen von Wölfen, Hexe und Großmutter

Markus Thielemann erzählt von den Sorgen und Ängsten eines jungen Schäfers in der norddeutschen Provinz

von Tobias Kühn  21.10.2024

Nachruf

Mentor und Mentsch

Hannah M. Lessing erinnert sich an den verstorbenen israelischen Holocaust-Forscher Yehuda Bauer

von Hannah M. Lessing  21.10.2024

Sam Sax

Apokalyptisch in New York

Der queere Coming-of-Age-Roman »Yr Dead« beschreibt eine Selbstverbrennung

von Katrin Diehl  20.10.2024

Tatort

Alte Kriegsverbrechen und neue Zivilcourage

Im neuen Murot-»Tatort« findet ein Kriminalfall im Zweiten Weltkrieg in die Gegenwart. Und Hauptdarsteller Ulrich Tukur treibt doppeltes Spiel

von Andrea Löbbecke  20.10.2024

Buchmesse

Friedenspreis des deutschen Buchhandels für Anne Applebaum

Als die Historikerin Anne Applebaum in Frankfurt mit dem Buchhandels-Friedenspreis geehrt wurde, richtete sie einen dramatischen Appell an die Welt

von Christiane Laudage, Christoph Arens, Volker Hasenauer  20.10.2024